Übersichtsarbeiten - OUP 06/2023

Distale Humerusfrakturen

Heterotope Ossifikationen nach distalen Humerusfrakturen treten in 8–41 % der Fälle auf und sind häufig mit Kopfverletzungen, hochenergetischen Verletzungen und offenen Frakturen assoziiert [37, 42, 43]. Am häufigsten verlaufen die Ossifikationen entlang des MCL und sind mit einem signifikanten Verlust der Streckung und einer verringerten Beugefähigkeit verbunden [43]. Eine Ossfikationsprophylaxe (z.B. Bestrahlung oder Einnahme von Indometacin) konnte bisher allenfalls einen geringen Nutzen nachweisen [3]. Die Behandlung der symptomatischen heterotopen Ossifikation umfasst in der Regel die chirurgische Exzision der betroffenen Areale mit Resektion von Narbengewebe aus der Fossa olecrani und einer ventralen Arthrolyse. Sie kann durch eine Bestrahlung oder nichtsteroidale Antiphlogistika ergänzt werden.

Nervenschädigungen

Intra- und postoperativ tritt am häufigsten eine sensomotorische Affektion des N. ulnaris in bis zu 20 % der Fälle auf [44]. Daher sollte intraoperativ die sorgfältige Darstellung des N. ulnaris erfolgen und ein Zug am Nerven durch eingesetzte Haken oder Repositionsmanöver unbedingt vermieden werden. Wenn präoperativ kein sensomotorisches Defizit bestand und der Nerv intraoperativ dargestellt wurde, ist die Affektion in der Regel im Verlauf rückläufig. Kommt es zu keinerlei Irritation des Nervs, kann dieser in seine ursprüngliche Position zurückverlagert werden. Die prophylaktische anteriore Transposition des Nervs hat keinen Vorteil, kann jedoch bei posttraumatischer Irritation, die eine operative Revision erforderlich macht, zu einer Besserung beitragen [3, 44, 45].

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. med. Vera Jaecker

Centrum für Muskuloskeletale

Chirurgie

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

vera.jaecker@charite.de

CME-Fragen:

1. Welche Aussage zu koronaren Abscherfrakturen des distalen Humerus (Typ B3-Verletzungen) trifft zu?

Koronare Abscherfrakturen sind über einen dorsalen Zugang schwer zugänglich.

Aufgrund der weit distal gelegenen Gelenkfraktur ist häufig eine Olecranonosteotomie erforderlich.

Die operative Therapie der Wahl ist eine anatomisch vorgeformte winkelstabile Plattenosteosynthese.

Koronare Abscherfrakturen zählen zu den häufigsten distalen Humerusfrakturen.

Koronare Abscherfrakturen können gut über einen dorsalen paratrizipitalen Zugang adressiert werden.

2. Welche Aussage zur Klassifikation distaler Humerusfrakturen nach Dobberly ist richtig?

Die Einteilung erfolgt entsprechend der Frakturmorphologie in extraartikulär, partiell intraartikulär und vollständig intraartikulär.

Typ Dobberly l-Frakturen sind extraartikulär.

Typ Dobberly lll-Frakturen entsprechen den C-Frakturen nach AO.

Die Einteilung erfolgt in Typ l–lll, die separate Fragmente des Capitulums und der Trochlea in der sagittalen Ebene berücksichtigt.

Koronare Abscherfrakturen finden in der Dobberly-Klassfikation keine Berücksichtigung.

3. Welche ist die häufigste Nervenläsion bei bikondylären Frakturen des distalen
Humerus?

Nervus cutaneus antebrachii lateralis

Nervus medianus

Nervus ulnaris

Nervus radialis, Ramus superficialis

Nervus radialis, Ramus profundus

4. Welche Aussage zur konservativen Therapie distaler
Humerusfrakturen trifft zu?

Die konservative Therapie beinhaltet eine früh-funktionelle Behandlung, um Bewegungseinschränkungen vorzubeugen.

Die Raten einer Non-union sind vergleichbar mit denen nach einer operativen Therapie.

Bei geriatrischen Patientinnen und Patienten ist die konservative der operativen Therapie vorzuziehen.

Eine konservative Therapie ist nicht möglich.

Die konservative Therapie ist mit einem sechsfach erhöhten Risiko einer Non-union vergesellschaftet.

5. Welche der folgenden Osteosynthesen kann als Standardversorgung von C3-Frakturen des distalen Humerus
angesehen werden?

Aufgrund der intraartikulären Beteiligung sind Schraubenosteosynthesen mit versenkbarem Schraubenkopf die Osteosynthese der Wahl.

Offene Reposition und singuläre dorsoradiale Plattenosteosynthese

Zugschraubenosteosynthese

Offene Reposition und Doppelplattenosteosynthese in 90°- oder 180°-Konfiguration

Offene Reposition und singuläre mediale (ulnare) Plattenosteosynthese

6. Welche Aussage zur Bildgebung distaler Humerusfrakturen ist richtig?

Die Kernspintomographie ist die Standarddiagnostik bei distalen Humerusfrakturen.

Eine Kernspintomographie ist in der Regel nicht erforderlich.

Konventionelle Röntgenbilder spielen heutzutage keine Rolle mehr.

Die direkte Angiografie unter Röntgenkontrolle ist die Diagnostik der Wahl bei dem Verdacht einer Gefäßverletzung.

Je komplexer die Fraktur, umso weniger Bedeutung hat die CT-Bildgebung, da die Fraktur dann ohnehin offen reponiert werden muss.

7. Welches ist der häufigste
Unfallmechanismus der zu distalen Humerusfrakturen führt?

Sturz auf das ausgestreckte Handgelenk

Direkte Krafteinwirkung bei
gestrecktem Ellbogengelenk

Flexions-/Valgustrauma

Direkte Krafteinwirkung bei
einem mehr als 110° gebeugtem Ellbogengelenk

Hebelmechanismus mit Hyperextension im Ellbogengelenk

8. Welche Aussage zur
Zugangswahl bei distalen Humerusfrakturen ist nicht richtig?

Die meisten distalen Humerusfrakturen lassen sich am besten in Rückenlagerung operieren.

A-Frakturen lassen sich über
einen dorsalen Zugang versorgen.

C1-Frakturen können häufig über einen dorsalen Zugang ohne Olecranonosteotomie versorgt werden.

Koronare Abscherfrakturen, die das Capitulum humeri oder die Trochlea betreffen, werden in der Regel über einen lateralen oder ventralen Zugang versorgt.

Die Olecraonosteotomie ermöglicht eine bessere Einsicht in das Gelenk, wenn die zentrale Gelenkfläche im Rahmen von komplexen C3-Frakturen beteiligt ist.

9. Welche Aussage zur Komplikationen nach offener Reposition und interner Fixierung distaler Humerusfrakturen trifft zu?

Angesichts der Verbesserung der Operationstechniken und Implantate spielen heterotope Ossifikationen keine Rolle mehr.

Mit einem Bewegungsausmaß in Extension/Flexion von 0°-30°-130° sind Patientinnen und Patienten in der Regel in der Lage, allen Alltagsanforderungen gerecht zu werden.

Die meisten distalen Humerusfrakturen gehen mit einer uneingeschränkten Funktion des Ellbogengelenks einher.

Eine Affektion des Nervus ulnaris ist in der Regel verbleibend, auch wenn der Nerv intraoperativ dargestellt wurde, nicht rückläufig.

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