Übersichtsarbeiten - OUP 06/2023

Frakturassoziierte Infektionen an der oberen Extremität
Was gibt es zu beachten?

Weltweit kann mit einer weiteren Zunahme der FRI-Inzidenz gerechnet werden. Innerhalb des letzten Jahrzehnts wurde bereits eine Zunahme von proximalen Humerusfrakturen (61.606, +10 %), Humerusschaftfrakturen (12.368, +14 %), distalen Humerusfrakturen (7192, +9 %), sowie des proximalen Radius (8423, +19 %) verzeichnet. Steigende Lebenserwartung, häufiger auftretende osteoporotische Frakturen und operative Eingriffe zur Frakturversorgung sind die Gründe für diese Annahme [4].

Definition

Die FRI ist ein komplexes Krankheitsbild, das in der Literatur oft unter verschiedenen Synonymen wie posttraumatische Osteomyelitis, implantatassoziierte Infektion oder infizierte Pseudarthrose beschrieben wird [5]. In der Vergangenheit fehlte es oft an klaren Definitionen, was dazu führte, dass Diagnosekriterien häufig aus Studien zu periprothetischen Infektionen abgeleitet wurden [6]. Dieses Problem wurde nochmals in einem systematischen Review im Jahr 2018 hervorgehoben, bei dem nur 2 % von 100 eingeschlossenen randomisiert-kontrollierten Studien eine valide Definition für Infektionen nach Frakturen aufwiesen [7]. Als Reaktion darauf wurde im selben Jahr eine Konsensusdefinition für FRI entwickelt und von Expertengruppen, darunter Vertreter internationaler Gesellschaften wie der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) und der European Bone and Joint Infection Society (EBJIS), konfirmatorische und suggestive Kriterien festgelegt (Tab. 1) [8].

Diagnostik

Die klinische Routinediagnostik
unterscheidet sich an der oberen
Extremität nicht von anderen anatomischen Regionen. Folgendes sollte hierbei in der täglichen Praxis beachtet werden:

Klinische Untersuchung

Die klinische Untersuchung ist von essenzieller Bedeutung und bildet die Grundlage der Diagnostik. Allerdings kann die Diagnostik bei nicht vorhandenen konfirmatorischen Kriterien (Tab. 1) schwierig sein. Einzelne klinischen Zeichen einer Infektion, die als suggestive FRI-Parameter gelten, sind relativ selten: Rötung 54 %, lokale Wärme/Calor 21 %, Schwellung/Tumor 46 %, Schmerz/Dolor 49 %, neu aufgetretener Gelenkerguss 8 %, Wundabfluss 44 %, Fieber ? 38,3 °C 12 % [13]. Somit sind weitere diagnostische Maßnahmen von Bedeutung.

Laborchemische Untersuchung

Parameter wie die Leukozytenzahl, C-reaktives Protein (CRP) und Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) wurden auf ihre diagnostische Nützlichkeit bei der Identifizierung einer FRI untersucht. Diese Marker sind jedoch nicht spezifisch, da sie nicht nur bei einer Infektion, sondern auch nach Trauma oder in verschiedenen anderen entzündlichen Zuständen erhöht sein können. Zusätzlich können sie auch bei chronischen oder späten Infektionen innerhalb des Normbereichs liegen. Das CRP gilt als zuverlässigster laborchemischer Indikator, jedoch sind seine Sensitivität und Spezifität gemäß einer gründlichen Prüfung der verfügbaren Literatur nur mäßig zuverlässig [9]. Folglich kann durch laborchemische Marker das Vorhandensein einer Infektion nicht definitiv bestätigt oder ausgeschlossen werden.

Radiologische Bildgebung

Zu Beginn sollten Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen angefertigt werden. Diese ermöglichen die Beurteilung der Frakturheilung und der Lage der Implantate. In späteren Infektionsstadien können gelegentlich spezifische Anzeichen einer chronischen Osteomyelitis im nativen Röntgenbild erkannt werden, dazu gehören periostale Reaktionen, kortikale Erosionen, fokale Osteopenie und Osteolysen [10]. Es ist ebenso wichtig, neben dem Knochen auch das Weichteilgewebe in den nativen Röntgenbildern zu evaluieren. Eventuelle Schwellungen oder klare Umrisse im Weichteilbereich können wichtige Hinweise liefern und weitere diagnostische Maßnahmen notwendig machen. In solchen Fällen kommen dann bildgebende Verfahren wie die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz.

Die CT eignet sich besonders gut zur Beurteilung des Knochenstatus. Sie liefert präzise Informationen über den Knochen, einschließlich möglicher Weichteilinfiltration, Abszesse, periostale Reaktionen und Gasansammlungen. Darüber hinaus unterstützt die CT bei der Einschätzung der Knochenkonsolidierung und ermöglicht eine genaue Darstellung von Knochendefekten, was für die Operationsplanung von großer Bedeutung ist. Allerdings kann die Anwesenheit von metallischen Implantaten aufgrund von Artefakten die Bildbewertung beeinträchtigen. Ähnliche Beschränkungen gelten auch für die MRT in Anwesenheit von Implantaten, obwohl hier bereits spezielle Techniken entwickelt wurden, um diese Problematik zu minimieren. Die MRT bietet Vorteile gegenüber röntgenbasierten Bildgebungsverfahren, insbesondere in Bezug auf eine bessere Visualisierung von Weichteilstrukturen, die Beurteilung des Knochenmarks und die frühzeitige Erkennung akuter Entzündungen. Bei der MRT sind Sequenzen mit kurzer Tau-Inversionserholung (STIR) besonders hilfreich, um Fettsignale zu unterdrücken und erhöhte Flüssigkeitsansammlungen im Knochen und Weichteilgewebe zu erkennen [11]. Gadolinium-Kontrastmittel können ebenfalls verwendet werden, um die Signaldifferenzierung in der MRT zu verbessern. Es bleibt jedoch eine Herausforderung, zwischen reaktiver Schwellung und Entzündung in der MRT zu unterscheiden, was oft zu einer Überschätzung des Ausmaßes oder der Schwere des Osteomyelitis-Herdes führt [12].

Nuklearmedizinische Verfahren wie die dreiphasige Skelettszintigrafie, Leukozytenszintigrafie und 18F-Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomographie/CT (18F-FDG PET/CT) können ebenfalls zur Beurteilung von FRI eingesetzt werden. Diese Techniken nutzen die von der betroffenen Stelle ausgehende Strahlung zur Erzeugung diagnostischer Bilder, wobei das 18F-FDG PET/CT als Hybridmethode die Präzision der CT-Bildgebung mit der Positronenemissionstomographie verbindet. Die 18F-FDG PET/CT hat eine hohe diagnostische Genauigkeit (Sensitivität von 0,89, Spezifität von 0,80), ist jedoch hinsichtlich der Verfügbarkeit eingeschränkt [13].

Mikrobiologische Diagnostik

Um die mikrobiologische Diagnostik zu optimieren, wird empfohlen, anstelle der in der Vergangenheit üblichen Entnahme intraoperativer Abstriche, 3–5 Gewebeproben aus dem infektionsverdächtigen Gewebe in der Nähe der Frakturstelle zu entnehmen. Ein standardisiertes Protokoll sollte im chirurgischen Routineablauf integriert sein. Um Kreuzkontaminationen zu vermeiden, sollten die Gewebeproben mit separaten, sterilen chirurgischen Instrumenten unter Verwendung einer berührungslosen Technik entnommen werden [14].

Histopathologische
Untersuchung

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