Übersichtsarbeiten - OUP 06/2023

Frakturassoziierte Infektionen an der oberen Extremität
Was gibt es zu beachten?

Bei begleitender septischer Arthritis des angrenzenden Gelenks, z.B. des Gleno-Humeralgelenks bei der proximalen Humerusfraktur, muss das Gelenk gespült und synovektomiert werden. Der weitere Verlauf der FRI ist entscheidend von der Kontrolle des Gelenkinfektes abhängig. Zudem spielt auch bei beherrschter Infektion die Vitalität des Kopffragmentes für ein gelenkerhaltendes Vorgehen eine entscheidende Rolle. Bei persistierender Gelenkinfektion bzw. einer sich abzeichnenden Humeruskopfnekrose ist eine Konversion auf eine Gelenkendoprothese sinnvoll (Abb. 1). Bei nicht kontrollierbaren Infektionen bei einliegendem Implantat ist auch eine Sine-Plastik eine Möglichkeit, um die Infekteradikation zu erzielen. Wie so oft in der septischen Chirurgie kann hiermit zwar die Infekteradikation erzielt werden, allerdings ein gewünschtes, funktionell zufriedenstellendes Ergebnis trotz Infekteradikation mit einem solchen Salvageverfahren allerdings nicht bewerkstelligt werden.

Knochendefekte

Im Gegensatz zur unteren Extremität tragen die Arme keine Last. Dies hat verschiedene Vorteile, die man sich bei der Therapie zu Nutze machen kann.

Knochendefekte kleineren Ausmaßes können am Oberarmschaft durch eine Verkürzung behandelt werden. Die Defektzone wird reseziert und der Knochen vor der osteosynthetischen Versorgung aufeinandergestellt. Hierdurch kann eine deutliche Verkürzung der Therapiedauer erzielt werden. Wenige Zentimeter Verkürzung des Oberarmes werden von den Patientinnen und Patienten gut toleriert und sind im Alltag wenig beeinträchtigend. Die Vorteile einer solchen Therapie müssen selbstverständlich ausführlich mit den betroffenen Patientinnen und Patienten vor Therapiebeginn erörtert und die kosmetischen Konsequenzen besprochen werden.

Aufgrund der geringeren mechanischen Belastung lassen sich externe Monorail-Fixateursysteme ohne zusätzliche interne Fixation anwenden, wie es bei der rail-over-nail-Technik an der unteren Extremität üblich ist. Hierbei wird über eine Fixateurschiene ein Segmenttransfer bewerkstelligt, um größere Knochendefekte zu rekonstruieren. Da das Körpergewicht gerade bei Femur oder Tibiadefekten die Belastbarkeit eines Schienen-Fixateur externe übersteigt, muss hier in der Regel mit einem intramedullärem Implantat der Knochen zusätzlich stabilisiert werden und so eine Leitschiene für das zu transferierende Segment etabliert werden. An der oberen Extremität wirken geringere Kräfte, ein intramedulläres Implantat ist bei Defektrekonstruktionen mit externen Fixateuren in der Regel nicht notwendig. Ringfixateure sind am Arm aufgrund der dadurch entstehenden Behinderung kein probates Therapiemittel.

Intramedulläre Implantate

Bei einliegenden intramedullären Implantaten wie Marknägeln oder ESINs (elastic stable intramedullary nails) sollte bei einer FRI immer eine Entfernung des infizierten Implantates erfolgen. Ein implantaterhaltendes Vorgehen (DAIR) ist bei im Markraum einliegendem Osteosynthesematerial nicht sinnvoll, da ein Debridement nicht adäquat durchführbar ist [20]. Bei weiterer notwendiger Stabilisierung der Fraktur ist nach Entfernung des Osteosynthesematerials und gründlichem Markraumdebridement mittels Markraumaufbohrung und Spülung mit reichlich Kochsalzlösung notwendig. Eine erneute Osteosynthese durch ein neues intramedullares (Nagel-Reosteosynthese) oder extramedulläres Implantat komplettiert sodann das einzeitige Vorgehen.

Cutibactierum acnes


Besonderheiten bei Diagnostik und Therapie

In Bezug auf die Prävalenz der infektionsverursachenden Pathogene in den oberen und unteren Extremitäten wurden keine signifikanten Unterschiede in der Verteilung von Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermidis und anderen Koagulase-negativen Staphylokokken festgestellt [21]. Hingegen hat sich in den letzten Jahren zunehmend Cutibacterium acnes (ehemals Propionibacterium acnes) als potenzieller Erreger bei Knochen- und Gelenkinfektionen herausgestellt. Cutibacterium acnes wird vorwiegend im Bereich der oberen Extremität isoliert, wobei eine signifikante Diskrepanz von 24,5 % im Vergleich zu nur 1,4 % an der unteren Extremität beobachtet wurde [21]. Dieses Phänomen lässt sich durch das natürliche Vorkommen von C. acnes in den Talgdrüsenfollikeln der Haut erklären, weshalb dieses häufiger in der Schulterregion beobachtet wird als auf der Haut der Knie- oder Hüftregion [22]. C. acnes stellt eine diagnostische Herausforderung dar, da es eine lange Inkubationszeit von 14–17 Tagen benötigt, um ein positives Kulturergebnis zu liefern. Die Diagnose einer C. acnes-Infektion erfordert daher die mikrobiologische Untersuchung auf aeroben und anaeroben Nährmedien über einen Zeitraum von bis zu 3 Wochen [23], so dass bei der Anforderung der mikrobiologischen Untersuchung auf die anatomische Lokalisation und auch eine mögliche C. acnes-Infektion hingewiesen werden sollte. Da die C. acnes-Infektion in der Regel oftmals klinisch inapparent verläuft, ist auch das Routinelabor hinsichtlich der Infektionsparameter wie die BSG, CRP und der Leukozytenzahl unauffällig [24].

Die Behandlung von C. acnes-Infektionen gestaltet sich komplex, da die Bakterien zwar gegenüber einer breiten Palette von Antibiotika empfindlich sind, jedoch zunehmend Resistenzen gegen einige dieser Wirkstoffe, einschließlich Makroliden, Clindamycin, Doxycyclin, Minocyclin und Trimethoprim-Sulfamethoxazol entwickeln [25]. Bei biofilmbedingten Infektionen sind Vancomycin, Levofloxacin und Clindamycin weniger wirksam, während Rifampicin, Daptomycin und Ceftriaxon in Tiermodellen biofilmaktive Eigenschaften, auch gegen C. acnes-Infektionen gezeigt haben. Auch in Kombination besitzen Rifampicin und Levofloxacin eine gute Wirksamkeit [25]. Die empfohlene Behandlung besteht aus einer initialen intravenösen Therapie mit Benzylpenicillin oder Ceftriaxon, gefolgt von einer oralen Kombinationstherapie mit Rifampicin und Amoxicillin, Doxycyclin oder Chinolonen [21].

Outcomeanalyse an der
oberen Extremität – PROMs

Die Messung und Bewertung von Gesundheitszuständen und Behandlungsergebnissen in der Medizin hat sich in den letzten Jahren zunehmend auf die Einbeziehung von PROMs (Patient-reported Outcome Measures) verlagert. Die Verwendung von PROMs in der Forschung und Praxis im Bereich der FRI eröffnet die Möglichkeit, nicht nur klinische, sondern auch patientenzentrierte Ergebnisse zu erfassen. Dies trägt dazu bei, eine umfassendere Beurteilung dieser komplexen Erkrankung zu ermöglichen und die Qualität der Versorgung von FRI-Patientinnen und -Patienten nachhaltig zu verbessern.

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