Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018
Gelenkerhaltende operative Therapiemöglichkeiten bei Arthrose
An der unteren Extremität zählt die Behebung des femoroazetabulären Impingements inzwischen zu einer wesentlichen Therapieoption bei der Früharthrose des Hüftgelenks. Lange Zeit galt die Hüftdysplasie als wesentliche präarthrotische Deformierung und damit als angeborener Risikofaktor für die Ausbildung einer späteren Koxarthrose. Seit den 90er-Jahren beschäftigte sich vor allem die Berner Arbeitsgruppe um Ganz und Leuning zunehmend mit offenen Hüftluxationen, zunächst zur Behandlung der Dysplasie [28–30]. Dabei entdeckten sie eine völlig neue Pathologie, dass femoroazetabuläre Impingement. Einerseits gibt es die Mehrüberdachung des Hüftgelenks durch einen überstehenden Pfannenrand (pincer) ab einem CE-Winkel von 40°. Auf der anderen Seite eine Entrundung des Hüftkopfs mit Ausbildung des Cam-Impingement. Gerade das Cam-Impingement, das häufiger bei Männern vorkommt, führt zu einer Drucküberlastung des oberen Hüftkopfs und der korrespondierenden Gelenkpfanne, zwischen der das Labrum eingequetscht und aufgerieben wird [31]. Das femoroazetabuläre Impingement dürfte eine der wichtigsten Risikofaktoren für die Ausbildung von Koxarthrosen sein. Zunächst erfolgte die Beseitigung dieser Impingement-Situation durch offene Hüftluxation, dieses Verfahren wird jedoch heute zunehmend arthroskopisch durchgeführt, wie größere Sammelstatistiken gezeigt haben, z.B. das Deutsche KnorpelRegister DGOU [32]. Inwieweit durch die Beseitigung des Impingement jedoch eine spätere Koxarthrose-Entwicklung wirklich vermieden werden kann, ist derzeit noch unklar.
Am Kniegelenk kann bei vorliegendem erheblichem Bewegungsdefizit bei jüngeren Patienten gelegentlich ein mediales Kapsel-Release und die Abtragung von Tibia-Osteophyten im dorsalen Gelenksbereich bzw. eine Notch-Plastik sinnvoll sein (Abb. 2). Allerdings sind solche Möglichkeiten aufgrund der GBA-Beschlüsse inzwischen oft nur noch BG-Versicherten bzw. Privatpatienten in Deutschland zugänglich.
Auch am oberen Sprunggelenk ist es möglich, ventrale Tibia-Osteophyten (sog. Soccer-Ankle) im Falle einer Früharthrose abzutragen und diesen Eingriff ggf. mit einem entsprechenden Weichteil-Debridement/Chondroplastik zu kombinieren.
Bei idiopathischem Hallux rigidus kann es weiterhin gelegentlich sinnvoll sein, den mechanisch störenden Osteophyten des Mittelfußköpfchens I schräg abzutragen, um damit die Dorsalextension im Gelenk und somit die Abrollfunktion des Fußes zu verbessern. Allerdings ist in den meisten Fällen entweder die Implantation einer Endoprothese oder eine Arthrodese die Methode der Wahl.
Bei allen Arthrolysen bedarf es einer längerfristigen Schmerzausschaltung (z.B. durch Nerven-Blockade-Katheter), einer CPM-Nachbehandlung und anschließend einer intensiven physiotherapeutischen und eigenverantwortlichen Bewegungstherapie, möglichst im Rahmen einer Reha. Zudem sollte bei ausgedehnten Arthrolysen eine mindestens 4-wöchige Indomethazin-Prophylaxe zur Vermeidung periartikulärer Weichteilverkalkungen erfolgen.
Osteotomie
Osteotomien des Kniegelenks gehören zum festen Behandlungskonzept der Gonarthrose. Im Jahre 1965 führte Marc Coventry erstmals eine lateral schließende Tibiakopfosteotomie zur Behandlung der medialen Gonarthrose durch [33]. Bis etwa Anfang der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts war dieser Eingriff Methode der Wahl zur Behandlung von Gonarthrosen. Mit der Entwicklung der Endoprothetik und vor allem der Entwicklung der Schlitten-Endoprothese verlor diese Operationsmethode zunächst an Bedeutung. Das lag sicher daran, dass dieser Eingriff im Vergleich zur alternativen medialen Technik erhebliche Komplikationsraten in Bezug auf Nervenschaden, Notwendigkeit einer Fibula-Osteotomie und spätere Schwierigkeiten bei der Endoprothesenimplantation hatte. Coventry stellte 1970 fest: „In the 60s we saw the development of osteotomy and in the 70s we saw the development of replacement” [34].
Mitte der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts erlebte die Umstellungsosteotomie bei der Behandlung von Gonarthrosen jüngerer Patienten eine Renaissance, bedingt durch die neue Möglichkeit der medial-öffnenden Osteotomie unter Verwendung moderner winkelstabiler Osteosynthese-Systeme (Abb. 3) [35]. Die medial-öffnende Osteotomie weist gegenüber der klassischen Technik eine Reihe von Vorzügen auf: kein knöcherner Substanzverlust, keine Stufenbildung innerhalb des Tibia-Kopfs, keine Fibula-Osteotomie und damit kaum Gefahr für den Nervus peroneus, intraoperative Anpassung des Osteotomie-Ausmaßes.
Bereits Coventry erreichte mit seiner Technik über lange Jahre gute Ergebnisse. Er konnte insgesamt 213 Kniegelenke 16 Jahre nach Osteotomie untersuchen und fand noch in 61 % aller Fälle ein gutes bis sehr gutes Langzeitergebnis. Heute muss sich die Osteotomie dabei natürlich an den Ergebnissen der alternativ infrage kommenden Schlitten-Endoprothese messen lassen. In einer früheren Metaanalyse konnten wir zeigen, dass die Osteotomie mit dem Schlitten etwa vergleichbare Ergebnisse liefert. In der Tendenz sind jedoch die klinischen Ergebnisse nach Schlitten-Endoprothese etwas besser als die Umstellungsosteotomie [36]. Daher ist die Umstellungsosteotomie heute Methode der Wahl bei jüngeren Arthrose-Patienten mit hohen physischen Ansprüchen, bei denen man im Falle einer Schlitten Endoprothese
erhebliche Restriktionen empfehlen würde.
Während früher die Umstellungsosteotomien des Hüftgelenks auch zur Behandlung der Koxarthrose weit verbreitet waren, werden heute diese Eingriffe nur noch als Arthrose-protektive Korrektur-Osteotomien bei der Hüftdysplasie durchgeführt [31]. Da auch die Inzidenz der behandlungsbedürftigen Hüftdysplasie aufgrund der umfassenden Vorsorgemaßnahmen (U3 Sonografie der Säuglingshüfte) seit den 90er-Jahren drastisch zurückging, wird dieser Eingriff heute in Deutschland eher selten erforderlich.
Zudem gibt es spezielle Befundkonstellationen (vor allem schwere Fehlstellungen nach Trauma), bei denen Endoprothesen zunächst gar nicht implantiert werden können. In solchen Fällen können in speziellen Zentren sicher auch entsprechende Korrekturosteotomien zur Behandlung von posttraumatischen Arthrosen durchgeführt werden.
Arthrodese
Obwohl die Arthrodese natürlich keine „gelenkerhaltende“ Operationsmethode ist, muss sie hier aufgrund ihrer nach wie vor erheblichen Bedeutung für bestimmte Situationen als operative Therapieoption im Vergleich zur Endoprothetik genannt werden. Für die Hüfte, das Kniegelenk und das Schultergelenk sind im fortgeschrittenen Arthrosestadium heute die Endoprothesen Methode der Wahl.
Allerdings liegen die Ergebnisse der Endoprothesen im Bereich von Ellenbogen, Handgelenk und Sprunggelenk oft hinter denen der Arthrodese. Insofern ist für diese Gelenke, wie auch für die kleinen Gelenke (Finger und Füße) heute noch die Arthrodese die Methode der ersten Wahl. In den nächsten Jahren sind sicher auch Verbesserungen der Endoprothesen-Systeme für diese Gelenke zu erwarten, sodass auch hier die Arthrodese in den Hintergrund rücken mag.