Übersichtsarbeiten - OUP 03/2021
Konservativ, Hüftarthroskopie, Hüftkappe, Kurzschaft, StandardschaftWelche Optionen sind bei der Coxarthrose sinnvoll?
Oberflächenersatzendoprothesen sind bei Frauen nicht nur aufgrund des erforderlichen Mindestdurchmessers der Femurkomponente mit Vorsicht zu sehen. Schwangeren mit und ohne Metall-Metall-Prothesen zeigen im Nabelschnurblut bei beiden Prothesentypen gleiche Spiegel für Kobalt und Chrom. Einen Hinweis, dass das Kind durch eine Metall-Metall-Prothese der Mutter geschädigt wird, gibt es bis dato nicht [96]. Dennoch ist die Datenlage schwach, weshalb wir Frauen im gebährfähigen Alter anstelle des Oberflächenersatzes die Kurzschaftendoprothese empfehlen. Epidemiologischen Daten nach entwickeln 25 % der Frauen ab 50 eine Osteoporose mit einem erhöhten Frakturrisiko [35]. Beim Oberflächenersatz sind Schenkelhalsfrakturen möglich. In der aktuellen Multicenterstudie mit 10.267 Patienten, wobei in über 2900 Fällen Frauen eingeschlossen wurden, zeigt sich im Follow-up von 22 Jahren in 32 Fällen (0,31 %) eine Schenkelhalsfraktur [88]. Häufig liegt hier eine fehlerhafte Implantationstechnik [5, 20], eine Osteonekrose [84], oder aber ein Fehler in der Indikationsstellung zugrunde. Trotz der minimalen Inzidenzen einer Schenkelhalsfraktur ist dieses Thema mit Vorsicht anzugehen. So ist das erhöhte Osteoporoserisiko ein weiterer Grund, warum wir bei Frauen keine Kappe empfehlen. Bei Männern empfiehlt sich eine Knochendichtemessung. Auch bei einer ausgeprägten Varusdeformität und/oder einem deutlichen Übergewicht sind wir zurückhaltend, weil hierdurch hohe Scherkräfte auf den Schenkelhals mit einer erhöhten Bruchgefahr auftreten können. Weitere Kontraindikation sind große Zysten (> 1 cm) im Hüftkopf und eine schwere Hüftdysplasie. Entsprechend den Produktempfehlungen sollte das Patientenalter unter 60, bzw. maximal unter 65 Jahren liegen, wobei wir empfehlen, mehr auf das biologische Alter, die Aktivität in Freizeit und Beruf sowie die Knochenqualität zu achten. In Anbetracht der Thematik rund um die Metallgleitpaarung sollte klargestellt werden, dass auch andere Prothesenmodelle eine Option mit sehr guten Ergebnissen sind.
Der wesentliche Grund, warum wir bei sehr aktiven, eher jüngeren Patienten neben Schaftendoprothesen auch den Oberflächenersatz implantieren, sind die trotz eines des Aktivitätsniveaus vglw. langen Standzeiten. Standard-Totalendoprothesen bei jüngeren Patienten bspw. mit einem Alter von bis zu 50 Jahren zeigen sehr eingeschränkte Standzeiten. Das Schwedische Prothesenregister zeigt in dieser Patientengruppe nach 24 Jahren Überlebensraten von 52?57 %. Mit zunehmendem Alter steigen die Standzeiten ein wenig an, wobei allerdings erst ab einem Alter über 75 Jahre Standzeiten von über 90 % erreicht werden [46]. Hingegen zeigt die bereits genannte Multicenterstudie bei 8455 Männern unter 50 mit einem Oberflächenersatz nach 10 und 22 Jahren eine Überlebensrate von 99 % bzw. 92,5 %. Für alle 11.063 Patienten, von denen 2926 weiblich waren, betrug die Überlebensrate nach 10 Jahren 95 % und nach 22 Jahren 90 % [88]. Vier weitere Studien zum Oberflächenersatz bei männlichen Patienten unter 50 bzw. 55 Jahren zeigen nach 4,7 Jahren, 6, 12 und 14 Jahren eine aseptische Überlebensrate von 100 % [13, 29, 34, 64]. In einer Studie wurden 505 Patienten mit einem Oberflächenersatz mit 505 Patienten mit einer zementfreien Schaftprothese verglichen. Alle Patienten waren jünger als 55 Jahre. Nach einem mittleren Follow-up von etwas mehr als 6 Jahren zeigten sich bei den Standardendoprothesen signifikant erhöhte Komplikations- und Revisionsraten. Der häufigste Grund für die Revisionen der Schaftprothesen waren Lockerungen. Zudem zeigte der Oberflächenersatz eine signifikant höhere Zufriedenheitsrate [36]. Als Ursache für die niedrigen Standzeiten wird natürlich die vglw. hohe Aktivität jüngerer Patienten diskutiert. Aus der Sicht vieler Patienten sollte an dieser Variable möglichst wenig geändert werden. Daher ist das Endoprothesenkonzept die interessantere Variable, um hier den hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Wahrscheinlich ist dies der Grund, warum bspw. die auf dem Markt verbliebenen Kappen und/oder bestimmte Kurzschäfte mit einer physiologischeren Krafteinleitung und den damit verbundenen verbesserten osteologischen Eigenschaften für viele Kollegen interessant sind. Neben den Standzeiten bei jungen, aktiven Menschen bietet der Oberflächenersatz weitere, nicht unwesentliche Vorteile. So muss der Markkanal nicht eröffnet werden, womit das Fett- und Blutungsembolie-Risiko fällt. Zudem kommt es zu einem nur minimalen Knochenverlust, so dass ein Wechsel bspw. auf einen Kurzschaft sicher möglich ist. Weil nur die Oberfläche ersetzt wird, ist die individuelle Gelenkgeometrie in allen Ebenen erhalten [6]. Dies sichert eine gute Muskelfunktion und eine hohe Luxationssicherheit. Insbesondere für Risikopatienten wie bspw. Kletterer, Ball- oder Kampfsportler etc., die eine ausgesprochen sichere und starke Hüftfunktion benötigen, ist der Oberflächenersatz daher eine abzuwägende Option [3, 18]. Bspw. wurde in einigen Studien gezeigt, dass die Wiederaufnahme von Sport mit dem Oberflächenersatz potenziell besser möglich ist als mit Standard-Hüftendoprothesen [18, 26, 29, 67, 79]. Die anfangs erwähnte Arbeit zu 48 Ironman-Triathleten [29] erscheint spektakulär. Dennoch ist sie ein gutes Beispiel für äußerst aktive Patienten, die trotz Prothese weiterhin solche Herausforderungen suchen möchten. Unseres Erachtens ist es wertvoll, sofern eine sorgfältige Abwägung und insbesondere Aufklärung der Vor- und Nachteile zu den verschiedenen Implantattypen erfolgt, den Patienten bei solchen Ambitionen zu unterstützen. Interessant ist eine Studie, in der Patienten befragt wurden, die, mehrere Jahre zurückliegend, auf der einen Seite einen Oberflächenersatz und auf der anderen Seite eine Schaftprothese erhalten haben. Auf die Frage hin, wie sie erneut entscheiden würden, gaben zwei Drittel den Oberflächenersatz an; die anderen waren indifferent oder sahen es umgekehrt. Dies passt zu den Outcomescores, die auf der Seite mit einem Oberflächenersatz zwar nur minimal, immerhin aber signifikant höher waren [16]. Zusammenfassend ist der Oberflächenersatz ein Nischenprodukt für äußerst aktive Männer jüngeren Alters. Dabei ist eine Reihe an Kontraindikationen zu beachten. Insbesondere hinsichtlich der Metallgleitpaarung sind eine intensive Aufklärung und eine äußerst vorsichtige Indikationsabwägung unumgänglich.