Übersichtsarbeiten - OUP 03/2024
Konservative medikamentöse Knorpeltherapie und supportive Therapie nach KnorpelchirurgieAktueller Stand
Wolfram Steens, Philip P. Rößler
Zusammenfassung:
Der derzeitige Ansatz zur klinischen Behandlung der Arthrose ist die Linderung von Symptomen, die aus der Erkrankung im Spätstadium entstehen. Erkrankungen im Frühstadium oder präarthritische Erkrankungen sind klinisch stumm, da strukturelle Veränderungen typischerweise den klinischen Anzeichen und Symptomen von Schmerzen, Deformitäten, Funktionseinschränkungen und Behinderungen vorausgehen. Biologische Therapieansätze hierzu umfassen plättchenreiches Plasma (PRP), Stromazellen oder Knochenmarksaspirate (BMAC) und Hyaluronsäure (HA) als konservative Therapie oder Unterstützung einer chirurgischen Knorpelbehandlung zur Optimierung des Knorpelregenerates. Der folgende Artikel gibt hierzu einen komprimierten Überblick.
Schlüsselwörter:
Gelenkknorpel, Knorpeldefekt, Hyaluronsäure, plättchenreiches Plasma, fettgewebsbasierte
Zelltherapie
Zitierweise:
Steens W, Rößler PP: Konservative medikamentöse Knorpeltherapie und supportive Therapie nach Knorpelchirurgie. Aktueller Stand
OUP 2024; 13: 115–121
DOI 10.53180/oup.2024.0115-0121
Summary: The current approach to the clinical management of osteoarthritis is to alleviate symptoms arising from late-stage disease. Early stage or pre-arthritic disease is clinically silent as structural changes typically precede the clinical signs and symptoms of pain, deformity, functional limitations and disability. Biological and surgical therapeutic approaches to this include platelet-rich plasma (PRP), stromal cells or bone marrow aspirates (BMAC) and hyaluronic acid (HA) as a conservative treatment or support of a surgical cartilage procedure to optimize the cartilage regenerate tissue. The following article provides a condensed overview.
Keywords: Articular cartilage, cartilage defects, hyaluronic acid, platelet-rich plasma, adipose tissue based cell therapy
Citation: Steens W, Rößler P P: Conservative medical cartilage therapy and supportive therapy after cartilage surgery. Current status
OUP 2024; 13: 115–121. DOI 10.53180/oup.2024.0115-0121
W. Steens: ONZ – Orthopädisch-Neurochirurgisches Zentrum Recklinghausen & Orthopädische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock
Philip P. Rößler: Gelenkcenter Mittelrhein, Koblenz & Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universität Bonn
Biologische Infiltrationstherapien im Rahmen perioperativer und konservativer Behandlungen
Möglichkeiten der Anwendung von Stromazellen
Mit einer Knochenmarkaspiration besteht die Möglichkeit, mesenchymale Stromazellen (MSC) zu gewinnen. Studien deuten darauf hin, dass nur 0,001 % bis 0,01 % des Knochenmarkaspirates Stromazellen sind [9]. Darüber hinaus bietet das Knochenmarkaspirat auch eine reichhaltige Quelle an Wachstumsfaktoren, was synergistisch zur Chondrogenese beitragen kann [10].
Im Unterschied dazu erfordert eine Stromazellbehandlung ebenfalls eine Knochenmarkaspiration, jedoch mit zusätzlicher Isolierung und Kultivierung von Stromazellen im Labor für 4–6 Wochen, was die Möglichkeit einer hohen Konzentration von circa 80 Millionen Zellen pro Milliliter (bis zu 200 Millionen) bietet. Neuere Studien deuten darauf hin, dass eine höhere Konzentration von Stromazellen zu verbesserten klinischen Ergebnissen führt [11]. Die optimale Dosis, Häufigkeit, Zeitpunkt und Anzahl der Injektionen konnten bislang jedoch anhand von Tierversuchen noch nicht definiert werden [12]. Stromazellen werden in der Regel aus dem Knochenmark (Bone Marrow-Derived Mesenchymal Stromal Cells, BM-MSCs) oder dem Fettgewebe gewonnen (Adipose Tissue-Derived Mesenchymal Stromal Cells, AD-MSCs).
Aktuell sind allerdings 2 entscheidende Fragen unbeantwortet. Zum einen ist weder die Frage nach dem optimalen Spendergewebe in Bezug auf die Anzahl der zu verwendenden Zellen noch der optimale Entnahmeort eindeutig definiert. Randomisierte kontrollierte Studien sind hierzu dringend notwendig. Die Durchführung in Deutschland, unabhängig von der Entnahmelokalisation, ist durch die Zuordnung der autologen Stromazelltransplantation in den Bereich der homologen Anwendung bisher kaum möglich. Hierzu ist eine Herstellungserlaubnis, bzw. Anwendungserlaubnis des zuständigen Regierungspräsidiums notwendig.
Thrombozytenreiches Plasma/Platelet Rich Plasma (PRP)
Die Erforschung und Anwendung dieser Behandlung in der Orthopädie bzw. der orthopädischen Chirurgie hat jedoch erst in jüngster Zeit zugenommen. Eine hohe Konzentration an Blutplättchen wird aus peripherem Blut durch Zentrifugation gewonnen. Die Blutplättchen werden später nach endogener (z.B. Calciumchlorid, Chitosan) oder exogener Aktivierung einer Degranulation unterzogen, um verschiedene Wachstumsfaktoren und andere aktive Moleküle (z.B. Chemokine, extrazelluläre Matrix, Proteine, Nukleotide) freizusetzen und den Heilungsprozess sowie eine Verringerung der Entzündung zu unterstützen [13]. Osteoarthrose-induzierte Tierstudien, die mit in Gelatinehydrogel eingebettetem PRP behandelt wurden, deuteten auf eine Verringerung der Arthroseprogression hin [14, 15]. Sanchez et al. werteten die Wirkung der intraartikulären PRP-Infiltration aus und berichteten von einer klinisch signifikanten Schmerzreduktion und verbesserten Funktion in einer mittelfristigen Folgestudie bei 40 Patientinnen und Patienten mit schwerer Hüftarthrose [16].
Blutplättchen sind die kleinsten Blutzellen, sie sind anukleär und beinhalten das umfangreichste Reservoir an Faktoren, die für die Gewebereparatur verantwortlich sind. Studien haben in den Mikrovesikeln und Exosomen der Plättchen inaktive Vorstufen multipler Wachstumsfaktoren (Growth factor, GF) nachgewiesen [17]. Die relevantesten sind der aus Blutplättchen stammende Wachstumsfaktor (PDGF), der transformierende Wachstumsfaktor Beta (TGF-beta), der Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF), der Insulin-like Growth Factor 1 (IGF-1), der Connective Tissue Growth Factor (CTGF), der Epidermal Growth Factor (EGF) und der Hepatocyte Growth Factor (HFG) [18, 19]. In den Mikrovesikeln konnten auch verschiedene microRNAs [20] nachgewiesen werden, die an der mesenchymalen Geweberegeneration [21, 22] und der Differenzierung von MSC zu Chondrozyten beteiligt sind [23].
Daher könnten bei der Behandlung von Gelenkknorpelläsionen die entzündungshemmenden Eigenschaften von Thrombozytenkonzentraten von zentraler Bedeutung bei der Gewebeheilung sein. Es ist bekannt, dass eine Entzündungsreaktion in geeigneter Größenordnung und der richtige Zeitpunkt für die Gewebereparatur von entscheidender Bedeutung sind, da der Großteil der mesenchymalen Reparatur im Rahmen einer „kontrollierten“ Entzündung entsteht. In dieser Hinsicht würde eine Verringerung der Entzündung im Synovialgewebe zu einer Reduktion von Matrix-Metalloproteinasen führen, die knorpelmatrixabbauende Eigenschaften haben [19]. Die entzündungshemmende Wirkung von PRP ist auf eine Verringerung der Transaktivierung des Nucleus-Faktor Kappa B (NF-?B) zurückzuführen, der der kritische Regulator des Entzündungsprozesses ist. Aktiviertes PRP hat eine erhöhte Konzentration an Hepatocyte Growth Factor (HGF) und Tumornekrose Faktor-? (TNF-?). Diese Wachstumsfaktoren stören die Transaktivierung von NF-?B und sind die Schlüsselbestandteile der entzündungshemmenden Wirkung von PRP.