Übersichtsarbeiten - OUP 03/2024
Konservative medikamentöse Knorpeltherapie und supportive Therapie nach KnorpelchirurgieAktueller Stand
Wolfram Steens, Philip P. Rößler
Zusammenfassung:
Der derzeitige Ansatz zur klinischen Behandlung der Arthrose ist die Linderung von Symptomen, die aus der Erkrankung im Spätstadium entstehen. Erkrankungen im Frühstadium oder präarthritische Erkrankungen sind klinisch stumm, da strukturelle Veränderungen typischerweise den klinischen Anzeichen und Symptomen von Schmerzen, Deformitäten, Funktionseinschränkungen und Behinderungen vorausgehen. Biologische Therapieansätze hierzu umfassen plättchenreiches Plasma (PRP), Stromazellen oder Knochenmarksaspirate (BMAC) und Hyaluronsäure (HA) als konservative Therapie oder Unterstützung einer chirurgischen Knorpelbehandlung zur Optimierung des Knorpelregenerates. Der folgende Artikel gibt hierzu einen komprimierten Überblick.
Schlüsselwörter:
Gelenkknorpel, Knorpeldefekt, Hyaluronsäure, plättchenreiches Plasma, fettgewebsbasierte
Zelltherapie
Zitierweise:
Steens W, Rößler PP: Konservative medikamentöse Knorpeltherapie und supportive Therapie nach Knorpelchirurgie. Aktueller Stand
OUP 2024; 13: 115–121
DOI 10.53180/oup.2024.0115-0121
Summary: The current approach to the clinical management of osteoarthritis is to alleviate symptoms arising from late-stage disease. Early stage or pre-arthritic disease is clinically silent as structural changes typically precede the clinical signs and symptoms of pain, deformity, functional limitations and disability. Biological and surgical therapeutic approaches to this include platelet-rich plasma (PRP), stromal cells or bone marrow aspirates (BMAC) and hyaluronic acid (HA) as a conservative treatment or support of a surgical cartilage procedure to optimize the cartilage regenerate tissue. The following article provides a condensed overview.
Keywords: Articular cartilage, cartilage defects, hyaluronic acid, platelet-rich plasma, adipose tissue based cell therapy
Citation: Steens W, Rößler P P: Conservative medical cartilage therapy and supportive therapy after cartilage surgery. Current status
OUP 2024; 13: 115–121. DOI 10.53180/oup.2024.0115-0121
W. Steens: ONZ – Orthopädisch-Neurochirurgisches Zentrum Recklinghausen & Orthopädische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock
Philip P. Rößler: Gelenkcenter Mittelrhein, Koblenz & Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universität Bonn
Biologische Infiltrationstherapien im Rahmen perioperativer und konservativer Behandlungen
Möglichkeiten der Anwendung von Stromazellen
Mit einer Knochenmarkaspiration besteht die Möglichkeit, mesenchymale Stromazellen (MSC) zu gewinnen. Studien deuten darauf hin, dass nur 0,001 % bis 0,01 % des Knochenmarkaspirates Stromazellen sind [9]. Darüber hinaus bietet das Knochenmarkaspirat auch eine reichhaltige Quelle an Wachstumsfaktoren, was synergistisch zur Chondrogenese beitragen kann [10].
Im Unterschied dazu erfordert eine Stromazellbehandlung ebenfalls eine Knochenmarkaspiration, jedoch mit zusätzlicher Isolierung und Kultivierung von Stromazellen im Labor für 4–6 Wochen, was die Möglichkeit einer hohen Konzentration von circa 80 Millionen Zellen pro Milliliter (bis zu 200 Millionen) bietet. Neuere Studien deuten darauf hin, dass eine höhere Konzentration von Stromazellen zu verbesserten klinischen Ergebnissen führt [11]. Die optimale Dosis, Häufigkeit, Zeitpunkt und Anzahl der Injektionen konnten bislang jedoch anhand von Tierversuchen noch nicht definiert werden [12]. Stromazellen werden in der Regel aus dem Knochenmark (Bone Marrow-Derived Mesenchymal Stromal Cells, BM-MSCs) oder dem Fettgewebe gewonnen (Adipose Tissue-Derived Mesenchymal Stromal Cells, AD-MSCs).
Aktuell sind allerdings 2 entscheidende Fragen unbeantwortet. Zum einen ist weder die Frage nach dem optimalen Spendergewebe in Bezug auf die Anzahl der zu verwendenden Zellen noch der optimale Entnahmeort eindeutig definiert. Randomisierte kontrollierte Studien sind hierzu dringend notwendig. Die Durchführung in Deutschland, unabhängig von der Entnahmelokalisation, ist durch die Zuordnung der autologen Stromazelltransplantation in den Bereich der homologen Anwendung bisher kaum möglich. Hierzu ist eine Herstellungserlaubnis, bzw. Anwendungserlaubnis des zuständigen Regierungspräsidiums notwendig.
Thrombozytenreiches Plasma/Platelet Rich Plasma (PRP)
Die Erforschung und Anwendung dieser Behandlung in der Orthopädie bzw. der orthopädischen Chirurgie hat jedoch erst in jüngster Zeit zugenommen. Eine hohe Konzentration an Blutplättchen wird aus peripherem Blut durch Zentrifugation gewonnen. Die Blutplättchen werden später nach endogener (z.B. Calciumchlorid, Chitosan) oder exogener Aktivierung einer Degranulation unterzogen, um verschiedene Wachstumsfaktoren und andere aktive Moleküle (z.B. Chemokine, extrazelluläre Matrix, Proteine, Nukleotide) freizusetzen und den Heilungsprozess sowie eine Verringerung der Entzündung zu unterstützen [13]. Osteoarthrose-induzierte Tierstudien, die mit in Gelatinehydrogel eingebettetem PRP behandelt wurden, deuteten auf eine Verringerung der Arthroseprogression hin [14, 15]. Sanchez et al. werteten die Wirkung der intraartikulären PRP-Infiltration aus und berichteten von einer klinisch signifikanten Schmerzreduktion und verbesserten Funktion in einer mittelfristigen Folgestudie bei 40 Patientinnen und Patienten mit schwerer Hüftarthrose [16].
Blutplättchen sind die kleinsten Blutzellen, sie sind anukleär und beinhalten das umfangreichste Reservoir an Faktoren, die für die Gewebereparatur verantwortlich sind. Studien haben in den Mikrovesikeln und Exosomen der Plättchen inaktive Vorstufen multipler Wachstumsfaktoren (Growth factor, GF) nachgewiesen [17]. Die relevantesten sind der aus Blutplättchen stammende Wachstumsfaktor (PDGF), der transformierende Wachstumsfaktor Beta (TGF-beta), der Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF), der Insulin-like Growth Factor 1 (IGF-1), der Connective Tissue Growth Factor (CTGF), der Epidermal Growth Factor (EGF) und der Hepatocyte Growth Factor (HFG) [18, 19]. In den Mikrovesikeln konnten auch verschiedene microRNAs [20] nachgewiesen werden, die an der mesenchymalen Geweberegeneration [21, 22] und der Differenzierung von MSC zu Chondrozyten beteiligt sind [23].
Daher könnten bei der Behandlung von Gelenkknorpelläsionen die entzündungshemmenden Eigenschaften von Thrombozytenkonzentraten von zentraler Bedeutung bei der Gewebeheilung sein. Es ist bekannt, dass eine Entzündungsreaktion in geeigneter Größenordnung und der richtige Zeitpunkt für die Gewebereparatur von entscheidender Bedeutung sind, da der Großteil der mesenchymalen Reparatur im Rahmen einer „kontrollierten“ Entzündung entsteht. In dieser Hinsicht würde eine Verringerung der Entzündung im Synovialgewebe zu einer Reduktion von Matrix-Metalloproteinasen führen, die knorpelmatrixabbauende Eigenschaften haben [19]. Die entzündungshemmende Wirkung von PRP ist auf eine Verringerung der Transaktivierung des Nucleus-Faktor Kappa B (NF-?B) zurückzuführen, der der kritische Regulator des Entzündungsprozesses ist. Aktiviertes PRP hat eine erhöhte Konzentration an Hepatocyte Growth Factor (HGF) und Tumornekrose Faktor-? (TNF-?). Diese Wachstumsfaktoren stören die Transaktivierung von NF-?B und sind die Schlüsselbestandteile der entzündungshemmenden Wirkung von PRP.
Thrombozytenkonzentrate (PRP) können auf 4 verschiedene Arten für klinische Anwendung hergestellt werden [24].
Zum einen als reines (pures) PRP mit niedrigem Leukozytengehalt (P-PRP). Es ist ein Präparat nahezu ohne Leukozyten und mit einem Fibrinnetzwerk niedriger Dichte nach der Aktivierung. Es kann als flüssige Lösung oder in Form eines aktivierten Gels intraartikulär injiziert werden. Es wird durch Plasmapherese hergestellt und ist daher für eine breite klinische Anwendung unpraktisch. Anitua et al. haben ein Verfahren entwickelt, das eine Zentrifugation des entnommenen Blutes bei 580 g für 8 Minuten und eine Trennung der Plasmafraktionen durch Pipettieren beinhaltet (EndoRet). Der Nachteil hierbei sind die manuellen Pipettierschritte, die die Reproduzierbarkeit des Endprodukts beeinträchtigen können (Abb. 1) [25].
Zum anderen als leukozytenreiches PRP (L-PRP), ebenfalls mit einem Fibrinnetzwerk niedriger Dichte nach der Aktivierung, einem größeren Gehalt an Blutplättchen als dem reinen PRP und einem höheren Gehalt an Leukozyten (Abb. 1). Ähnlich wie P-PRP kann es als aktiviertes Gel oder in flüssiger Form intraartikulär injiziert werden. Es kann, vorteilhaft für die klinische Anwendung, durch automatisierte Doppelzentrifugationssysteme hergestellt werden. Mehrere kommerzielle Alternativen sind hierzu verfügbar (Harvest Smart-PreP; Harvest Technologies, Plymouth, MA, USA), (Biomet GPS III; Biomet Inc., Warsaw, IN, USA), (Plateltex; Prag, Czech Republik), (Regen PRP; RegenLab, Le Mont-sur-Lausanne, Schweiz).
Sowohl bei P-PRP als auch bei L-PRP erfolgt die Aktivierung von Blutplättchen und Fibrinogen durch verschiedene aktivierende Moleküle (z.B. Thrombin, CaCl2 ). Sobald sie aktiviert sind, geben Blutplättchen fast 70 % ihrer Wachstumsfaktoren innerhalb der ersten 10 Minuten ab. Innerhalb 1 Stunde sind die meisten der gespeicherten Wachstumsfaktoren bereits sezerniert [23]. Die Thrombozyten-Wachstumsfaktoren werden zunächst absorbiert und dann durch das Fibrinnetz, das sich ähnlich der extrazellulären Matrix verhält, einer gewissen Kinetik folgend freigesetzt.
Die Freisetzungskinetik hängt vom Fibringehalt ab, der in Abhängigkeit von den individuellen Plättcheneigenschaften sowie der Fibrinkonzentration und -strukturdichte variiert, die von prokoagulierenden Enzymen in der Gelierungsphase induziert wird. Dieses Grundkonzept erklärt die Wirkdauer von PRP nach der Applikation.
Weiterhin kann es als reines plättchenreiches Fibrin (P-PRF oder PRFM, Platelet Rich Fibrin Matrix) hergestellt werden. Dies wird zum einen durch eine langsame Zentrifugation (ca. 1000 g) in einem Trenngel erreicht, das die Separation der inaktivierten Blutplättchen und des fibrinogenhaltigen Plasmas von den roten und weißen Blutkörperchen ermöglicht. Anschließend erfolgt eine zweite Zentrifugation bei hoher Geschwindigkeit (ca. 3500 g) und die Initiierung der Gerinnungskaskade mit Calciumchlorid (CaCl2) zur Ausfällung des Fibringerüsts bei der Bildung des formbaren Gels, das Fibrin als Stabilisator des „Thrombozytengerinnsels“ enthält. Das Endprodukt ist ein plättchenreiches Fibringerüst, das steifer als das des herkömmlichen PRP ist. Es hat eine vierfache höhere Konzentration an Blutplättchen [26] und einen niedrigen Gehalt an Leukozyten (Fibrinet PRFM, Platelet-Rich FibrinMatrix, Cascade Medical, Wayne, NJ, USA). Dieses Gel kann vernäht oder in die Defektstelle gepresst werden. Eine Injektion ist aufgrund der hochviskösen Gelform nicht möglich. Aufgrund des hohen Gehalts an Fibrin kann diese PRP-Form Wachstumsfaktoren über einen längeren Zeitraum von bis zu 7 Tagen mit einer hohen Variabilität der Kinetik freisetzen. Eine vermehrte Freisetzung der Wachstumsfaktoren wurde innerhalb des ersten Tages beobachtet mit einer allmählichen Abnahme, danach innerhalb von 2 Tagen für VEGF und PDGF und innerhalb von 7 Tagen für EGF und FGF [27].
Eine weitere Möglichkeit stellt die Herstellung eines Leukozyten- und plättchenreichen Fibrins (L-PRF), dar, ähnlich zu letzterem, aber mit höherem Leukozytengehalt. Als PPRF, L-PRF ist es ein Gel mit hoher Dichte des Fibrinnetzes und kann daher nicht injiziert, sondern nur lokal an der Läsionsstelle aufgebracht werden. Es wird mittels einfacher Zentrifugation ohne Verwendung eines Antikoagulans hergestellt. Ein kommerzielles Produkt von L-PRF ist das Intra-Spin L-PRF (Intra-Lock Inc., Boca Raton, FL, USA) [28].
Die klinische Anwendung von PRP zur Behandlung von Knorpelläsionen und Arthrose wirft derzeit noch mehr Fragen als Antworten auf und der Einfluss einer Vielzahl von Variablen (individuelle Plättcheneigenschaften und Fibrinkonzentration, Herstellungsmethoden, individuelle Gewebsantwort, Verwendung homologer Produkte zur universellen klinischen Anwendung etc.), die hierbei in Betracht gezogen werden müssen, erfordern weitere Studien, um die beste Form der PRP-Therapie zu erforschen. Die adjuvante perioperative PRP-Anwendung im Rahmen knorpelchirurgischer Interventionen ergibt sich einerseits aufgrund ihrer wachstumsfördernden Eigenschaften und der Fähigkeit, MSCs bei der Differenzierung zu Knorpel und Knochen zu unterstützen und andererseits aufgrund ihrer entzündungshemmenden Wirkung.
Lee et al. untersuchten das Potenzial von L-PRP in Ergänzung zur Mikrofrakturierung bei Knorpeldefekten bis zu 4 cm2 bei Kniearthrosepatientinnen und -patienten über 40 Jahren [29]. L-PRP wurde in situ um die Mikrofrakturlöcher injiziert, wobei dem Prinzip der in situ Aktivierung gefolgt wurde. Die 2-Jahres-Ergebnisse überzeugten in Bezug auf die klinischen Scores (IKDC und Lysholm) sowie im Rahmen einer Second-look-Arthroskopie nach 4–6 Monaten. Diese Ergebnisse legen nahe, dass PRP den Heilungsprozess nach Mikrofrakturierung fördert.
Verschiedene Studien haben eine PRP-Augmentation in Verbindung mit Kollagen- oder synthetischen Implantaten untersucht. Dhollander et al. [30] behandelte retropatelläre Knorpeldefekte mittels Mikrofrakturierung (slow-drilling) und deckte die mit L-PRP-Gel gefüllte Defektstelle mit einer Kollagen-I/III-Membran ab (AMIC plus), eine Modifikation der ursprünglichen AMIC-Technik. Nach 24 Monaten beobachteten sie eine Verbesserung im KOOS-Score, in der Tegner-Aktivitätsskala, im patellofemoralen Kujala-Score und in der VAS-Skala. Im kernspintomografischen MOCART-Score zeigte sich eine unvollständige Reparatur mit subchondralen Knochenveränderungen und intraläsionalen Osteophyten.
In den Studien von Siclari et al. wurden Polyglykol- und Hyaluronsäureträgermaterialien mit P-PRP angereichert und zur Abdeckung von Femur- und Tibiadefekten, die zuvor mit Mikrofrakturierung behandelt wurden, eingesetzt. Eine Verbesserung wurde im KOOS-Score nach 12 und 24 Monaten nachgewiesen. Biopsien aus Second-Look-Arthroskopien nach 18–24 Monaten zeigten Anteile hyalinen Gelenkknorpels. Trotz einer fehlenden Kontrollgruppe belegen diese Studien die Wirksamkeit von PRP in Verbindung mit Trägermaterialien im Rahmen einzeitiger Behandlungen chondraler Läsionen [31, 32].
Die Verbindung von PRP mit MSC ist eine alternative Methode knorpelregenerativer Verfahren, bei der das PRP direkt die reparativen Eigenschaften der MSC in der Defektstelle triggern kann.
Der Grundgedanke ist die Kombination der positiven Wirkung von Thrombozyten-Wachstumsfaktoren und der synergistischen Wirkung von BMSCs. Beweise hierzu wurden mehrfach durch in-vitro- [33] und in in-vivo-Studien [34, 35], sowie in humanen in-vivo-Studien wie in der Arbeit von Saw et al. erbracht [36]. Zudem kommt dieses Verfahren ohne Zellmanipulation und mit autologen Ressourcen aus, was vielversprechende reproduzierbare und wirtschaftliche Ergebnisse verspricht, wie durch die Studie von Giannini et al. bei talaren osteochondralen Läsionen [37] gezeigt. In dieser Studie wurden BMSCs und PPRF entweder mit porcinem Kollagenpulver vermischt oder auf eine Membran aus verestertem Hyaluronsäurederivat aufgebracht, in der Defektstelle platziert und mit thrombozytenreichem Fibrin-Gel stabilisiert. Es konnte eine Verbesserung des AOFAS-Scores und ein gleichmäßiges Reparaturgewebe im MRT beobachtet werden. Second-Look-Arthroskopien nach 24 Monaten zeigten einen ähnlichen makroskopischen Befund des Gelenkknorpels. Bessere Ergebnisse wurden in kleineren Läsionen (weniger als 2 cm2) und bei Patientinnen und Patienten ohne vorherige Operation gefunden. Es wurde ein leichter Rückgang des AOFAS-Scores zwischen 24 und 48 Monaten postoperativ beobachtet [38]. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass eine Kombination von PRP und Knochenmarkkonzentrat eine interessante Alternative zu den verschiedenen Knorpelreparaturverfahren darstellen kann.
Eine Studienübersicht zum Einsatz PRP-augmentierter Matrices von Sermer et al. zeigt anhand von 14 Tier- und 6 humanen Studien mit z.T. sehr unterschiedlichen Membranen und Zellquellen an unterschiedlichen Gelenken, basierend auf makroskopischen, histologischen und biochemischen sowie klinischen Outcome-Untersuchungen, insgesamt eine den Knorpelreparaturprozess begünstigende Situation, jedoch mit eingeschränkter Vergleichbarkeit wegen der großen Unterschiede bei PRP-Herstellung und Applikation [39].
PRP in der konservativen
Therapie
In Übereinstimmung mit der aktuellen Literatur kann PRP bei frühen und mittelschweren Formen der Arthrose indiziert sein [40–44]. Neuere Erkenntnisse zeigen auch, dass die intraartikuläre Gabe von PRP, unabhängig vom Grad der Knorpelschädigung, die Symptome verbessern könnte, allerdings fehlen oft gute Subgruppenanalysen nach der Kellgren-Lawrence-Klassifikation [40, 45]. In diesem Zusammenhang wird derzeit aufgrund der unzureichenden Datenlage von der Verwendung von PRP für Kellgren-Lawrence-Läsionen ab Grad 4 abgeraten. PRP hat das Potenzial, die Kniefunktion zu verbessern, möglicherweise durch Verringerung der Entzündungsreaktion und Verlangsamung des degenerativen Umbauprozesses des Gelenkknorpels. Bessere Ergebnisse mit PRP werden im Allgemeinen bei männlichen jungen Patienten mit einem geringeren Knorpelschaden und einem niedrigen Body-Mass-Index (BMI) erzielt.
In einer Übersichtsarbeit bewerteten Laver et al. Studien, die PRP in der Behandlung degenerativer Knorpelschäden einsetzten [46]. Insgesamt wurden 29 Studien eingeschlossen (9 prospektive RCTs, 4 prospektive vergleichende Studien, 14 Fallserien und 2 retrospektive Vergleichsstudien). Alle RCTs berichteten über verbesserte Symptome der PRP-Studienarme beim finalen 12-Monats-Follow-up, 7 davon über signifikant bessere Ergebnisse. Im Allgemeinen scheinen alle Studien positive Ergebnisse und einen klinischen Nutzen von PRP zu zeigen, unabhängig vom Studiendesign. Interessanterweise ist ein Trend zu besseren Ergebnissen bei Patientinnen und Patienten jüngeren Alters oder frühen Arthrosestadien zu verzeichnen.
Nur 1 Studie untersuchte Patientinnen und Patienten über 12 Monate hinaus (bis 2 Jahre). Während in dieser Studie eine symptomatische Verbesserung nach 12 Monaten zu beobachten war, gab es eine signifikante Abnahme der funktionellen Werte nach 2 Jahren, wenn auch immer noch höher als zu Beginn der Studie [47, 48].
Zwanzig Studien verwendeten reines PRP (P-PRP), 7 Studien verwendeten L-PRP und 2 Studien dokumentierten nicht den PRP-Leukozytengehalt. Von den 9 RCTs berichteten 8 verbesserte Ergebnisse unter Verwendung von P-PRP und eine unter Verwendung von L-PRP.
Eine weitere Metaanalyse von Chang et al. verstärkt die Ergebnisse von Laver et al. unter dem Aspekt, dass frühe Arthrosestadien mehr von PRP-Injektionen profitieren als von Hyaluronsäure-Injektionen mit funktionell überlegenen Ergebnissen und längerer Wirkungsdauer (bis zu 1 Jahr) [49].
Zusammenfassend konnten Grundlagenforschungen unter dem Aspekt der Mikrofrakturierung bisher zeigen, dass durch den Einsatz von PRP/PRF eine Modulation der subchondralen Entzündungsreaktion mit Migration und chondrogener Differenzierung von mesenchymalen Progenitorzellen beobachtet werden konnte [50]. Wong et al. konnten hierzu mit Hinblick auf die minced-cartilage-Defektversorgung sowohl eine signifikante Zellmigration und Auswanderung von Zellen aus Knorpelfragmenten (minced-cartilage) als auch eine Steigerung der Zellviabilität und Glucosaminexpression der kultivierten Zellen aus Knorpelfragmenten beobachten [51]. Auch von Wang et al. konnten durch den Einsatz von PRP eine verbesserte Stimulation der mitotischen Aktivität sowie der Knorpelmatrixbildung von chondrogenen Progenitorzellen gegenüber mesenchymalen Stromazellen nachgewiesen werden [52]. Ergänzend hierzu konnte Jeyakumar in seiner Studie eine verstärkte Glucosamin- als auch Genexpression anaboler Marker unter dem Einfluss von PRP nachweisen [53].
Weiterhin haben PRP-augmentierte Matrices im Zusammenhang mit Knochenmarkstimulation bisher gute Daten aus Tierstudien und einigen humanen klinischen Studien (Level II und IV) zeigen können. Aktuell besteht nach Studienlage aber kein eindeutiger wissenschaftlicher, evidenzbasierter Nachweis der Ergebnisverbesserung durch Verwendung von PRP-augmentierten Matrices gegenüber Matrices ohne PRP.
Ein positiver Effekt von PRP/PRF auf die Knorpelregeneration aus präklinischen Studien ist wahrscheinlich, im klinischen Outcome aber noch nicht bewiesen. Hierzu müssen randomisierte (z.B. gegen M-ACT) standardisierte Studien durchgeführt werden wie es unter anderem auch die Stellungnahme der Arbeitsgruppe Klinische Geweberegeneration der DGOU fordert [54].
Hyaluronsäuren
Hyaluronsäure (HA) ist Bestandteil der Synovialflüssigkeit und der extrazellulären Matrix. Es ist ein natürlich vorkommendes Glykosaminoglykan mit hohem Molekulargewicht aus Ketten sich wiederholender Disaccharideinheiten. Seine Funktion besteht in der Stoßabsorption, der Lubrikation und in einem Beitrag zur Hemmung von Nozizeptoren und enzymatischem Knorpelabbau. Exogene HA stimulieren die Synthese von endogenen HA und können auch als Radikalenfänger wirken [26]. Molekulare Fragmentierung, erhöhte Synoviozytenproduktion und Synovialflüssigkeitsverdünnung im Rahmen eines Gelenkergusses stellen Ursachen für eine Konzentrations- wie auch Molekulargewichtsabnahme dar. HA, einschließlich vernetzter HA-Produkte, werden nach dem Molekulargewicht unterschieden: (1) niedrig (500–730 kDa), (2) intermediär (800–2000 kDa) und (3) hoch (2000–6000 kDa), (Tab. 1).
Ein erhöhtes Molekulargewicht verringert die Geschwindigkeit des enzymatischen Abbaus und verbessert die Verweildauer im Gelenk. Darüber hinaus hat ein höheres Molekulargewicht (HMW) stärkere entzündungshemmende und Proteoglykan-Synthese fördernde Effekte sowie eine bessere Aufrechterhaltung der Gelenkschmierung und der Viskoelastizität. Eine weitere Studie zeigte eine effektivere Matrix-Metalloproteinase-(MMP-)
Hemmung bei Produkten mit niedrigerem Molekulargewicht (LMW) [55].
Vollschichtige Knorpelläsionen in den letzten Stadien der Arthroseprogression oder nach mechanischer Verletzung können mit autologer Chondrozytentransplantation auf Basis dreidimensionaler, biologisch abbaubarer und biokompatibler, HA-basierter Gerüstpolymere behandelt werden. Mehrere Studien haben gezeigt, dass das regenerierte Gewebe nach der Implantation der Chondrozyten einen Reifungsprozess durchläuft, der zu einem hyalinen Gewebe und nicht zu Faserknorpel führt [57].
Nicht vollschichtige Knorpelläsionen konnten im Tiermodell einer Studie von Kaplan et al. zufolge durch den zeitnahen Einsatz von IAHA-Infiltrationen gegenüber einer NaCL-Kontrollgruppe in der Regeneration verbessert werden. Sowohl im Hinblick auf die Zellviabilität als auch im Hinblick auf den Proteoglykangehalt und die Zellmorphologie waren die Unterschiede hier signifikant [56].
Um die Ergebnisse der IAHA-Injektionen kontinuierlich zu verbessern, sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Faktoren, die zur Knorpelregeneration beitragen, besser identifizieren zu können. Arthroseverläufe variieren von Patient zu Patient und können die Wirksamkeit der Viskosupplementierung beeinflussen.
Verschiedene randomisierte kontrollierte Studien haben die Auswirkung von HA auf Schmerzen und die Gelenkfunktion untersucht. Die Wirksamkeit von HA hängt von der Zeitdauer ab, mit einer maximalen Schmerzreduktion zwischen 8–24 Wochen nach Injektion. Studien zeigten, dass die Wirksamkeit von Hyaluronsäuren im Rahmen eines zweiten Behandlungszyklus bei Kniearthrose größer war bei Patientinnen/Patienten mit weniger schweren radiologischen Veränderungen [57]. Nicht tierisch stabilisierte Hyaluronsäure (NASHA) bewirkte eine deutliche Reduzierung der Schmerzen sowie eine Verbesserung der körperlichen Funktion und Gelenksteifigkeit gegenüber dem Ausgangswert 26 Wochen nach einer Einmalinjektion [58].
Die IAHA-Injektion wird bei therapierefraktären Patientinnen und Patienten nach kontinuierlicher oder intermittierender Behandlung mit Paracetamol, NSARs und symptomatisch langsam wirkenden Medikamenten empfohlen [59]. Sie wird als zuverlässiger und sicherer Therapieansatz für Kniearthrose anerkannt. Unerwünschte Nebenwirkungen wie Schmerzen oder Schwellungen traten ebenso häufig auf wie bei Patientinnen und Patienten, die mit Placebo behandelt wurden. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind selten [60]. In einer Metaanalyse von Bellamy und Kollegen zu randomisierten Studien wurden IAHA-Injektionen mit Kortikosteroidinjektionen (CSI) und Placebogaben bei Kniearthrose verglichen. Ihre Analyse zeigte nach 4 Wochen statistisch signifikante Unterschiede zwischen IAHA-Injektionen verglichen mit Placebogaben und eine Überlegenheit der IAHA-Injektionen gegenüber den CSI zwischen der 5. und 13. Woche. Die HA-Gruppe hatte eine Verringerung des VAS-Scores und des WOMAC-Scores zu unterschiedlichen Zeitpunkten während der Studiendauer im Vergleich zu den anderen Wirkstoffen. Die IAHA-Injektionen zeigten eine vergleichbare Wirksamkeit wie NSAIDs, aber mit weniger Nebenwirkungen [61].
In einer weiteren Multicenterstudie verglichen Adams et al. IAHA-Injektionen am Kniegelenk mit der Kombination IAHA-Injektionen/NSAID-Gabe und mit isolierter NSAID-Gabe und konnten in allen 3 Studiengruppen nach 12 Wochen einen signifikanten Unterschied zu den Ausgangswerten, aber keinen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen zeigen. Nach 26 Wochen zeigten beide HA-Gruppen einen signifikanten Unterschied in Schmerz und Gelenkfunktion gegenüber der NSAID-Gruppe. Bemerkenswerterweise hatte die IAHA-Injektionen/NSAID-Gabe-Gruppe eine signifikante Verbesserung des Ruhe- und Nachtschmerzes im Vergleich zur IAHA-Gruppe nach 26 Wochen [62].
Eine weitere Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien von Bannuru zu symptomatischer, röntgenologischer Kniearthrose analysierte die Auswirkungen mehrerer oraler Medikationen (Acetaminophen, Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, Celecoxib), intraartikulärer Kortikosteroide (CIS), IAHA-Injektionen und oraler sowie intraartikulärer Placebogaben. In dieser Studie war die wirksamste Schmerzbehandlung durch IAHA-Injektionen gegeben. Im Hinblick auf die Funktion war intraartikuläres HA ebenfalls statistisch besser als intraartikuläres Kortikosteroid und intraartikuläre Placebo-Injektionen [63]. Shang et al. publizierten 35 Patienten mit osteochondralen Talusläsionen, die sich einer arthroskopischen Mikrofraktur unterzogen hatten. 18 Patienten wurden postoperativ mit einer IAHA-Injektion behandelt. Mittels quantitativem MRT wurde nach 9 Monaten die Knorpelregeneration beurteilt. Der Knorpeldickenindex sowie der AOFAS-Score waren in der IAHA-Gruppe signifikant besser [64].
Zusammenfassend konnte die Wirksamkeit von Hyaluronsäure bei akut-traumatischen Knorpelläsionen im Tiermodell bewiesen werden. Die klinische Relevanz besteht in einer frühzeitigen Behandlung mit Hyaluronsäure bei akuten Läsionen des Gelenkknorpels, um die Gelenkdegeneration zu verringern oder zu verzögern [56]. Die IAHA-Injektion ist zudem bei symptomatischer, moderater und ergussfreier Arthrose indiziert. Sie ist einfach und bei angepasster Injektionstechnik gut verträglich. Funktionelle Ergebnisse konnten in mehreren Vergleichsstudien durch IAHA-Injektionen zum Teil signifikant verbessert werden. Die Wirksamkeit ist zwar nur mäßig, die Ansprechrate jedoch hoch und ermöglicht somit die Einsparung von Opioid-Analgetika und NSAIDs mit einem besseren Nutzen-Risiko-Verhältnis und kann darüber hinaus den endoprothetischen Gelenkersatz verzögern. Eine chondroprotektive Wirkung ist wahrscheinlich, muss aber noch durch weitere Studien eindeutig bewiesen werden, bevor der prophylaktische Einsatz offiziell empfohlen werden kann. Die Entwicklung von HA-Derivaten zielt sowohl auf Einzelinjektionen, aber auch auf kombinierte Formen ab. Es ist derzeit aufgrund der Fülle von Produkten auf dem Markt mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften und unklar definierten Therapieplänen schwierig auszuwählen, insb. bei anderen Gelenken als dem Knie. Einige Punkte sind nach wie vor unklar, wie z.B. prädiktive Faktoren für das Ansprechen auf die Behandlung.
Fazit für die Praxis
Aufgrund vielversprechender Ergebnisse in Laborstudien, in-vivo-Studien und ersten klinischen Anwendungen kann der Einsatz von PRP als Adjuvans in der operativen Behandlung von Knorpelschäden und bei milder Kniearthrose empfohlen werden. Hyaluronsäureinjektionen haben einen chondroprotektiven Effekt, insb. im Zusammenhang mit intraartikulären Lokalanästhetika- und Cortisoninjektionen [65].
Im Vergleich der Wirksamkeit von PRP und HA kommen jüngst mehrere Autoren übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass PRP der Hyaluronsäuretherapie innerhalb eines Nachbeobachtungszeitraumes von 1 Jahr in Bezug auf den WOMAC-Score bei gleicher Anwendungssicherheit überlegen ist [66–69]. In Bezug auf die unterschiedlichen Hyaluronsäurepräparate (hochmolekular sowie quervernetzt) gilt diese generelle Aussage aber nicht, da PRP nur den niedrigmolekularen und nicht vernetzten Präparaten statistisch signifikant überlegen ist [67].
Interessenkonflikte:
Keine angegeben.
Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.
Korrespondenzadresse
Priv.-Doz. Dr. med. habil.
Wolfram Steens
ONZ – Orthopädisch-Neuro-
chirurgisches Zentrum
Roentgenstraße 10
45661 Recklinghausen
dr.steens@onz-online.de