Übersichtsarbeiten - OUP 03/2024

Konservative medikamentöse Knorpeltherapie und supportive Therapie nach Knorpelchirurgie
Aktueller Stand

Thrombozytenkonzentrate (PRP) können auf 4 verschiedene Arten für klinische Anwendung hergestellt werden [24].

Zum einen als reines (pures) PRP mit niedrigem Leukozytengehalt (P-PRP). Es ist ein Präparat nahezu ohne Leukozyten und mit einem Fibrinnetzwerk niedriger Dichte nach der Aktivierung. Es kann als flüssige Lösung oder in Form eines aktivierten Gels intraartikulär injiziert werden. Es wird durch Plasmapherese hergestellt und ist daher für eine breite klinische Anwendung unpraktisch. Anitua et al. haben ein Verfahren entwickelt, das eine Zentrifugation des entnommenen Blutes bei 580 g für 8 Minuten und eine Trennung der Plasmafraktionen durch Pipettieren beinhaltet (EndoRet). Der Nachteil hierbei sind die manuellen Pipettierschritte, die die Reproduzierbarkeit des Endprodukts beeinträchtigen können (Abb. 1) [25].

Zum anderen als leukozytenreiches PRP (L-PRP), ebenfalls mit einem Fibrinnetzwerk niedriger Dichte nach der Aktivierung, einem größeren Gehalt an Blutplättchen als dem reinen PRP und einem höheren Gehalt an Leukozyten (Abb. 1). Ähnlich wie P-PRP kann es als aktiviertes Gel oder in flüssiger Form intraartikulär injiziert werden. Es kann, vorteilhaft für die klinische Anwendung, durch automatisierte Doppelzentrifugationssysteme hergestellt werden. Mehrere kommerzielle Alternativen sind hierzu verfügbar (Harvest Smart-PreP; Harvest Technologies, Plymouth, MA, USA), (Biomet GPS III; Biomet Inc., Warsaw, IN, USA), (Plateltex; Prag, Czech Republik), (Regen PRP; RegenLab, Le Mont-sur-Lausanne, Schweiz).

Sowohl bei P-PRP als auch bei L-PRP erfolgt die Aktivierung von Blutplättchen und Fibrinogen durch verschiedene aktivierende Moleküle (z.B. Thrombin, CaCl2 ). Sobald sie aktiviert sind, geben Blutplättchen fast 70 % ihrer Wachstumsfaktoren innerhalb der ersten 10 Minuten ab. Innerhalb 1 Stunde sind die meisten der gespeicherten Wachstumsfaktoren bereits sezerniert [23]. Die Thrombozyten-Wachstumsfaktoren werden zunächst absorbiert und dann durch das Fibrinnetz, das sich ähnlich der extrazellulären Matrix verhält, einer gewissen Kinetik folgend freigesetzt.

Die Freisetzungskinetik hängt vom Fibringehalt ab, der in Abhängigkeit von den individuellen Plättcheneigenschaften sowie der Fibrinkonzentration und -strukturdichte variiert, die von prokoagulierenden Enzymen in der Gelierungsphase induziert wird. Dieses Grundkonzept erklärt die Wirkdauer von PRP nach der Applikation.

Weiterhin kann es als reines plättchenreiches Fibrin (P-PRF oder PRFM, Platelet Rich Fibrin Matrix) hergestellt werden. Dies wird zum einen durch eine langsame Zentrifugation (ca. 1000 g) in einem Trenngel erreicht, das die Separation der inaktivierten Blutplättchen und des fibrinogenhaltigen Plasmas von den roten und weißen Blutkörperchen ermöglicht. Anschließend erfolgt eine zweite Zentrifugation bei hoher Geschwindigkeit (ca. 3500 g) und die Initiierung der Gerinnungskaskade mit Calciumchlorid (CaCl2) zur Ausfällung des Fibringerüsts bei der Bildung des formbaren Gels, das Fibrin als Stabilisator des „Thrombozytengerinnsels“ enthält. Das Endprodukt ist ein plättchenreiches Fibringerüst, das steifer als das des herkömmlichen PRP ist. Es hat eine vierfache höhere Konzentration an Blutplättchen [26] und einen niedrigen Gehalt an Leukozyten (Fibrinet PRFM, Platelet-Rich FibrinMatrix, Cascade Medical, Wayne, NJ, USA). Dieses Gel kann vernäht oder in die Defektstelle gepresst werden. Eine Injektion ist aufgrund der hochviskösen Gelform nicht möglich. Aufgrund des hohen Gehalts an Fibrin kann diese PRP-Form Wachstumsfaktoren über einen längeren Zeitraum von bis zu 7 Tagen mit einer hohen Variabilität der Kinetik freisetzen. Eine vermehrte Freisetzung der Wachstumsfaktoren wurde innerhalb des ersten Tages beobachtet mit einer allmählichen Abnahme, danach innerhalb von 2 Tagen für VEGF und PDGF und innerhalb von 7 Tagen für EGF und FGF [27].

Eine weitere Möglichkeit stellt die Herstellung eines Leukozyten- und plättchenreichen Fibrins (L-PRF), dar, ähnlich zu letzterem, aber mit höherem Leukozytengehalt. Als PPRF, L-PRF ist es ein Gel mit hoher Dichte des Fibrinnetzes und kann daher nicht injiziert, sondern nur lokal an der Läsionsstelle aufgebracht werden. Es wird mittels einfacher Zentrifugation ohne Verwendung eines Antikoagulans hergestellt. Ein kommerzielles Produkt von L-PRF ist das Intra-Spin L-PRF (Intra-Lock Inc., Boca Raton, FL, USA) [28].

Die klinische Anwendung von PRP zur Behandlung von Knorpelläsionen und Arthrose wirft derzeit noch mehr Fragen als Antworten auf und der Einfluss einer Vielzahl von Variablen (individuelle Plättcheneigenschaften und Fibrinkonzentration, Herstellungsmethoden, individuelle Gewebsantwort, Verwendung homologer Produkte zur universellen klinischen Anwendung etc.), die hierbei in Betracht gezogen werden müssen, erfordern weitere Studien, um die beste Form der PRP-Therapie zu erforschen. Die adjuvante perioperative PRP-Anwendung im Rahmen knorpelchirurgischer Interventionen ergibt sich einerseits aufgrund ihrer wachstumsfördernden Eigenschaften und der Fähigkeit, MSCs bei der Differenzierung zu Knorpel und Knochen zu unterstützen und andererseits aufgrund ihrer entzündungshemmenden Wirkung.

Lee et al. untersuchten das Potenzial von L-PRP in Ergänzung zur Mikrofrakturierung bei Knorpeldefekten bis zu 4 cm2 bei Kniearthrosepatientinnen und -patienten über 40 Jahren [29]. L-PRP wurde in situ um die Mikrofrakturlöcher injiziert, wobei dem Prinzip der in situ Aktivierung gefolgt wurde. Die 2-Jahres-Ergebnisse überzeugten in Bezug auf die klinischen Scores (IKDC und Lysholm) sowie im Rahmen einer Second-look-Arthroskopie nach 4–6 Monaten. Diese Ergebnisse legen nahe, dass PRP den Heilungsprozess nach Mikrofrakturierung fördert.

Verschiedene Studien haben eine PRP-Augmentation in Verbindung mit Kollagen- oder synthetischen Implantaten untersucht. Dhollander et al. [30] behandelte retropatelläre Knorpeldefekte mittels Mikrofrakturierung (slow-drilling) und deckte die mit L-PRP-Gel gefüllte Defektstelle mit einer Kollagen-I/III-Membran ab (AMIC plus), eine Modifikation der ursprünglichen AMIC-Technik. Nach 24 Monaten beobachteten sie eine Verbesserung im KOOS-Score, in der Tegner-Aktivitätsskala, im patellofemoralen Kujala-Score und in der VAS-Skala. Im kernspintomografischen MOCART-Score zeigte sich eine unvollständige Reparatur mit subchondralen Knochenveränderungen und intraläsionalen Osteophyten.

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