Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2014
Langzeitbeobachtung Knieendoprothetik Genesis II im honorarbelegärztlichen Modell
Der durchschnittliche KSS (Teil 1) in dem hier vorgelegten Datensatz betrug 74,5 und streute zwischen 22 und 97 Punkten. Der von Chrockarell und Mitarbeitern [6] angegebene Durchschnittswert lag mit 85 Punkten etwas höher. Ausgenommen die Patientin, die lediglich 22 Score-Punkte erreichte, lag der schlechteste Wert bei 42 Punkten. Grund für die niedrige Punktzahl von 22 bei Fall Nr. 41 waren die von ihr als stark angegebenen Schmerzen. Dieses ungünstige Ergebnis korrelierte nicht mit röntgenologischen Hinweisen für ein Implantatversagen. Die Auswertung von Teil 2 des KSS (funktioneller Score) ergab eine durchschnittliche Punktzahl von 60,8 und eine Streuung der Werte zwischen 0 und 100 Punkten.
Teil 2 des KSS misst funktionelle Ergebnisse. Hier lag der Score bei durchschnittlich 60,8 Punkten (0–100). In über 70 % der Fälle war die Gehstrecke weitgehend frei, in 55 % der Fälle wurden keinerlei Gehhilfen verwendet.
Die Anzahl der schmerzfreien Patienten deckt sich recht gut mit den Beobachtungen von Laskin und Davis, die nach 5 Jahren 77% schmerzfreie Fälle anamnestizieren konnten. In der Überprüfung röntgendurchlässiger Linien beobachteten sie in vergleichbarer Weise maximale Werte von 1 mm [4].
Im Gegensatz zu der hier vorgelegten Studie mit einer hochgradigen Homogenität des Implantats (ausschließlich CR-Variante, kein Patellarückflächenersatz, sämtliche Fälle zementiert) finden sich in der Literatur Studien des Genesis II-Systems mit spezieller Untersuchung der PS-Variante [9] und Studien bei denen die PS- und CR-Variante miteinander verglichen wurde [10]. Aus den Studien ergeben sich keine Hinweise für die Überlegenheit der PS-Variante, sodass der höhere knöcherne Substanzverlust in der interkondylären Region, verursacht durch die PS-Variante, zu erwähnen ist.
Auch hinsichtlich der Verwendung des Polyethyleneinsatzes herrscht Homogenität in der hier untersuchten Kohorte. In sämtlichen Fällen wurde der Standardpolyethyleneinsatz implantiert. Es ist noch offen, ob die für das Studienkollektiv noch nicht vorliegende und nicht verwendete oberflächenkeramisierte Oxinium-Variante Vorteile mit sich bringt. Erste Untersuchungen deuten auf eine Gleichwertigkeit zwischen Oxinium und Kobalt-Chrom sowohl hinsichtlich des Knee Society Scores als auch der Abriebpartikel hin [11].
Die hier gewählte Wahl einer CR-Variante wird auch durch Langzeitergebnisse mit dem Genesis-I-System gestützt [12], auch wenn die Designunterschiede zwischen der Genesis I- und der Genesis II-Prothese nicht gänzlich außer Acht gelassen werden dürfen. Die Autoren legten Langzeitergebnisse zwischen 10 und 16 Jahren vor.
Eine weitere unterschiedlich gehandhabte Detailfrage repräsentiert die Vorgehensweise bei der Zementierung der Tibiakomponente [13]. Sie bezieht sich auf die Wahl zwischen einer vollen Zementierung der Tibiakomponente einschließlich der Flanken und des Stiels oder einer ausschließlichen Oberflächenzementierung. Wiederum besteht Homogenität in der hier betrachteten Stichprobe, weil sämtliche Tibiakomponenten voll zementiert wurden. Für das Genesis II-Knieprothesensystem liegt eine biomechanische Studie vor [14], die auf einer experimentell validierten Finite-Elemente-Analyse und einem Umbaualgorithmus basiert. Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass eine ausschließliche Oberflächenzementierung zu einer geringeren proximalen Knochenresorption führen könnte. Demgegenüber deuten an Präparat-Studien gewonnene Ergebnisse darauf hin, dass die Zementierungstechnik keinen Einfluss auf den Knochenverlust im Falle einer Revision besitzt [15].
Sämtliche Implantationen wurden ohne Verwendung eines Navigationssystems vorgenommen. Diese Entscheidung wurde dadurch beeinflusst, dass die Eingriffe nicht in einem Universitätskrankenhaus mit höherer Variabilität des Ausbildungsstands der Operateure, sondern von einem bereits erfahrenen Operateur mit mehrjährigem Training in der Knieendoprothetik vorgenommen wurden.
Die vom Erstautor gemachten Erfahrungen wie auch grundlegende, vergleichende Untersuchungen, unter Verwendung eines prospektiv randomisierten, einfach verblindeten Designs [16, 17] veranlassen den Erstautor der vorgelegten Arbeit nicht, das bisherige Vorgehen abzuändern.
Aktuelle Entwicklungen fokussieren auf einer präoperativen Bereitstellung patientenspezifischer Schnittblöcke, die unter Zugrundelegung kernspintomografischer Daten angefertigt werden. Diese Ansätze zielen auf eine akkurate Implantatkomponentenausrichtung bei gleichzeitiger Einsparung eines Navigationssystems ab. Es ist noch offen, ob sich solche individualisierten Implantatinstrumentarien am Markt durchsetzen können [18].
Neben dem Vergleich der hier vorgelegten Daten mit anderen Studien ist es in Ergänzung dazu aufschlussreich, auch einen Vergleich mit den Daten nationaler Endoprothesenregister vorzunehmen. Die von Robertsson und Mitarbeitern [19] vorgelegten Untersuchungsergebnisse bieten sich insofern an, als dass sie zum einen die Nationalregister Dänemarks, Norwegens und Schwedens zusammenfassen und zum anderen den Implantationszeitraum zwischen 1997 und 2007 untersuchen. Der Implantationszeitraum der vorgelegten Ergebnisse (1999–2004) liegt somit voll im Zeitfenster der Registerstudie. Die Revisionsraten, unter Berücksichtigung aller Revisionen als Endpunkt, erwiesen sich im schwedischen Datenkollektiv am geringsten und im norwegischen und dänischen Register etwas höher. Die kumulative Revisionsrate lag in der eigenen Stichprobe niedriger als im dänischen, norwegischen und schwedischen Nationalregister. Selbstverständlich ist zu berücksichtigen, dass die von Robertsson und Mitarbeitern [19] veröffentlichten Registerdaten verschiedene Knieprothesensysteme zusammenfassen.
Eine frühere Datenauswertung des norwegischen Nationalregisters mit einer Implantationszeit zwischen 1994 und 2000 und einem 5-Jahres-Überlebenszeitraum ergab für das Genesis I-Knieprothesensystem bei 654 Fällen einen Wert von 95 % [20], der ebenfalls ungünstiger liegt als die Daten der eigenen Stichprobe.
Im schwedischen Endoprothesenregister wurden im Zeitraum zwischen 2000 und 2009 539 Genesis II-Erstimplantationen ermittelt. Dies repräsentierten allerdings nur 6,3 % aller im oben genannten Zeitraum in Schweden erstimplantierten Knieprothesen, da der schwedische Markt von anderen Herstellern dominiert wurde. Ferner war die Fallzahl so klein, dass im Jahresbericht 2011 des schwedischen Nationalregisters für Knieprothesen separate Daten für die Genesis II-Prothese nicht angeben wurden (www.knee.nko.se).