Originalarbeiten - OUP 06/2021
Mittelfristige Ergebnisse nach Korrektur von MPFL-Insuffizienz und Trochleadysplasie
Nach der Operation schätzen die Patienten die angstfreie Ausbelastung ihres Kniegelenkes auf durchschnittliche 9 von 10 Punkten.
Die Inhomogenität des Patientenkollektivs spiegelt sich in der Beantwortung der Frage nach sportlicher Aktivität deutlich wieder. So fiel die Beantwortung dieser Frage sowohl für den Zeitraum vor als auch nach der Operation sehr variabel aus. Einige Patienten bezeichneten sich zu keiner Zeit als Sportler, während andere wiederum im Leistungssportbereich aktiv und erfolgreich waren. In unserer Befragung entsprachen 0 Punkte keinerlei sportlicher Aktivität und 10 Punkte dem Leistungssport mit Ausbelastung. Die präoperative generelle sportliche Aktivität beträgt in der Selbsteinschätzung durchschnittlich 6,8 Punkte von möglichen 10 Punkten (= sehr aktiv). Postoperativ steigerte sich dieser Mittelwert auf 8,6 Punkte (p < 0,001).
Eine weitere Frage zu diesem Thema erfasste die Einschränkung sportlicher Aktivitäten durch das betroffene Kniegelenk. Das Maximum von 10 entspricht hierbei keinerlei subjektiven Einschränkungen. Der präoperative Wert von 5,0 stieg hierbei postoperativ auf 8,1 Punkte. Dies stützt das Ergebnis einer uneingeschränkten sportlichen Aktivitätssteigerung.
Gesondert wurde auf die Ausübung besonders kniebelastender Sportarten wie Skifahren, Fußball und Tennis etc. eingegangen. Auch bei dieser Frage entspricht der maximale Wert von 10 einer problemlosen Ausübung der Sportart. Der präoperative Wert von 4,2 wurde auf 7,7 Punkte postoperativ gesteigert.
Diskussion
Bei aller persönlichen Euphorie und guten Erfahrungen der Autoren sind sowohl die MPFL-Rekonstruktion als auch die Trochleaplastik anspruchsvolle und wenig verzeihende OP-Techniken mit entsprechenden Lernkurven.
Nach Zaffagnini et al. [77] beträgt die Komplikationsrate nach Trochleaplastik bereits im kurzfristigen Nachuntersuchungszeitraum etwa 14 %, die der MPFL-Plastik im Vergleich hingegen nur ca. 7 %. Während weitere Übersichtsarbeiten sogar Komplikationsraten von 13–40 % beschreiben [38, 61], berichten andere Autoren und eigene Publikationen über nahezu komplikationsfreie Verläufe [9, 55].
Andere Autoren berichten von postoperative Arthrosen, rezidivierende Patellaluxationen, persistierende Bewegungseinschränkungen oder einer ausbleibenden Knochenheilung, wobei die Häufigkeit von Revisionsoperationen bei etwa 8–14 % liegt [40, 51].
MPFL
Eine Fehlposition des MPFL führt zu erheblichen klinischen Problemen [10]. Die typischen Komplikationen sind der anteriore Knieschmerz, das Beugedefizit und Bewegungseinschränkungen in 5?10 % der Fälle [1, 14, 76]. So zeigen einige Autoren einen vorderen Knieschmerz nach 2 Jahren bei bis zu 30?50 % der Patienten [1, 29] sowie nach 3 Jahren bei bis zu 17 % der Patienten [45]. In unserer eigenen frühen Fallserie von 30 Patienten fand sich bei einem Nachuntersuchungszeitraum von 22,5 Monaten ein anteriorer Knieschmerz nach Belastung bei 12 % der Patienten und bei 1 Patienten ein Beugedefizit von mehr als 20°. Luxationsrezidive fanden sich nicht [67, 68].
Als Ursachen für den anterioren Knieschmerz und das Beugedefizit werden Vernarbungen im Transplantatbereich [17] sowie eine Tunnelfehlplatzierung [49] diskutiert. So zeigte eine Arbeitsgruppe in einer Serie postoperativer Kernspintomographien in nur 65 % eine gute Position der femoralen Insertion. In 35 % war diese zu weit anterior oder proximal [50]. Weiterhin ist als typischer Risikofaktor die Überspannung des MPFL-Transplantates gesehen worden [63]. Philippot et al. [50] wiesen darauf hin, dass die Zugkraft bei der Refixation nicht mehr als 10 Newton betragen sollte, womit bspw. im Vergleich zu kreuzbandchirurgischen Eingriffen bemerkenswert minimale Werte angestrebt werden sollten.
Die Literatur zeigt, dass eine sichere intraoperative Einstellung der Graftspannung des MPFL schwierig ist [13, 19, 64]. Neben der Beugungslimitierung führt eine überhöhte Graftspannung zu einem erhöhten Anpressdruck auf das femorale Gleitlager. Dies wiederum führt bei den Patienten vermehrt zu vorderen Knieschmerzen. Aus genau diesen Gründen diskutieren Chouteau et al. in ihrem MPFL Review den Bedarf nach einer Operationstechnik, die ein solches Überspannen des Transplantates vermeidet [13]. Auf Grundlage der Literatur ist es schwierig, die beste Flexionsstellung zu finden, in der das Graft während der Operation fixiert wird. Thaunat et al. [64] empfehlen eine volle Extension sowie eine eher weiter distal angelegte femorale Insertion, um eine Überspannung des Transplantats während der Knieflexion zu verhindern. Andere Autoren ziehen Techniken vor, die eine Transplantatverknüpfung bei einer Beugung zwischen 30°?45° vorsehen [2, 35, 43]. Feller et al. fixieren das Graft in 20°-Flexion und verschieben die Patella um einen Quadranten nach lateral, bevor sie diesen endgültig miteinander verknüpfen [63]. Weitere Autoren ziehen eine Position zwischen 60° und 90° Kniebeugung vor, weil diese eine präzisere Einstellung der Patella in tieferen, inferioren Teilen des trochlearen Gleitlagers zulässt [11, 62]. Bei der Zusammenschau dieser Studien leuchtet es ein, dass die eine optimale Methode zur Spannungseinstellung der Transplantatfixierung noch nicht beschrieben wurde. Aus diesem Grund kann unsere Technik, die eine einfache Testung der Transplantatspannung unter Flexion erlaubt, eine gute Lösung darstellen. Erst wenn der Operateur mit der Spannungseinstellung und der Beweglichkeit des Kniegelenkes und der Kniescheibe zufrieden ist, folgt die endgültige Fixierung der MPFL-Rekonstruktion.
Eine andere übliche Komplikation bei anderen Techniken ist die Patellafraktur, welche bei uns in keinem Fall eintrat. In der Literatur finden sich meistens Querfrakturen [14, 17, 27, 36, 41, 48, 63, 64]. Dhinsa et al. beschrieben großlumige und horizontale Bohrungen als Risikofaktor für Frakturen [17] . In unserer Technik werden vornehmlich vertikale horizontale Bohrungen ohne zusätzliches Verankerungsmaterial verwendet.