Originalarbeiten - OUP 06/2021
Mittelfristige Ergebnisse nach Korrektur von MPFL-Insuffizienz und Trochleadysplasie
In unseren Untersuchungen kehrt mit weit über 90 % der Großteil der Patienten nach der Operation wieder in ihren Sport zurück. Die Leistungssportler scheinen hierbei die besten Ergebnisse zu haben, hier erreichen viele ihr zuvor erreichtes Wettkampfniveau. Diese Patienten berichten von einem sicheren Stabilitätsgefühl und der Möglichkeit, ohne Zurückhaltung den jeweiligen Sport ausüben zu können. Auch unter den Patienten, die präoperativ keinerlei Sport betrieben haben, wird ein nicht unwesentlicher Anteil sogar im Verlauf sportlich aktiv. Bezüglich der Patientenzufriedenheit haben wir versucht, auch das kosmetische Ergebnis zu evaluieren. Dies wird trotz der sichtbaren Narbe von den jungen Patienten als zufriedenstellend bewertet, sodass entsprechend unserer Befragungen weder das Selbstbewusstsein, noch die Kleiderwahl eingeschränkt zu sein scheint. Ästhetische Narbenoperationen scheinen für die von uns befragten Patienten nicht von Interesse zu sein [68].
Persistierende Patellainstabilität nach Trochleaplastik
Song et al. [61] geben eine Reluxationsrate nach Trochleaplastik mit 7 % nach durchschnittlich 48 Monaten an. Longo et al. [38] beschreiben eine solche mit 2–10 % nach durchschnittlich 57 Monaten und Metcalfe et al. [40] mit bis zu 8 % nach durchschnittlich 11 Jahren. Nur wenige Arbeiten diskriminieren hierbei nach den verschiedenen Dysplasieformen. Zaffagnini et al. [77] veröffentlichten bei hochgradiger Dysplasieformen (Dejour-Typen C/D), die nur mittels MPFL-Plastik behandelt wurden, deutlich höhere Reluxationsraten von bis zu 18,6 %, als wenn diese in Kombination mit einer Trochleaplastik erfolgte. Bei leichteren Formen (Typen A/B) zeigten die Autoren nach isolierter MPFL-Plastik Reluxationsraten von lediglich 2,7 %.
Metcalfe et al. [40] betonen, dass etwa 30 % aller notwendigen Revisionsoperationen im Langzeitverlauf nach Trochleaplastik nachfolgend durchgeführte MPFL-Plastiken sind; dieses unterstreicht nochmals die Notwendigkeit zur Kombination von Trochleaplastik und MPFL-Rekonstruktion. Dieses gilt insbesondere für höhergradige Dysplasieformen (Typen B–D) (0 % vs. 2,06 %) [61].
Bewegungseinschränkungen nach Trochleaplastik
Postoperative Bewegungseinschränkungen treten entsprechend der Literatur bei Trochleaplastiken bei 4–18 % der Patienten und damit häufiger als bei sonstigen Operationen zur Patellastabilisierung auf [12, 38, 61, 77]. Carstensen et al. beobachteten bei der Trochleaplastik v.a. „Arthrofibrose typische“ Bewegungseinschränkungen [12]. Als Therapieoptionen stehen die Narkosemobilisation, eine arthroskopische Arthrolyse sowie eine intensivierte Physiotherapie zur Verfügung [7, 12, 61]. Verglichen mit posttraumatischen Formen der intraartikulären Bewegungseinschränkung, zeigt die Narkosemobilisation nach Trochleaplastik jedoch eine deutlich geringere Erfolgsrate als nach unfallbedingten Bewegungseinschränkungen (18,2 vs. 59–87 %) [12]. Unserer Erfahrung nach, aber auch entsprechend der Literatur, zeigt v.a. die Kombination aus arthroskopischer Arthrolyse und intensiver Physiotherapie zufriedenstellende Ergebnisse [7, 12, 61]. Deshalb ziehen wir entsprechende kombinierte Therapiekonzepte gegenüber der Narkosemobilisation vor.
Knorpelschädigung nach Trochleadysplasie
Oft wird das potentielle Risiko der Knorpelschädigung und einer sekundären iatrogenen patellofemoralen Arthrose in Folge der Trochleaplastik als zu hoch eingeschätzt, teilweise wird die Trochleaplastik auch nur als Reservemaßnahme bei erfolglosen Voroperationen angesehen [8, 52]. Mehrfache eigene arthroskopische Nachuntersuchungen sowie Publikationen von Blond et al. [9] und Schöttle et al. [57, 58] zeigen jedoch, dass sich das Vicrylband vollständig resorbiert und v.a. keine Knorpelschäden im Bereich der versetzten und plastisch verformten Gelenkflächen auftreten. Zur histologischen Beurteilung konnten Schöttle et al. [57, 58] 2 osteochondrale Biopsien 6 und 9 Monate nach einer Trochleaplastik entnehmen. Neben einer histologischen Untersuchung zur Beurteilung der Knorpel-Knochen-Qualität erfolgte eine Konfokalmikroskopie zur Beurteilung der Lebens- und Funktionsfähigkeit der Knorpelzellen. Trotz der Osteotomie, die ca. 2 mm unterhalb des Knorpels durchgeführt wird, zeigte sich ein normaler histologischer Knorpel-Knochen-Befund mit einer entsprechenden Knochenneubildung in der Osteotomiezone. Insbesondere Knorpel- oder Knochennekrosen zeigten sich nicht.
Die Aussagen in der Literatur auf die Entstehung einer patellofemoralen Arthrose nach Trochleaplastik sind nicht einheitlich [7, 15, 40, 46, 52, 57, 58, 72]. Die positiven Effekte der Trochleaplastik zur Vermeidung der patellofemoralen Arthrose werden jedoch hervorgehoben.
Dejour et al. [15] und Ntagiopulos et al. [46] zeigten keinen Arthroseprogress nach 5,5 Jahren sowie nach 7 Jahren nach Trochleaplastik. In anderen Studien fanden sich eine patellofemorale Arthrose in 30?65 % nach 8?14 Jahren [52, 72]. Andere Autoren haben eine patellofemorale Arthroserate von 5,3 % nach einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 3,7 und 7,7 % nach 5 Jahren beobachtet [40]. Inwieweit die Entwicklung der patellofemoralen Arthrose alleine den natürlichen Verlauf dieser komplexen Pathoanatomie zu schulden ist, ist momentan noch nicht klar dargestellt. Kurzfristige Untersuchungen zeigten keine Evidenz von Knorpelschäden [40, 57, 58, 72]. Anderseits zeigt sich eine hohe Inzidenz von Knorpelschäden bei Patienten mit nicht behandelten Luxationen der Patella nach einem Nachuntersuchungszeitraum von 8 Jahren [53].
Die V-förmige Trochleaplastik nach Dejour (26,5 %) zeigt eine deutlich größere Inzidenz zur Entwicklung einer patellofemoralen Arthrose als die U-förmige Trochleaplastik nach Bereiter (4,4 %) [38]. Hierbei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die Trochleadyplasie an sich, ebenso wie die Hüftdysplasie, eine Präarthrose darstellt.
Es ist festzuhalten, dass die Entwicklung der patellofemoralen Arthrose durch eine Trochleaplastik nicht vollständig verhindert werden kann [72]. Ziel sollte daher ein möglichst früher Behandlungszeitpunkt sein, um den Zeitraum einer persistierenden Fehlbelastung zu reduzieren.