Übersichtsarbeiten - OUP 04/2024
Besondere Aspekte und Tipps für Eingriffe unter Durchleuchtung
Im Durchleuchtungsbild ist die Kortikalis aufgrund der höheren Dichte besser erkennbar als Spongiosa. Am besten zu sehen ist die Kortikalis, die parallel zum Röntgenstrahl verläuft. Deutlich wird dies am Gelenkspalt eines Facettengelenkes. Erst wenn der C-Bogen so weit rotiert wird, dass die Röntgenstrahlen parallel auf den Gelenkspalt treffen, ist dieser scharf zu erkennen. Der Gelenkspalt ist auch im axialen MRT gut zu sehen, sodass dieses zur Planung der Rotation einbezogen werden kann (Abb. 3).
Ein Wirbelkörper ist eher nicht wie ein Quader mit geraden, rechtwinkligen Kanten aufgebaut, sondern hat abgerundete Kanten. Auch hier ist die Kortikalis am besten zu sehen, die parallel zum Röntgenstrahl verläuft. Wichtig ist zu wissen, dass die Lendenwirbel Lw1 bis Lw4 zum Spinalkanal hin eher konkav geformt sind, Lw5 hingegen konvex, sodass unterschiedliche Abteile der Hinterkante scharf dargestellt werden (blaue Linie in Abb. 4). In einem seitlichen Röntgenbild kann daher durch Überlagerung der falsche Eindruck entstehen, dass das Foramen knöchern eng sei, oder dass eine Nadel bei einer transforaminalen Injektion im Wirbelkörper liegt (Abb. 5).
Processus uncinatus
Für die Halswirbelsäule soll bezüglich der knöchernen Strukturen auf den Processus uncinatus hingewiesen werden. Dieser ist im ap-Durchleuchtungsbild leicht zu identifizieren und zeigt die laterale Begrenzung des Spinalkanals an. Eine Nadel sollte bei einer intra-artikulären oder bei einer transforaminalen Injektion niemals medial vom Processus uncinatus liegen, da dann eine intraspinale Lage wahrscheinlich ist und das Medikament nicht die Zielregion erreicht (Abb. 6). Bei Anwendung eines Lokalanästhetikums kann ein vorübergehender hoher spinaler Querschnitt die Folge sein. Auch eine intrathekale oder intramedulläre Nadellage ist möglich.
Gelenke
Facettengelenk
Bei den Facettengelenken handelt es sich um echte synoviale Gelenke. Die Gelenkflächen sind mit hyalinem Knorpel bedeckt. Das intraartikuläre Gesamtvolumen des Gelenks beträgt ca. 1–2 ml [4]. Bei der Injektion in den Gelenkspalt muss somit mit sehr kleinen Volumen gearbeitet werden. Das Gelenk ist von einer straffen, bindegewebigen Kapsel umgeben, die reich an Nozizeptoren ist. Am oberen und unteren Ende des Gelenks bildet die Kapsel einen Freiraum, der Recessus genannt wird. Die Recessus sind bei intaktem Gelenk mit Fettgewebe gefüllt, zudem befindet sich eine Struktur im Recessus, die als Meniscoid bezeichnet wird [5] und am ehesten einer Verdickung der Gelenkkapsel entspricht (Abb. 7). Beim Aufrichten aus Vorbeugung mit Rotation kann es zu einer Dislokation des Meniscoids kommen, wodurch die Gelenkkapsel gedehnt wird. Dadurch entsteht ein akuter Schmerz mit Bewegungseinschränkung und schmerzbedingter Verkrampfung der Rückenmuskulatur (Blockierung) wie bei einem „Hexenschuss“. Eine manualmedizinische Therapie kann dieses Problem in manchen Fällen beseitigen.
Der Begriff intra-artikuläre Injektion wird sowohl für Injektionen in den Gelenkspalt, aber auch für Injektionen an einen beliebigen Ort in die Gelenkkapsel genutzt. Bei Injektionen in den Gelenkspalt ist neben dem geringen Volumen auch zu berücksichtigen, dass es regelmäßig im oberen und unteren Recessus Foramen gibt, durch welche das Injektat aus dem Gelenk austreten kann und sich dann intraspinal ausbreitet [5]. Deshalb ist eine intra-artikuläre Injektion in den Gelenkspalt nicht spezifisch für das Gelenk und daher auch nicht als diagnostische Injektion geeignet.
„Space of Okada“
Die Kapsel der Facettengelenke bildet zusammen mit den Bändern einen Teil der dorsalen Begrenzung des Epiduralraumes. Es wird von einem posterioren Band-Komplex gesprochen, der aus den Gelenkkapseln der Facettengelenke, dem Ligamentum flavum sowie den interspinösen und supraspinösen Bändern besteht [6]. Zwischen den Bändern und dem Epiduralraum bestehen mögliche Kommunikationswege, die bereits 1981 von Kikuzo Okada beschrieben wurden [7]. Der „Space of Okada“ ist ein Raum dorsal vom Ligamentum flavum, der häufig an der Halswirbelsäule aber auch gelegentlich an der Lendenwirbelsäule (z.B. im Rahmen eines Morbus Baastrup oder bei Pars-interartikularis-Defekten) beschrieben ist. Begrenzt wird der „Space of Okada“ lateral von den Gelenkkapseln, ventral vom Ligamentum flavum und dorsal vom Ligamentum interspinosum (Abb. 8). Eine Kommunikation zwischen Epiduralraum, Facettengelenken, interspinösem Raum und Neuroforamen ist möglich. An der Halswirbelsäule findet sich zu 80 % eine Kommunikation mit dem kontralateralen Facettengelenk.
Bei einer Injektion in den Gelenkspalt eines Facettengelenkes ist eine Ausbreitung des Kontrastmittels in den posterioren Bandkomplex und in den Epiduralraum beschrieben worden [6]. Im Rahmen einer interlaminären epiduralen Injektion kann eine Nadelposition im „Space of Okada“ einen Loss of Resistance erzeugen, obwohl sich die Nadel noch nicht im Epiduralraum befindet, sondern dorsal vom Ligamentum flavum. Insofern empfiehlt es sich, auch bei interlaminären Injektionen in den Epiduralraum, Durchleuchtung und Kontrastmittel zu verwenden, um eine korrekte Nadelposition zu erkennen.
Räume im Spinalkanal
Bei einer interlaminären Injektion ist es wichtig, die Nadeltiefe zu kontrollieren, damit das Medikament tatsächlich im Epiduralraum platziert wird. Im Epiduralraum befindet sich Fettgewebe und ein prominenter Venenplexus, der unter anderem auch die Vena basivertebralis enthält, welche mittig in den Wirbelkörper hineinzieht und diesen versorgt. Der ventrale Epiduralraum kann durch ein Band (Ligament of Hofmann) geteilt sein. Eine Injektion in den Epiduralraum ist nur möglich, wenn dorsal der Dura ausreichend Platz vorhanden ist. Es sollte also im MRT (am besten in einer T1-gewichteten sagittalen Schicht) epidurales Fettgewebe erkennbar sein (Abb. 9). Ein Level mit einer Spinalkanalstenose ist nicht gut geeignet zur Injektion. An der Halswirbelsäule findet sich epidurales Fettgewebe typischerweise caudal von Hw6/7, sodass eine Injektion in Höhe Hw7/Bw1 bzw. nicht cranial von Hw6/7 empfohlen wird.