Übersichtsarbeiten - OUP 04/2024

Besondere Aspekte und Tipps für Eingriffe unter Durchleuchtung

Wird eine Nadel zu tief eingeführt, so wird als nächste Struktur die Dura erreicht (Abb. 10). Die Dura besteht aus verschiedenen Lagen, ein klar definierter Subduralraum findet sich aber spinal nicht. Die Bezeichnungen subdural und intradural werden daher äquivalent verwendet. Bei einer intraduralen Injektion entsteht eine lokale Raumforderung.

Die Tiefe der Nadel ist in einem seitlichen Durchleuchtungsbild nicht immer einfach zu beurteilen. Daher empfiehlt sich an der Hals- und Lendenwirbelsäule die Verwendung eines Contralateral Oblique View [8]. Bei einer interlaminären epiduralen Injektion wird zunächst mit der Nadel Knochenkontakt mit der Lamina gesucht. Dann wird der C-Bogen so weit zur Gegenseite rotiert, dass die Röntgenstrahlen parallel zur Lamina verlaufen (Abb. 11). Die Lamina ist im Durchleuchtungsbild gut zu erkennen. Nun kann die Nadel kontrolliert über die Kante der Lamina in den Spinalkanal manövriert werden. Anschließend wird die Loss of Resistance-Spritze verwendet.

Bei einer Myelografie oder einer Lumpalpunktion ist der Liquorraum das Ziel. Es handelt sich hierbei um den Subarachnoidalraum, die Nadellage wird auch als intrathekal bezeichnet. Der Liquor umgibt das Rückenmark bzw. die Cauda equina, also die lumbalen Nervenwurzeln. Auch die durch das Neuroforamen austretende vordere und hintere Nervenwurzel und das Spinalganglion liegen noch intradural in der sogenannten Wurzeltasche (Abb. 10), die im Myelogramm erkennbar ist.

Nicht selten finden sich Zysten der Meningen. Etabliert ist die Einteilung nach Nabors [9]: extradurale Zysten ohne Nervenwurzeln (Typ I), extradurale Zysten mit Nervenwurzeln (Typ II, Tarlov-Zyste) oder intradurale Zysten (Typ III). Die nach ihrem Erstbeschreiber Tarlov [10] benannten Zysten sind eine Erweiterung des Peri- oder Endoneuriums der spinalen Nervenwurzeln in Höhe des Spinalganglions und sind mit Liquor gefüllt (Abb. 12). Am häufigsten finden sie sich auch multiple in Höhe Sw1 bis Sw4. Die Prävalenz wird mit 8,9 % angegeben [11]. In den meisten Fällen sind Tarlov-Zysten asymptomatisch.

Blutgefäße

Gefäße im Foramen

Gerade weil Blutgefäße im Durchleuchtungsbild nicht sichtbar sind, ist es wichtig, den Verlauf typischer Gefäße zu kennen. Eine Injektion in eine Vene hat meist keine schwerwiegenden Konsequenzen, zu vermeiden sind aber Injektionen in Arterien. An der Halswirbelsäule sind insbesondere die Arterien relevant, die das Rückenmark oder das Gehirn versorgen. Die Abb. 13 zeigt schematisch mögliche Arterien, die in der Nähe der Nervenwurzeln und des Spinalnerven liegen. Bei 3 von 7 transforaminalen Injektionen an der Halswirbelsäule fanden sich in einer anatomischen Studie rückenmarkversorgende Arterien in der Zielregion [12]. Die Häufigkeit einer intravasalen Nadellage (venös oder arteriell) wird bei einer zervikalen transforaminalen Injektion mit 19,4 % angegeben [13]. Die Aspiration vor einer Injektion hat nur eine Sensitivität von 45 % [13].

Bei einer intra-arteriellen Medikamentengabe kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen. Ein Lokalanästhetikum welches z.B. versehentlich in die A. vertebralis injiziert wird, wirkt toxisch auf das Zentralnervensystem und kann Sprachstörungen, Krampfanfälle und Bewusstseinsstörungen verursachen [14]. Insbesondere bei der Gabe von kristallinem Cortison (z.B. Triamcinolon) sind bei intra-arterieller Injektion schwerwiegende Komplikationen beschrieben mit Rückenmarks- und Kleinhirninfarkten [15]. Dadurch, dass die Kristalle und Konglomerate bei kritstallinem Cortison größer sind als Erythrozyten kann es zu Embolien und Infarkten kommen. Auch eine direkte Wirkung von Triamcinolon auf die Membran von Erythrozyten ist beschrieben. Zur Vermeidung solcher schwerwiegender Komplikationen wird daher dringend empfohlen, bei transforaminalen Injektionen ausschließlich wasserlösliches Cortison (Dexamethason) zu verwenden [16]. Zudem ist es wichtig, Kontrastmittel unter Live-Fluoroskopie (ideal mit digitaler Subtraktionsangiographie) zu geben, um eine intravasale Nadellage möglichst auszuschließen.

A. vertebralis

Auch eine direkte Punktion der Arteria vertebralis ist möglich. Der Verlauf ist sehr variabel und es kann sein, dass Anteile der Vertebralarterie nahe am Foramen liegen (Abb. 14). In einer radiologischen Studie lag die A. vertebralis bei 29 % der Injektionen in einem Abstand von 2 mm zum idealen Zielpunkt [17]. Ein Kleinhirn- und Hirnstamminfarkte nach CT-gesteuerter Injektion von kristallinem Cortison in die Vertebralarterie ist in der Literatur beschrieben [18].

A. Adamkievicz

Bei transforaminalen Injektionen an der Lendenwirbelsäule ist die Lokalisation der Arteria Adamkiewicz zu berücksichtigen, die die A. spinalis anterior versorgt. Sie liegt meist auf der linken Seite in Höhe der unteren Brustwirbelsäule oder oberen Lendenwirbelsäule. Es sind in der Literatur mehrere Fälle von Paraplegien nach lumbalen transforaminalen Injektionen beschrieben. Typischerweise findet sich die Arterie im cranialen Anteil des Neuroforamens [19]. Grundsätzlich kann es in jeder lumbalen Etage eine Radikulararterie geben, die mit der A. spinalis anterior kommuniziert.

Nerven

Spinalnerv, Nervenwurzel

Bei radikulären Beschwerden werden häufig Injektionen an die Nervenwurzel durchgeführt. Oft wird die Abkürzung PRT, also Periradikuläre Therapie verwendet. Wichtig ist es, diese Technik von anderen Injektionsarten (z.B. an den Spinalnerven) zu unterscheiden. Die Nervenwurzeln haben ihren Ursprung als Radix anterior und Radix posterior im Rückenmark. An der Halswirbelsäule ist der Verlauf relativ kurz bis zum Neuroforamen. An der Lendenwirbelsäule ziehen die paarigen Nervenwurzeln als Cauda equina weit nach caudal, bis sie durch das Neuroforamen aus dem Spinalkanal austreten. Im Neuroforamen liegt das Spinalganglion als Teil der Hinterwurzel. Die Nervenwurzeln und das Spinalganglion sind vollständig von Dura umgeben, liegen also intradural (Abb. 10, 15). Die Nervenwurzeln vereinigen sich zum Spinalnerven, der extradural liegt und sich nach wenigen Millimetern bereits aufzweigt. Eine Injektion an die Nervenwurzel, also eine PRT, muss dementsprechend immer eine epidurale Injektion sein.

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