Übersichtsarbeiten - OUP 04/2019

Pilon-tibiale-Frakturen – Wann welche Platte?
Übersicht über aktuelle Behandlungsstrategien zur Optimierung operativer Ergebnisse

Als Behandlungskonzept bei Pilonfrakturen mit zusätzlicher Fraktur der distalen Fibula wird häufig der Algorithmus nach Allgöwer als der Standard für die ORIF genannt. Dieser empfiehlt zunächst die Plattenosteosynthese der Fibula mit möglichst anatomischer Wiederherstellung der Länge. Erst anschließend erfolgen die Reposition der tibialen Gelenkfläche und der Metaphyse sowie die mediale Plattenosteosynthese [20]. Allerdings wird die grundsätzliche Notwendigkeit der Fibulaosteosynthese unterdessen diskutiert.

Durch Kurylo et al. konnte in einer retrospektiven Studie kein signifikanter Vorteil der primären Fibularekonstruktion in Hinblick auf das endgültige Alignement festgestellt werden [13]. Hierbei werden jedoch Rotationstraumen ausgenommen, bei denen die Fixation der Fibula hilfreich für die Rekonstruktion der korrekten Beinachse sein kann. Somit solltte die Notwendigkeit der Versorgung vom Operateur insbesondere im Hinblick auf die oft kompromittierten lateralen Weichteile hinterfragt und nicht als unumgänglich angesehen werden.

Winkelstabilität/
Doppelplattenosteosynthese

Neben der Wahl des Zugangs und dem Versorgungsalgorithmus muss sich der Operateur heutzutage mit den verschiedensten Implantaten auseinandersetzen. Es kann zurzeit auf anatomisch geformte und winkelstabile Implantate verschiedener Hersteller zurückgegriffen werden. Jedoch ist auch mit diesen Implantaten eine adäquate Stabilisierung nicht leicht zu erreichen. Insgesamt 8 von 10 durch Penny et al. getesteten anatomisch geformten Platten für die distale Tibia konnten keine adäquate Stabilisierung der 3 Fraktursäulen erzielen [17].

Eine Osteosynthese mit mehr als einem Implantat ist somit trotz moderner Implantate weiterhin zu empfehlen. In Ausnahmefällen kann eine Versorgung mit nur einer Platte erfolgen, dies setzt aber eine genaue Analyse der Frakturform unter Berücksichtigung der Hauptbelastungszonen voraus. Insbesondere bei Typ-C-Verletzungen ist dieses Vorgehen nicht zu empfehlen.

Zudem konnte nach Abschluss der Heilung durch den Einsatz von winkelstabilen Implantaten kein signifikanter Unterschied zu herkömmlichen Implantaten im AOFAS ankle-hindfoot scale erzielt werden [8]. Somit gilt die Empfehlung, individuell von Fall zu Fall nach genauer Frakturklassifikation zu entscheiden, mit welcher Platte eine bessere Reposition erzielt werden kann.

Lagekontrolle

Als intraoperative Bildgebung kommt oftmals nur die konventionelle intraoperative Durchleuchtung in Frage. Ist jedoch eine intraoperative 3D-Darstellung mittel CT möglich, spricht die Studienlage deutlich dafür. Vetter et al. konnten in einer retrospektiven Studie zeigen, dass bei 143 durchgeführten Operationen in 43 Fällen (30 %) nach dem CT-Scan Korrekturen an der Osteosynthese durchgeführt werden mussten [21]. Dies war gleichermaßen bei AO-43B- als auch bei AO-43C-Frakturen der Fall. 79 % dieser Korrekturen bezogen sich auf eine noch unzureichende Reposition, in 19 % mussten Schraubenfehllagen korrigiert werden. Somit ist eine erweiterte intraoperative Bildgebung durch ein intraoperatives CT trotz erhöhtem Zeit- und Arbeitsaufwand unbedingt zu empfehlen, um Revisionen und postoperative Probleme zu vermeiden.

Primäre Arthrodese

In seltenen Fällen kann eine Zerstörung der Gelenkfläche des Pilon so ausgeprägt sein, dass eine anatomische Reposition nicht mehr möglich ist. In diesem Fall kann als letzte Möglichkeit der Versorgung, die primäre Arthrodese angestrebt werden. In einer Fallstudie von Beaman et al. wurde eine Gruppe von 11 Patienten nach primärer Arthrodese nachuntersucht [3]. Die vollständige Heilungsdauer der Arthrodesen betrug hierbei durchschnittlich 4,4 Monate. Die Funktion wurde mittels AOFAS ankle-hindfoot scale nachuntersucht. In 88 % der Fälle zeigte dieser ein gutes bis sehr gutes Ergebnis. Die primäre Arthrodese bedeutet somit nicht unmittelbar eine erhebliche Funktionseinschränkung für den betroffenen Patienten im Vergleich zur osteosynthetischen Frakturversorgung und kann in speziellen Fällen erwogen werden.

Biodegradierbare Implantate

Als Alternative zu konventionellen Titanimplantaten kommen in den letzten Jahren immer häufiger auch biodegradierbare Implantate zur Anwendung. Diese sollen bei gleicher Stabilität neben einer interferenzfreien Bildgebung die Notwendigkeit einer Implantatentfernung vermeiden. Insbesondere an für Weichteildefekte und Wundheilungsstörungen anfälligen Körperteilen wie der distalen Tibia kann dies ein entscheidender Vorteil sein. In der prospektiv randomisierten Studie von Noh et al. wurden 53 Patienten mit konventionellen Implantaten und 49 Patienten mit einem biodegradierbaren Implantat (Firma Inion Oy, Tampere, Finnland) versorgt [16]. Hierbei zeigte sich eine kürzere Heilungszeit für die konventionellen Implantate (15,8 Wochen gegenüber 17,6 Wochen) und eine etwas bessere Funktionalität nach 12 Monaten (AOFAS-Score 87,5 Pkt. gegenüber 84,3 Pkt.). Trotz der signifikanten Unterschiede hinterfragen Noh et al. jedoch, ob diese im klinischen Alltag von großem Einfluss sind, insbesondere vor dem Hintergrund der Vermeidung einer Materialentfernung. Somit kann die Relevanz biodegradierbarer Implantate in Zukunft zunehmen, wenn diese in ihrer Entwicklung weiter voranschreiten werden.

Komplikationen

Trotz ausgereifter Methoden und Strategien ist die Versorgung von Frakturen des Pilon tibiale weiterhin risikobehaftet. Eine retrospektive Studie von Carbonell-Escobar et al. mit 92 Patienten zeigte, wie ausgeprägt die Probleme sind [6]. So traten bei 13,04 % der Patienten Infektionen auf, bei 7,6 % kam es postoperativ zu Hautnekrosen.

In 10,86 % der Fälle kam es zu einer Pseudarthrose, wobei dies vermehrt bei offenen Frakturen und Patienten, die eine Knochentransplantation erhielten, auftraten.

Eine posttraumatische Arthrose trat bei 13 % der Patienten auf. Hervorzuheben ist, dass bei der gesamten Studie kein signifikanter Unterschied zwischen einzeitigem Vorgehen (ORIF in > 48 h) und 2-zeitiger Operation (ORIF zwischen 10 Tagen und 3 Wochen nach Trauma) zu ermitteln war. Somit kann bezüglich der Komplikationen keine direkte Empfehlung für eines der beiden Verfahrenswege gegeben werden.

Funktionalität

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