Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2013

Rehabilitation bei orthopädischen Hüftproblemen

J. Heisel1

Zusammenfassung: Darstellung der einzelnen konservativen passiven und aktiven Behandlungsstrategien, die im Rahmen der orthopädischen Rehabilitation von Patienten mit Hüftproblemen zur Anwendung kommen und im Rahmen eines Therapieplans ökonomisch und individuell angepasst zusammengestellt werden sollten.

Schlüsselwörter: Rehabilitation, Hüfterkrankungen, konservative Behandlungspalette

 

Zitierweise

Heisel J: Rehabilitation bei orthopädischen Hüftproblemen.

OUP 2013; 7: 371-378. DOI 10.3238/oup.2013.0371-0378

Abstract: Representation of the conservative passive and active strategies, which should be individually combined in case of patients with severe hip problems.

Keywords: rehab, hip affections, conservative treatment

 

Citation

Heisel J: Rehab in case of hip problems. OUP 2013; 7: 371-378.
DOI 10.3238/oup.2013.0371-0378

Vorbemerkungen

Beschwerdebilder bei degenerativen Veränderungen des Hüftgelenks sind mit zunehmendem Lebensalter nicht selten Grund für Arztbesuche, aber auch für die Inanspruchnahme rehabilitativer Leistungen der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger. Pro Kalenderjahr werden alleine in Deutschland etwa 150.000 Schenkelhals- und proximale Oberschenkelfrakturen meist betagter Patienten mit osteoporotischer Knochensituation operativ versorgt; des Weiteren werden über 200.000 Hüftendoprothesen implantiert. Auch in diesen Fällen besteht bei – heutzutage nur kurzem, stationärem Aufenthalt im Akuthaus – ein nicht unerheblicher Nachsorgebedarf.

Rehabilitative Leistungen gehen in aller Regel deutlich über die sog. allgemeinen medizinischen Leistungen der Krankenkassen hinaus. Klassische Verfahren sind hier das stationäre Heilverfahren (HV) bzw. die Anschlussheilbehandlung (AHB) in speziellen orthopädisch ausgerichteten Rehabilitationskliniken, die teilstationäre (TSR) bzw. die ambulante Rehabilitation sowie die sog. erweiterte ambulante Physiotherapie (EAP) in zugelassenen Reha-Zentren, dies vor allem bei jüngeren mobilen Patienten ohne wesentliche komplizierende Begleiterkrankungen [1, 2, 3, 4, 5, 12, 14] .

Indikationen und
Rehabilitationsziele

In Abgrenzung zur Pflegebedürftigkeit des betroffenen Patienten muss vor Einleitung rehabilitativer Maßnahmen zunächst die individuelle Rehabilitationsfähigkeit überprüft und bestätigt werden: im Falle einer postoperativen AHB reizfreie Wundverhältnisse ohne Anhalt für eine lokale Infektion; weitgehende Eigenständigkeit für die wichtigsten ADL (Barthel-Index von zumindest 35 Punkten), ausreichende und sichere Mobilität zumindest für kurze Wegstrecken auf Stationsebene (evtl. unter Zuhilfenahme von Gehstützen); ausreichende persönliche Motivation zur Rehabilitation, ausreichendes kognitives Zustandsbild u.a.m. [3, 6, 7].

Vor Beginn spezieller Behandlungsmaßnahmen ist mit dem betroffenen Patienten das jeweilige Rehabilitationsziel individuell abzustimmen, wobei realitätsbezogen erläutert werden muss, was im geplanten mehrwöchigen Zeitraum bei entsprechender aktiver Mitarbeit erreicht werden kann und was nicht. Mit entscheidend sind hier zunächst die Informationen des vorbehandelnden Arztes zum Verlauf des Krankheitsprozesses, des Weiteren das aktuelle klinische Bild sowie, vor allem nach gerade zurückliegendem operativen Eingriff, auch die radiologische Situation (Übungsstabilität? Belastungsstabilität?). In diesen Zusammenhang gelten als wesentliche Ziele:

  • Reduktion des Schmerzbilds bis zur Schmerzfreiheit (auch unter Belastung),
  • Rückgang des (entzündlichen) Gelenkbinnenreizzustands,
  • Verbesserung der Gelenkfunktion,
  • Verbesserung der Kraftentfaltung der gelenkumspannenden Muskulatur,
  • Verbesserung der (Gesamt-)Mobilität, (weitgehende) Unabhängigkeit von Gehhilfen,
  • Verbesserung der Belastbarkeit der betroffenen unteren Extremität im Alltag, Beruf und/oder Sport,
  • (weitgehende) Selbstständigkeit im täglichen Leben,
  • (weitgehende) Unabhängigkeit von Hilfspersonen und/oder Hilfsmitteln [8, 9, 10, 13].

Behandlungsstrategien

Medikamentöse Maßnahmen

Degenerative Hüftgelenkerkrankungen zeigen belastungsabhängig nicht selten einen kompensierten blanden klinischen Verlauf; lediglich ein aktivierter Binnenreizzustand mit entsprechendem subjektiven Beschwerdebild, aber auch rheumatische Affektionen sowie die frühe postoperative Rehabilitationsphase nach künstlichem Gelenkersatz erfordern in den meisten Fällen symptomatische, systemische analgetische und antiphlogistische Maßnahmen. Hier steht die gesamte Palette der zentral bzw. peripher wirkenden Präparate einschließlich der NSAR zur Verfügung.

Die oral eingesetzten Chondroprotektiva (z.B. D-Glucosamin- und Chondroitin-Sulfat) haben über die dosisabhängige Steigerung der Synthese sulfatierter Mukopolysacchararide eine Bedeutung in der Behandlung von Schäden des Gelenkknorpels. Sie werden i.a. zur Langzeittherapie leichterer und mittelschwerer degenerativer Aufbrauchprozesse eingesetzt. Ähnlich wie am Kniegelenk werden auch im Bereich der Hüfte Hyaluronsäurederivate zur Viskosupplementation verabreicht.

Eine systemische orale Applikation von Glukokortikoiden (als kurzfristige Stoßbehandlung oder als längerfristige Dauermedikation) kommt, nach sorgfältiger Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses, im Rahmen der Rehabilitation von Hüftgelenkserkrankungen nur in seltenen Ausnahmefällen in Frage, wie z.B. bei stark entzündlichen Verläufen rheumatischer Erkrankungen, die durch eine ausreichend dosierte nichtsteroidale Medikation nicht befriedigend eingestellt werden können, außerdem bei immobilisierenden Schmerzbildern.

Eine intraartikuläre Applikation von Kristallkortikoiden ist in erster Linie bei ausgeprägten exsudativen synovitischen Reizzuständen, aber auch im Falle einer aktivierten Arthrose mit akzentuiertem Beschwerdebild zu überlegen.

Zu erwähnen bleibt die postoperative medikamentöse Ossifikationsprophylaxe mit NSAR nach endoprothetischem Hüftgelenksersatz über einen Zeitraum von etwa 1–2 Wochen. Eine Thromboembolie-Prophylaxe mit im Hoch- bzw. Höchstrisikobereich zugelassenen Präparaten (z.B. fraktionierte Heparine, in den letzten Jahren v.a. orale Thrombinhemmer) ist postoperativ nach Hüftgelenkseingriffen über einen Zeitraum von zumindest 4 Wochen unerlässlich.

Diätetische Maßnahmen

Bei Vorliegen degenerativer Gelenkaffektionen, auch nach alloplastischem Gelenkersatz, sollte zur Vermeidung eines raschen progredienten Verlaufs die exogene axiale Stauchungsbelastung im Zuge eines normalen Tagesablaufs möglichst gering gehalten werden. In diesen Fällen ist unbedingt eine Normalisierung des Körpergewichts durch kalorisch knappe, ballaststoffreiche, möglichst fettarme, kohlehydrat- und eiweißreiche Nahrung anzustreben; evtl. zusätzliche Gabe von Spurenelementen (z.B. Selen) und Vitaminen (Vitamin C und E). Die Effizienz einer speziellen „antiarthrotischen Diät“, wie teilweise in der Laienpresse propagiert (z.B. Einnahme von Gelatineprodukten), ist medizinisch nicht belegt. Neuere Erkenntnisse bzgl. Kombinationspräparaten (sog. Nahrungsergänzungsmittel) zur Behandlung symptomatischer Coxarthrosen im Sinne einer bilanzierten Diät stehen noch aus.

Physikalische Maßnahmen

Der Einsatz lokal wirksamer physikalischer Behandlungsstrategien ist als unverzichtbarer Bestandteil eines konservativen Behandlungsplans im Fall periarthralgischer oder von Binnenreizzuständen des Hüftgelenks anzusehen. Ganz allgemein betrachtet zielen die einzelnen Maßnahmen auf eine Linderung des subjektiven Beschwerdebilds (Analgesie) sowie den Rückgang des begleitenden reaktiv-entzündlichen Prozesses (Antiphlogese) ab.

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6