Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2013

Rehabilitation bei orthopädischen Hüftproblemen

In die Ergotherapie integriert ist die individuelle Hilfsmittelversorgung, z.B. im Falle vorübergehender oder bleibender Defizite zur Erleichterung des Ankleidens mit speziellen Strumpfanziehhilfen und langstieligen Schuhlöffeln; Nach endoprothetischem Ersatz des Hüftgelenks sind in den ersten 12 postoperativen Wochen zur Vermeidung einer extremen Gelenkstellung mit der Gefahr einer Luxation des Kunstgelenks außerdem besondere Greifhilfen sowie die Verwendung einer sitzerhöhenden Stuhlauflage wichtig. In diesem Zusammenhang müssen weiterhin Wohnung und Arbeitsplatz möglichst behinderungsgerecht eingerichtet werden (z.B. Beachtung der optimalen Sitz- und Tischhöhe, Einbau von Sitzschalen nach Maß im Falle einer einseitigen Hüfteinsteifung, Versorgung des Bades mit einer Toilettensitzerhöhung, einem Duschhocker, einem Badewannenlifter u.a.m.)

Ein wesentliches Behandlungsprinzip im Falle bestehender Defizite in der muskulärer Kraftentfaltung bzw. artikulärer Reizzustände ist die temporäre (bei postoperativen Zustandsbildern) oder dauerhafte (bei bleibenden Funktionsdefiziten) Gelenkschonung durch Entlastung. Hierzu gehört die Versorgung des Patienten mit adäquaten Geh- bzw. Fortbewegungshilfen wie Handstöcke, Unterarmgehstützen, evtl. mit speziellen rutschfesten Haftpuffern, Vierfüßlergehstützen, Achselkrücken, Rollatoren, einem Achselgehwagen und – im Extremfall – mit einem Rollstuhl.

Spezielle form- und funktionsgerechte orthopädische Zurichtungen am Konfektionsschuhwerk helfen, die Belastungssituation der betroffenen Gelenke der Extremität zu optimieren. Hierzu zählen eine Einlagenversorgung mit schmerzentlastender Weichbettung, stoßdämpfende Pufferabsätze sowie ein Verkürzungsausgleich im Sohlenbereich der Ferse (auch als Schuheinlage im Sinne eines Fersenkissens.

Orthetische Versorgung

In Abhängigkeit von der Stabilität des betroffenen Gelenks kann eine spezielle konfektionierte oder individuell gefertigte Orthese die Belastbarkeit der homolateralen unteren Extremität im täglichen Leben und damit die Mobilität des betroffenen Patienten erheblich verbessern. Eine entsprechende Versorgung ist jedoch meist sehr aufwendig und kostenintensiv, letztendlich für den Patienten aber auch subjektiv auftragend und damit im Tragekomfort beeinträchtigend. Unterschieden werden lediglich stützende Bandagen, hergestellt aus Textilien mit entsprechenden individuell eingearbeiteten Verstärkungen im Falle leichterer Instabilitäten, von starren, aus Kunststoffteilen vorgefertigten, das Gelenk weitgehend immobilisierenden orthopädischen Apparaten im Falle einer erheblich gestörten Gelenkmechanik. Hauptindikation für eine temporäre orthetische Versorgung des Hüftgelenkes ist eine postoperativ nach endoprothetischem Ersatz aufgetretene Instabilität mit spontaner Luxationsgefahr bei unbedachten Bewegungsausschlägen. In diesen Fällen sollte die Orthese über einen Zeitraum von zumindest 3 Monaten möglichst Tag und Nacht getragen werden, bis nach Eintreten einer Schrumpfung der hüftumspannenden Weichteile wieder eine ausreichende Gelenkstabilität eingetreten ist. Auch im Falle einer Resektionshüfte nach Girdlestone (entweder als primäre Situation nach eitriger Coxitis mit nachfolgender Kopfhalsresektion oder sekundär nach septischem Fehlschlagen einer Totalalloarthroplastik mit Belassen der defizitären Situation) resultiert neben einer teilweise nicht unerheblichen Beinverkürzung oft auch eine schmerzhafte instabile und damit wenig belastbare Hüfte, die eine dauerhafte orthetische Versorgung erforderlich machen kann.

Sozialberatung

Als weiterer Baustein im Rahmen der Rehabilitation gilt die Beratung des betroffenen Patienten durch den Sozialarbeiter mit folgenden Aufgaben:

  • berufliche Wiedereingliederung,
  • häusliche Wiedereingliederung (Mittagstisch, Umfeld u.a.),
  • pflegerische Betreuung (z.B. Kurzzeitpflege),
  • Fragen zur Behinderung, Berentung u.a..

 

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Jürgen Heisel

Orthopädische Abteilung
der Fachkliniken Hohenurach

Immanuel Kant-Straße 31

72574 Bad Urach

juergen.heisel@fachkliniken-
hohenurach.de

Literatur

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12. Paes P. Maßnahmen zur Rehabilitation von Patienten mit Hüftarthroplastiken. BV Orthopädie,1992; 80

13. Protz W, Gerdes N, Maier-Riehle B, Jäckel WH. Therapieziele in der medizinischen Rehabilitation. Rehabilitation 1998; 37: 24.

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Fussnoten

1 Orthopädische Abteilung der Fachkliniken Hohenurach, Bad Urach

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