Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2013

Rehabilitation bei orthopädischen Hüftproblemen

Die medizinische Trainingstherapie (MTT) stellt einen Sammelbegriff für ein physiotherapeutisches Behandlungskonzept im Rahmen der manuellen Medizin zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Körper- und hier vor allem von Gelenkfunktionen dar (sog. gerätegestützte Physiotherapie). Sie wird vor allem im Rahmen der Rehabilitation orthopädischer Erkrankungen eingesetzt, unter anderem auch bei degenerativen Gelenkveränderungen mit begleitenden Defiziten der Funktionalität und Kraftentfaltung der jeweiligen gelenkumspannenden und -bewegenden Muskulatur; die MTT beinhaltet ausschließlich aktive Übungen, die über die Bewegungsbahn, den Widerstand und auch die Repetition selektiv modifiziert werden. Der jeweilige Widerstand richtet sich nach den individuellen Gegebenheiten des Patienten. Ein effektives Ausdauertraining besteht im Allgemeinen aus 15–20 Wiederholungen des Bewegungsablaufes im Atemrhythmus des Patienten.

Ein wichtiges Prinzip der medizinischen Trainingstherapie ist die Beachtung der wechselweisen Beanspruchung unterschiedlicher Muskelgruppen. Ein reduziertes Gewicht ist hierbei wichtiger als ein spezielles Training der Kraftausdauer, insbesondere auch, weil hiermit eine höhere Anzahl an Einzelwiederholungen erfolgen kann, als dies bei größeren Gewichten möglich wäre. Die jeweiligen Übungen sollten immer möglichst langsam und ohne Schwung („Anlauf“) durchgeführt werden, darüber hinaus auch ohne Ausweichbewegungen.

Bei den einzelnen Übungen sollte unbedingt auf einen langsamen Beginn mit möglichst exakter Ausführung der Bewegungsabfolge geachtet werden. Dies betrifft sowohl die konzentrischen als auch die später durchzuführenden exzentrischen Funktionsmuster. Sowohl Patient als auch Therapeut sollten stets kontrollieren, dass tatsächlich auch nur der jeweils betroffene Muskel gezielt trainiert wird; Ausweichbewegungen, die dann meistens eine Belastung der Wirbelsäule mit sich bringen, sollten unterbleiben. Ursache für solche technischen Fehler ist meistens die Verwendung eines zu großen Übungsgewichts. Eine Pressatmung (Luftanhalten während der einzelnen Kraftleistungen) ist unbedingt zu vermeiden. Unter diesem Gesichtspunkt ist bei körperlicher Anstrengung die Ausatmung zu empfehlen, das Einatmen bei der Entlastung.

Über die Einzelbehandlung erlernt der Patient zunächst einfache selektive Funktionsabläufe, um diese dann zu komplexen Bewegungsmustern zusammenzusetzen. Er bleibt so lange in physiotherapeutischer Einzelbetreuung, bis er sich koordinativ weitgehend selbstständig kontrollieren kann. Wichtig für den Erfolg der medizinischen Trainingstherapie ist das anschließende Gruppentraining , welches möglichst täglich, zumindest aber 3-mal wöchentlich jeweils über 30–60 min und insgesamt über mehrere Monate stattfinden sollte, um neu erlernte Bewegungsmuster bestmöglichst zu automatisieren. Hier fördert ein dem Patienten ständig neu angepasstes Trainingsprogramm sicherlich deutlich die Motivation.

Als Steigerung der medizinischen Trainingstherapie bleibt für das Spätstadium der Rehabilitation nach Abklingen jeglicher Gelenkbinnenreizzustände das isokinetische Training zu erwähnen. Vordringliches Behandlungsziel ist dabei die Kräftigung der hüftumspannenden Muskulatur, aber auch die des M. quadriceps femoris sowie die der Kniebeugergruppe. Die Besonderheit dieses technisch aufwendigen und kostenintensiven Trainingsprogramms liegt darin, dass hier die individuellen Kraftvorgaben des Patienten den jeweiligen Übungswiderstand determinieren, der dann computergesteuert apparativ vorgegeben wird.

Auch der therapeutische Sport ist wesentlicher integrativer Bestandteil eines konservativen Rehabilitationsprogrammes im Falle von Gelenkerkrankungen der unteren Extremitäten; er steht meist erst am Ende des funktionellen Trainings, wobei hier, neben dem Erhalt einer beschwerdefreien (Rest-)Gelenkfunktion sowie der muskulären Kraftentfaltung v.a. auf die Verbesserung der koordinativen Leistungsfähigkeit (Schulung einer möglichst optimalen Körperbeherrschung) abgezielt wird; evt. bestehende Behinderungen werden so leichter überwunden (Bedeutungsreduktion). Der psychische Einfluss durch das Gruppenerlebnis sowie die Bewusstmachung der individuellen Belastbarkeit darf nicht unterschätzt werden.

Bei Vorliegen degenerativer Gelenkveränderungen wie auch nach erfolgtem endoprothetischem Gelenkersatz sollte der Sportmediziner dem betroffenen Patienten die einzelnen Bewegungsprogramme individuell und detailliert vorgeben, evtl. mit Anpassung bzw. Modifikation gewisser Sportarten an bereits bestehende Behinderungen (unterschiedliche Belastungsstufen). In diesem Zusammenhang müssen sportliche Betätigungen mit hohen kinetischen (dynamischen) Kraftspitzen unbedingt vermieden werden; in erster Linie sollten gleichmäßige Bewegungsabläufe in das Programm integriert werden, die die muskulären Schutzmechanismen des betroffenen Gelenks nicht überfordern und somit bereits knorpelgeschädigte Gelenkbereiche nicht über Gebühr strapaziert werden. Unter diesem Gesichtspunkt sind vor allem Kampf- und Ballsportarten, die einen teilweise unkontrollierbaren direkten Körperkontakt mit sich bringen, unter therapeutischen Gesichtspunkten im Rahmen eines Rehabilitationsprogrammes weniger gut geeignet.

Ergotherapie

Wichtigste Aufgabe der Ergotherapie im Allgemeinen ist die Beurteilung, ob „innere“, vom Patienten selbst ausgehende Kompensationsmechanismen genügen, um eine defizitäre Situation auszugleichen, oder ob hierfür zusätzliche unterstützende „äußere“ Hilfsmittel erforderlich werden.

Die Einzel- und Gruppenbehandlungen beinhalten in erster Linie eine funktionelle und ablenkende Selbstbeschäftigung mit integrierter individueller Bewegungstherapie durch immer wiederkehrendes Üben wichtiger Gelenk- und Muskelfunktionen im Rahmen handwerklicher Tätigkeiten, wobei die Tätigkeit selbst als auch die verwendeten Geräte und Materialien der vorliegenden Funktionsstörung angepasst sein müssen. Im Falle einer degenerativen Affektion des Hüftgelenks, aber auch im Zuge der postoperativen Rehabilitation nach alloarthroplastischem Ersatz kommen vor allem das Arbeiten am Kufenwebstuhl, außerdem Holzarbeiten wie Hobeln und Sägen, letztendlich auch Töpferarbeiten in Frage. Ziele sind die Wiedergewinnung bzw. der Erhalt der Gelenkfunktion, die muskuläre Kräftigung im Bereich der unteren Extremitäten, außerdem ein prophylaktischer Gelenkschutz (Bewegungsökonomie) durch Erlernen von Ausweich- und Kompensationsbewegungen sowie die berufliche Wiedereingliederung.

Wesentlicher Bestandteil der Ergotherapie vor allem in der Phase der frühen postoperativen Rehabilitation ist weiterhin das (Wieder)Erlangen von Unabhängigkeit von fremder Hilfe mit Erhalt der Selbstständigkeit. Hierzu zählt das Selbsthilfetraining (als Einzeltherapie oder in einer kleinen Gruppe) bzgl. der ADL (activities of daily life) wie An- und Auskleiden, Maßnahmen der Körperhygiene, des Transfers u.a.m.

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