Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2013

Rehabilitation bei orthopädischen Hüftproblemen

Patienten mit einer zementierten Hüftalloplastik sind i.A. schon nach wenigen postoperativen Tagen bei voller axialer Belastung der betroffenen Extremität gut in der Lage, sich im Vierpunktegang fortzubewegen. Im Falle einer zementfreien Endoprothese gehen die Empfehlungen meist dahin, dass innerhalb der ersten 2–4 Wochen lediglich eine Teilbelastung von 20–40 kp im Dreipunktegang erfolgen sollte; teilweise wird aber auch eine wöchentliche Steigerung des Belastungsgewichtes um 10–20 kp erlaubt. Erst zum Zeitpunkt einer Belastung von zumindest 80 % des Körpergewichts ist dann ein Vierpunktegang erlaubt. In der Frage, ob die Abschulung von den Gehstützen über den vorübergehenden Einsatz lediglich einer kontralateralen Gehhilfe erfolgt oder ob sofort mit einem freien Gehen begonnen werden sollte, gehen die Meinungen auseinander. Der Nachteil, lediglich auf eine Unterarmgehstütze zurückzugreifen, besteht darin, dass sich der Patient möglicherweise zu stark auf diese abstützt und somit ein schiefes Gangbild entwickelt. Andererseits ist aber auch der Übergang von 2 auf überhaupt keine unterstützende Gehhilfe mehr oft relativ groß, wird von einigen Patienten als unangenehm empfunden und daher auch nicht gerne toleriert. Bei längeren Gehstrecken kommen Ermüdungserscheinungen der hüftumspannenden Muskulatur hinzu, die dann, trotz zunächst zufriedenstellender Gangabwicklung, wieder einen Hinkmechanismus entstehen lassen, sodass durchaus auch über einen längeren postoperativen Zeitraum der Einsatz einer oder sogar beider Gehhilfen sinnvoll sein kann (Tab. 1).

Ein weiterer unverzichtbarer Bestandteil eines funktionellen Behandlungsprogrammes in der frühen postoperativen Phase ist die CPM (continous passive motion nach SALTER) zur ausschließlich passiv geführten Gelenkmobilisation unter Einsatz einer elektrischen Bewegungsschiene (1–2-mal tgl. über 15–20 min). Hier erfolgen in ihrem Funktionsausmaß definierte gleichmäßige Bewegungsabläufe meist in einer Ebene (v.a. Extension/Flexion) bis zur bzw. bis knapp über die aktuelle Schmerzgrenze. Ziele dieser Maßnahme sind die dosierte Dehnung der bereits präoperativ (teil)kontrakten gelenkumspannenden Weichteile zur schrittweisen Verbesserung des Bewegungsausschlages des betroffenen Gelenks, aber auch die Verbesserung der Gleiteigenschaften der periartikulären Gewebeschichten, die Optimierung ihrer lokalen Stoffwechselsituation sowie letztendlich die Verhinderung einer kapsulär bedingten Gelenkeinsteifung. Als Steigerung der CPM-Mobilisation gelten aktive Übungen auf dem Motomed und auch auf dem Fahrradergometer.

Ergänzend zur Einzelbehandlung, vor allem zum Abschluss eines Rehabilitationsprogramms steht dann die krankengymnastische Gruppentherapie mehr im Vordergrund, wobei hier auch stimulative psychologische Effekte einer Partnerbehandlung die Motivation des Patienten fördern sollen. Es sollte möglichst auf eine sinnvolle Zusammenstellung der Behandlungsgruppen bzgl. der individuellen körperlichen Belastbarkeit der Teilnehmer geachtet werden (z.B. ob bereits eine Vollbelastung des operierten Beines erlaubt ist oder nicht); außerdem sollten die Gruppen zwecks besserer Betreuung übersichtlich klein sein (max. 10–12 Teilnehmer). Vordringliches Ziel dieser Behandlungseinheiten ist in erster Linie die Verbesserung der Koordination mit einem spielerischen Verlängern der Standbeinphase. Die erlernten Übungen sollten dann über die therapeutisch geführten Übungen hinaus später alleine zu Hause in Eigenregie fortgeführt werden (individuell abgestimmtes Hausprogramm mit speziellen Bewegungsabläufen). Typische fehlerhafte Ausführungen durch Ausweichbewegungen müssen jedoch bereits während der Einzeltherapie bewusst gemacht werden, damit der Patient sie später dann auch wirksam vermeiden kann.

Im Rahmen der Endoprothesenschule (Tab. 2 und 3) [11] sollte der Patient im Rahmen theoretischer Vorträge und auch praktischer Demonstrationen darauf hingewiesen werden, dass innerhalb der ersten 4–6 postoperativen Wochen keine Hüftflexion über 90° erfolgen sollte; die Beine sollten nicht über Kreuz gehalten werden, eine Adduktion des operierten Beins über die Mittellinie hinaus sollte vermieden werden. Sitzen in tiefen Sesseln ist nicht gestattet; eine entsprechende Stuhlauflage bzw. auch eine Erhöhung des Betts (2. Matratze) wird in den ersten Wochen oft erforderlich. Im Hinblick auf eine mögliche Luxation des Kunstgelenks ist eine Hüftflexion in Kombination mit einer gleichzeitigen Außenrotation gefährlich, derartige Bewegungsmuster sollten in den ersten 6–12 Wochen nach dem Eingriff ebenfalls nicht durchgeführt werden; auch Oberkörperdrehbewegungen bei fixiertem Fuß (z.B. beim Stehen auf Teppichboden) sollten vermieden werden. Innerhalb der ersten 3–4 Wochen nach Implantation einer Hüft-TEP sollte der Patient ganz überwiegend in Rückenlage schlafen; dann ist ein Liegen auf der nicht operierten Seite mit Kissen zwischen den Beinen erlaubt; ab der 6. postoperativen Woche und reizfreien Wundverhältnissen ist auch das Liegen auf der operierten Seite gestattet. Das Ein- und Aussteigen aus dem Bett sollte in dieser Zeit möglichst über die operierte Seite erfolgen.

Neben der krankengymnastischen Behandlung des Hüftpatienten „im Trockenen zu Lande“ ist vor allem die therapeutisch geführte Balneotherapie ein wesentlicher Eckpfeiler der Rehabilitation. Allgemeine Ziele sind hier die Steigerung der Vitalkapazität sowie der Gesamtkörperdurchblutung; eine Wassertemperatur von etwa 34–36 °C wirkt detonisierend und hilft, muskuläre Kontrakturen abzubauen. Spezielle Übungen fördern die Mobilisation, die Koordination, die Ausdauer und schließlich auch die Kraftentfaltung der geschwächten oder durch einen operativen Eingriff vorübergehend geschädigten gelenkumspannenden Muskulatur.

Die Einzelbehandlung erfolgt vor allem in liegender Körperposition des Patienten, die Gruppentherapie im Stand, wobei verschiedene Hilfsmittel wie Ringe, Bälle, Reifen, Schwimmärmel, Flossen und schließlich auch Styropor-Stangen (sog. Aqua-Gym-Sticks) eingesetzt werden können. Diese Hilfsmittel dienen einerseits der Erleichterung gewisser Bewegungsabläufe, können aber auch, um gezielte Kraftübungen durchzuführen, erschwerend funktionieren.

Unterwassermassagen bzw. sonstige Druckstrahlmassagen sind im Rahmen der Balneotherapie frisch operierter Patienten nicht zu empfehlen, da die Gewebeausheilungsvorgänge zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen sind und hier einer Serom- bzw. einer Hämatombildung Vorschub geleistet werden könnte. Darüber hinaus ist eine direkte, teilweise nur ungenügend dosierbare Druckstrahlbehandlung für die intraoperativ abgelöste bzw. reinserierte Muskulatur in der frischen Phase der Rehabilitation oft mit erheblichen lokalen Beschwerden verbunden.

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