Übersichtsarbeiten - OUP 04/2024
Ultraschallgestützte perineurale Infiltration bei Meralgia paraesthetica
Lydia Lintner
Zusammenfassung:
Bei der Meralgia paraesthetica handelt es sich um eine Mononeuropathie des Nervus cutaneus femoris lateralis (NCFL), die durch die Symptome Brennschmerz, Parästhesie und gelegentlich gestörter Sudomotorik des anterolateralen Oberschenkels charakterisiert ist. Ursächlich hierfür sind aufgrund der anatomisch exponierten Lage häufig Druck- und Zugschädigungen unter dem Ligamentum inguinale. Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die lumbale Radikulopathie der Nervenwurzeln L2 und L3. Es existieren zahlreiche variable anatomische Verläufe, wodurch die Sonografie des Nervs oft erschwert wird. Die sonografische Darstellung des NCFL gelingt distal des Leistenbandes in einem fettzellengefüllten Raum zwischen dem Musculus sartorius und dem Musculus tensor fasciae latae. Als technische Voraussetzung sollte eine Hochfrequenz-Linearsonde vorhanden sein. Die Diagnose wird grundsätzlich auf Basis der Klinik gestellt. Bildgebende Verfahren, elektrophysiologische Untersuchungen oder diagnostische Nervenblockaden können ergänzt werden. Die Meralgia paraesthetica ist in vielen Fällen selbstlimitierend, jedoch kann sich eine chronische Schmerzerkrankung entwickeln, welche zu deutlichen Einschränkungen der Alltagsaktivitäten und einen hohen Leidensdruck führt. Therapeutische Maßnahmen beinhalten neben Medikamenten, perineuraler Lokalanästhetikuminfiltrationen, topischer Therapie und Physiotherapie ein multimodales Konzept. Bei Versagen der konservativen Therapie stehen chirurgische Verfahren zur Verfügung.
Schlüsselwörter:
Meralgia paraesthetica, Nervus cutaneus femoris lateralis, Engpasssyndrom, Mononeuropathie, sonografiegesteuerte perineurale Infiltration
Zitierweise:
Lintner L: Ultraschallgestützte perineurale Infiltration bei Meralgia paraesthetica
OUP 2024; 13: 172–178
DOI 10.3238/oup.2024.0172-0178
Summary: Meralgia paraesthetica is a mononeuropathy of the lateral femoral cutaneous nerve (LFCN), characterized by symptoms such as burning pain, paresthesia und occasionally impaired sudomotor function of the anterolateral thigh. This condition is often caused by compression or traction injuries due to the anatomically exposed location beneath the inguinal ligament. The primary differential diagnosis is lumbar radiculopathy of the L2 and L3 nerve roots. There are numerous variable anatomical courses, which can complicate ultrasound imaging of the nerve. The sonographic visualization of the LFCN is achieved distal to the inguinal ligament in a space filled with adipose tissue between the sartorius muscle and tensor fasciae latae muscle. As technical requirement, a high-frequency linear probe should be available. The diagnosis is primarily based on clinical presentation. Imaging studies, electrophysiological examinations, or diagnostic nerve blocks may be adjuncts. Meralgia paraesthetica is often self-limiting but can lead to chronic pain conditions in some cases, resulting in significant limitations in daily activities and a high degree of suffering. Therapeutic measures include medications, perineural local anesthetic infiltrations, topical therapy, and physiotherapy as part of a multimodal approach. Surgical procedures are available in cases where conservative therapy fails.
Keywords: Meralgia paraesthetica, lateral femoral cutaneous nerve, entrapment syndrome, mononeuropathy, ultrasound-guided perineural injection
Citation: Lintner L: Ultrasound guided perineural infiltration for Meralgia paraesthetica
OUP 2024; 13: 172–178. DOI 10.3238/oup.2024.0172-0178
Steigerwaldklinik Burgebrach
Einführung
Der Neuropathologe Martin Bernhardt wird in der Literatur als Erstbeschreiber der Meralgia paraesthetica (MP) genannt. Im Jahr 1878 sprach er von einer Neuritis des Nervus cutaneus femoris externus. Die Bezeichnung „Meralgia paraesthetica“ oder „Bernhardt-Roth-Syndrom“ geht auf ihn und den Neurologen Vladimir Karlovich Roth zurück und leitet sich aus dem Griechischen ab. Der Chirurg Dr. Werner Hager führte 1885 erstmals eine Neurektomie des Nervus cutaneus femoris lateralis (NCFL) durch [1–3].
Bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestand ein reges Interesse an der Erkrankung. Sogar Sigmund Freud berichtete darüber in seinen Schriften „über die Bernhardtschen Sensibilitätsstörungen am Oberschenkel“, ehe das Krankheitsbild ab der zweiten Hälfte mehr in Vergessenheit geriet. Es existieren keine nationalen Leitlinien für die MP, daher orientiert sich Diagnostik und Therapie an denen peripherer neuropathischer Schmerzen.
Hinsichtlich einer Geschlechterdominanz gibt es keinen einheitlichen Konsens. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr. Die Inzidenz der Erkrankung stieg seit den 90er Jahren wahrscheinlich parallel mit der Häufigkeit des metabolischen Syndroms an, wobei sie in verschiedenen Kohortenstudien zwischen 3,3 und 4,3 Fällen pro 10.000 Personen lag. Die MP ist in der klinischen Praxis somit keine Seltenheit [4].
Diagnostik
Die Diagnose der MP basiert in erster Linie auf der Anamnese und den klinischen Symptomen. Charakteristische Symptome der Erkrankung sind neuropathische Schmerzen am anterolateralen Oberschenkel, die als brennend, stechend und tief beschrieben werden (Plus-Symptomatik), begleitet von Parästhesien (Minus-Symptomatik). Muskuläre Defizite oder Reflexausfälle sind nicht zu erwarten, zumal es sich um eine Mononeuropathie eines Hautnervens handelt. Eine Schädigung des NCFL kann sich aufgrund der Tatsache, dass er von sympathischen Fasern begleitet wird, auch durch gestörte Vasomotorik, Sudomotorik und trophische Veränderungen in der betroffenen Hautregion äußern. Die Nervenschädigung kann sowohl proximal als auch distal des Leistenbandes auftreten und es kommen gelegentlich isolierte Neuropathien des Ramus anterius oder Ramus posterius vor.
Patientinnen und Patienten haben oft Schwierigkeiten, den Schmerz genau zu beschreiben, was zu einer Vielzahl von Differenzialdiagnosen wie Hüft-, Rücken- oder Leistenpathologien führen kann. Nicht selten wurde im Vorfeld eine breite diagnostische Abklärung betrieben. Schmerzen können durch Bewegung verstärkt werden, die zusätzlichen Zug oder Druck auf den geschädigten Nerv ausüben. Betroffene vermeiden instinktiv eine aufrechte Haltung und empfinden selbst leicht anliegende Kleidung als schmerzhaft.
Untersuchungstechniken
Ein klassisches Merkmal eines Engpasssyndroms ist das Auslösen eines Hoffmann-Tinel-Zeichens. Beim Beklopfen des NCFL leicht medial und 2 Fingerbreit distal der Spina iliaca inferior superior kann der beklagte Schmerz reproduziert werden. Eine weitere Untersuchungstechnik, der umgekehrte Lasègue-Test, sollte in die klinische Untersuchung integriert werden. Dabei liegt die Patientin/der Patient in Bauchlage, die Untersucherin/der Untersucher flektiert das Kniegelenk der betroffenen Seite passiv und führt simultan eine Überstreckung im Hüftgelenk durch. Dieses Manöver simuliert eine Zugwirkung auf den Nerv und kann bei einem positiven Test zu einer Verstärkung der Schmerzsymptome führen [5].
Differenzialdiagnosen
Bei ungewöhnlicher Symptomcharakteristik wie plötzlich auftretenden starken Schmerzen, begleitet von Rückenschmerzen oder Schwellung im betroffenen Bein, müssen differenzialdiagnostisch auch Pathologien entlang des Verlaufs des Nervs bis hin zu den Nervenwurzeln L2 und L3 in Betracht gezogen werden. Eine lumbale Radikulopathie der Nervenwurzeln L2 oder L3 ist die häufigste Differenzialdiagnose. Auch an abdominelle Tumoren, Entzündungen oder Lymphknotenschwellung mit Bedrängung der Nervenwurzeln oder Metastasen im Bereich der Crista iliaca mit Kompression des NCFL selbst sollte gedacht werden. Die Hüftgelenksarthrose vermag mitunter Symptome einer MP zu imitieren. Eine weitere seltene Differenzialdiagnose stellt die Mononeuritis dar, z.B. im Rahmen einer borrelienbedingten Radikulitis [6].
Weiterführende Diagnostik
Zur Ursachenforschung oberhalb des Leistenbandes wird eine MRT- oder CT-Bildgebung empfohlen. Die Fragestellung lautet hier Nervenwurzelaffektion oder tumorbedingte Kompression im Verlauf des NCFL. Eine präzise Aussage über den Nachweis einer Nervenschädigung dieses kleinen Nervens selbst kann, wenn überhaupt, nur die Neurosonografie distal des Leistenbandes erbringen. Ein pathologischer Befund wird dabei durch Messung der Nervenquerschnittsfläche im Vergleich zur gesunden Gegenseite erhoben, gelingt jedoch nur bei einem Drittel der Betroffenen [7, 8].
Eine fachneurologische Diagnosesicherung, unter anderem durch elektrophysiologische Diagnostik, ist im Rahmen einer interdisziplinären Herangehensweise sicherlich ratsam [9]. Auf weiterführende nicht-bildmorphologische Diagnostik wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen.
In der Literatur besteht weitgehender Konsens darüber, dass bei unklarer klinischer Symptomatik oder Anamnese eine diagnostische Nervenblockade durchgeführt werden sollte. Im Falle eines Ansprechens und einer Schmerzausschaltung für die Dauer des verwendeten Lokalanästhetikums gilt die Verdachtsdiagnose als bestätigt.
Pathomechanismen
Morphologische
Veränderungen
In der neurosonografischen Untersuchung eines geschädigten NCFL zeigen sich typischerweise folgende Befunde: ein spindelförmiges Aufquellen im Sinne einer gestörten Faszikelstruktur, Hypervaskularisation und Zunahme der Hypoechogenität. Ein charakteristischer Kalibersprung des Nervs tritt sowohl proximal als auch distal einer Kompression auf. Die Querschnittsfläche eines gesunden NCFL beträgt etwa 3 mm², während sie bei MP auf über 5 mm² ansteigen kann. Bei einer durch Druck oder Zug verursachten Schädigung im Rahmen einer MP zeigt der NCFL in der histopathologischen Untersuchung morphologische Merkmale einer Neuropraxie (Verlust der Myelinscheide bei intaktem Axon) und Axonotmesis (Schädigung des Axons bei intaktem Epi-, Peri- und Endoneurium), Entzündungsreaktionen und Bindegewebsvermehrung [10–12].
Verletzungsmechanismen
Die Ursache für das Auftreten einer MP wird in einer Kombination aus einerseits individueller anatomischer Prädisposition, andererseits im Vorhandensein eines Auslösers für eine MP verantwortlich gemacht. Das Engpasssyndrom gilt dabei als führender Pathomechanismus für das Entstehen der Mononeurophathie des NCFL. Dazu kommt es, während der Nerv unter das Ligamentum inguinale verläuft und hier wiederholten mechanischen Belastungen ausgesetzt ist, die zu Scherkräften und Dehnung führen. Risikofaktoren hierfür sind abdominale Adipositas, Schwangerschaft oder enge Kleidung. Eine weitere Ursache für Nervenschäden des NCFL stellt direkte externe Krafteinwirkung durch Kompression, bspw. während längerer Operationen in überstreckter Position oder Bauchlage dar. Auch infolge intensivmedizinischer Lagerungsmanöver bei Acute Respiratory Distress Syndrome oder schwerer COVID-19-Pneumonie sind Nervenschäden beschrieben. Seltener treten traumatische Verletzungen wie „seat-belt injuries“ nach Verkehrsunfällen auf. Tumorbedingte Kompressionen proximal des Leistenbandes können zur Bedrängung des NCFL führen, bspw. das abdominelle Liposarkom, Rhabdomyosarkom, Schwannom oder große Uterusmyome. Als iatrogene Ursachen einer MP sind etwa Hüft-Total-Endoprothesen-Operationen, Leistenhernien-Operationen, Knochenmarkpunktionen oder Beinlängenkorrekturen zu nennen. Sie stellen aufgrund der exponierten Lage des Nervs ein gewisses Risiko dar. Auch bei der Durchführung eines ultraschallgesteuerten Pericapsular Nerve Group Blocks (PENG-Block) zur Anästhesie im Rahmen von Hüftgelenksoperationen wurde das Lancieren des Nervs im Punktionsverlauf bei der In-plane-Technik beschrieben [13, 14].
Anatomie
Der NCFL ist ein eigenständiger, sensibler Nerv, der von efferenten sympathischen Fasern begleitet wird. Er entspringt dem Plexus lumbalis aus den Spinalsegmenten L2 und L3. Der Verlauf des NCFL führt entlang der hinteren lateralen Oberfläche des Musculus psoas major bis unterhalb der Crista iliaca, wo er die Fascia iliaca durchstößt, um an die ventrale Oberfläche des Musculus iliacus zu treten. Etwa einen Zentimeter medial der Spina iliaca anterior superior verläuft der Nerv in Richtung Hüfte und tritt unter das Ligamentum inguinale. Distal des Ligaments teilt sich der Nerv in 1 bis 2 Äste auf, den Ramus anterius und den Ramus posterius, welche klassischerweise parallel zum lateralen Rand des Musculus sartorius verlaufen. Im Bereich zwischen Musculus sartorius und Musculus tensor fasciae latae findet sich ein relativ konstanter Verlauf des NCFL in einem Tunnel aus Fettzellen unterhalb der Fascia lata. Der Ramus anterius innerviert die Haut des ventralen und lateralen Oberschenkels bis zum Knie, während das Innervationsgebiet des Ramus posterius vom Trochanter major bis zur proximalen Hälfte des lateralen Oberschenkels reicht [15, 16].
Variationen
Essenziell ist das Wissen darüber, dass im Verlauf des NCFL insbesondere auf 2 Höhen Variationen beschrieben sind. Diese können sowohl proximal als auch distal des Leistenbandes auftreten und erschweren mitunter das sonografisch gesteuerte Auffinden des Nervs deutlich.
Sectionsstudien belegen eine besonders hohe Variabilität des NCFL vom Ursprung des Plexus lumablis bis zum Eintritt ins Becken. Der Nerv kann mitunter aus verschiedenen Nervenwurzeln der Höhen L1 bis L3 entspringen und variable Verläufe in Bezug auf die ASIS oder die Crista iliaca sowie über oder durch das Ligamentum inguinale hindurch zeigen.
Variationen unterhalb des Leistenbandes sind deshalb besonders relevant, da sie sich in einer wichtigen sonoanatomischen Region befinden. Gelegentlich teilt sich der NCFL bereits vor dem Durchtritt durch das Ligamentum inguinale oder auf dessen Höhe in Äste auf. Äußerst selten nehmen die Äste einen Verlauf unter die Faszie oder direkt durch den Musculus sartorius auf unterschiedlichen Höhen und sind somit nicht wie zu erwarten, im fettgefüllten Areal zwischen Musculus sartorius und Musculus tensor fasciae latae zu finden.
Anastomosen mit anderen Nerven, wie dem Nervus femoralis oder dem Nervus genitofemoralis, sowie das gänzliche Fehlen des NCFL auf einer Körperseite sind weitere atypische Verlaufsformen. Im letzteren Fall übernehmen andere Nerven, wie der Nervus ilioinguinalis oder Äste des Nervus cutaneus femoris anterior die Funktion des eigentlich dem NCFL zugeschriebenen Dermatoms [17–19].
Es ist bekannt, dass Innervationsgebiete von Mensch zu Mensch erheblich variieren und nicht immer den in den Lehrbüchern beschriebenen Dermatomen entsprechen. So fanden Corujo et al. in einer klinischen Studie an gesunden Probanden nach ultraschallgesteuerter NCFL-Blockade erhebliche Unterschiede in den Anästhesiearealen. Es wurden dominante Versorgungsgebiete beobachtet, die sich über den gesamten anterioren bis distalen Oberschenkel, normalerweise ein Innervationsgebiet des Nervus femoralis, und sogar bis distal der Patella erstreckten. Aber auch nicht-dominante Versorgungsgebiete waren zu beobachten, welche wiederum nur winzige Hautareale des lateralen Oberschenkels umfassten [20].
Sonografie des NCFL
Landmarkengestützte
Lokalisation
Durch das Tasten der Spina iliaca anterior superior und das Ausmessen 3 Fingerbreit nach unten, leicht medial davon, gelangt man in die Grube zwischen den Musculus sartorius und den Musculus tensor fasciae latae. Wenn die Patientin/der Patient gleichzeitig das Bein leicht anhebt, wird diese Grube verdeutlicht. An dieser Stelle wird der Ultraschallkopf in transversaler Ausrichtung aufgesetzt. Die Nerven des NCFL verlaufen eingebettet in einen flachen Tunnel aus Fettgewebe, welcher sich zwischen den beiden Muskeln unterhalb der Fascia lata befindet. Der Tunnel ist sonografisch etwa 4 Fingerbreit, oder 10 Zentimeter, distal zur Spina iliaca anterior superior sonografisch am besten darstellbar [15].
Sonografiegestützte Lokalisation
Bei adipösen Patientinnen und Patienten ist häufig kein intermuskulärer Raum palpabel. In solchen Fällen wird empfohlen, den NCFL primär ultraschallgesteuert zu lokalisieren.
Hinsichtlich der optimalen Injektionshöhe des NCFL existieren mehrere Techniken. Wird eine Injektion unterhalb des Ligamentum inguinale gewählt, besteht die Gefahr, den Nervus femoralis mit zu anästhesieren. Eine weitere Möglichkeit ist, den Nerven im Verlauf an der Vorderseite des Muskulus sartorius zu blockieren. Letztere erweist sich allerdings als weniger zuverlässig, da der NCFL hier schwierig sonografisch zu lokalisieren ist. Die Injektionstechnik nach Nielsen, Moriggl, Barckman et al. findet im fettgewebegefüllten Tunnel zwischen dem Musculus sartorius und dem Musculus tensor fasciae latae statt [16]. Im Folgenden wird diese Technik zur Lokalisation des NCFL detaillierter beschrieben.
Als Ausgangsposition wird die Ultraschallsonde in transversaler Ausrichtung über der Spina iliaca anterior superior platziert. Die knöcherne Oberfläche führt zu einem hohen akustischen Impedanzunterschied, was sich in einer hyperechogenen Darstellung der Kortikalis im Ultraschallbild manifestiert. Konsekutiv kommt es zu einer kompletten Schallauslöschung der dahinterliegenden Strukturen. Die Spina iliaca anterior superior wird im nächsten Schritt so eingestellt, dass sie lateral im Ultraschallbild zu liegen kommt. In einem weiteren Schritt wird die Sonde langsam wenige Zentimeter nach distal verschoben, bis der Musculus sartorius in seiner typischen Dreiecksform sichtbar wird. Der Nerv verläuft klassischerweise an dessen Oberfläche vom medialen Richtung lateralen Rand. Durch optimale Einstellung der Sonde (vorsichtige Kippbewegungen) wird der muskuläre Raum zwischen Musculus sartorius (medial) und dem Musculus tensor fasciae latae (lateral) sichtbar (Abb. 1, 2). Dieser fettgewebegefüllte Tunnel ermöglicht eine gute Kontrastierung des Nervs, der sich hier meist bereits in anteriore und posteriore Äste aufgeteilt hat. Die Äste des NCFL erscheinen sonografisch als ovale, hyperechogene Strukturen von etwa 1–2 mm Größe und im Inneren stellen sich mehrere kleine Faszikel dar. Der Umstand der Anisotropie kann es erforderlich machen, den Schallkopf vorsichtig zu kippen, um ein optimales Ultraschallbild zu erhalten. In einem letzten Untersuchungsschritt erfolgt die dynamische Untersuchung des Nervs, indem die Sonde sowohl in kaudale als auch kraniale Richtung verschoben wird. Grund dafür ist, dass man gelegentlich bei der Identifizierung kleiner Nerven einer Täuschung unterliegt, die durch eine dynamische Untersuchung aufgedeckt wird. Denn wenn sich ein vermeintlich dargestellter Nerv in kaudaler oder kranialer Richtung verliert, muss von einer anderen Struktur ausgegangen werden.
Eine detaillierte Visualisierung der Längsstruktur des NCFL wird durch einen weiteren Untersuchungsschritt ermöglicht (Abb. 3, 4). Dabei wird der Nerv in der kurzen Achse (short axis) exakt in der Mitte des Ultraschallbildes positioniert. Die Sonde wird dann sehr vorsichtig um 90 Grad gedreht, während die Zielstruktur in der Mitte des Bildes gehalten wird. Ziel ist es, den NCFL in der langen Achse (long axis) darzustellen. Klassischerweise zeigt sich im Ultraschallbild eine gestreifte Struktur mit feinen, abwechselnd hypo- und hyperechogenen „Bändern“, die den längs verlaufenen Nervenfaszikeln entsprechen. Zu beachten ist, dass generell eine Verwechslungsgefahr mit Sehnen besteht, da sie sich ähnlich kontrastieren können.
Perineurale Injektion
Sonografiegesteuerte
Injektionstechnik
Als Injektionsort sollte der weiter oben beschriebene intermuskuläre Raum gewählt werden, welcher einen zuverlässigen Verlauf des NCFL und seiner Äste verspricht. Hinsichtlich der Punktionstechnik in Bezug auf den Schallkopf kann entweder die In-Plane- oder Out-of-Plane-Technik angewendet werden. Der Vorteil der Out-of-Plane-Technik liegt im kürzeren Weg bis zur Zielstruktur, erfordert jedoch gute Sonografieskills. Es empfiehlt sich außerdem die Verwendung des Power-Dopplers zur Identifizierung und Vermeidung umliegender Gefäße (Abb. 5, 6) [21, 22].
Für eine sichere und präzise perineuralen Injektion des NCFL wird eine lineare Hochfrequenzsonde mit einer Mindestfrequenz von 15 MHz als technische Anforderung an das Ultraschallgerät empfohlen. Der Nerv befindet sich bei Normalgewichtigen sehr oberflächlich, in einer Tiefe von etwa 1–2 cm.
Eine geeignete Nadel für die Injektion stellt eine 50 mm lange 22 Gauge Single-Shot-Kanüle dar. Die Verwendung einer Dual Guidance mittels Nervenstimulation kann in Betracht gezogen werden, ist jedoch in der klinischen Praxis wahrscheinlich vernachlässigbar.
Abhängig vom Diagnose- oder Therapieziel empfiehlt sich die Injektion von wenigen Millilitern eines Lokalanästhetikums und eventuell das Hinzunehmen eines Glucocorticoids. In unserer Praxis hat sich für diagnostischen Blockaden die Verwendung von 1–2 ml des kurzwirksamen Mepivacain 1 % und für therapeutischen Blockaden die Verwendung von 1–2 ml des länger wirksamen Bupivacains 0,5 % plus Triamcinolon 20 mg etabliert.
Für periphere, oberflächliche Nervenblockaden wird in Einklang mit der gültigen S1-Leitlinie „Regionalanästhesie bei ambulanten Patienten – Empfehlungen zur Durchführung“ ein normales Blutungsrisiko angenommen, sodass für die perineurale Injektion des NCFL keine Pausierung der gerinnungshemmenden Medikation erforderlich ist. Eine möglichst atraumatische Punktion mit einer einzigen Hautinzision ist in solchen Fällen wichtig (Abb. 5, 6) [23].
Hygieneanforderungen
Die Leitlinie „Hygieneempfehlungen für die Regionalanästhesie“, zuletzt im Jahr 2015 aktualisiert und basierend auf den Vorgaben der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert Koch-Instituts, gilt als Standard für Hygieneanforderungen in der Regionalanästhesie. Diese Leitlinie behandelt verschiedene Aspekte wie die Anforderung an die Räumlichkeiten, die Hygienepraktiken der Behandler, der Patientenvorbereitung, den Umgang mit Medikamenten und Materialien sowie das Erkennen von Infektionszeichen. Im Rahmen dieses Artikels ist insbesondere der Umgang mit ultraschallgesteuerten Punktionen relevant. Eine sorgfältige Hautdesinfektion mit ausreichender Einwirkzeit (in der Regel 2 Minuten) und das Verwenden eines sterilen Lochtuchs muss laut Leitlinie eingehalten werden. Der Ultraschallkopf muss in eine sterile Hülle eingeschlossen und für den Hautkontakt steriles Ultraschallgel oder alternativ geeignetes Hautdesinfektionsspray verwendet werden. Bezüglich Punktionsnadeln sind nur Einmalartikel erlaubt [24].
Therapie
In den meisten Fällen führt eine konservative Behandlung bei MP zu einer deutlichen Linderung der Symptome. Es besteht eine hohe Spontanheilungsrate. Für chronische Verläufe wird ein ursachenorientiertes Vorgehen empfohlen. Dies trifft insbesondere auf primäre Ursachen zu, wie lumbale Radikulopathie, Kompression des NCFL durch Tumore oder entzündliche Pathogenese. Etwa beim Vorliegen einer Adipositas oder dem Tragen sehr enger Kleidung oder Gürtel ist eine Lifestyleveränderung für die Patientin/den Patienten ratsam.
Medikamentös
Die medikamentösen Ansatzpunkte für die Behandlung der MP entsprechen im Wesentlichen der Therapie neuropathischer Schmerzen. Nichtsteroidale Antirheumatika sind aufgrund möglicher Kontraindikationen bei bestehender Komorbidität häufig nicht geeignet. Trizyklische Antidepressiva, Gabapentin oder Pregabalin werden in ausreichend hoher Dosierung zur Therapie von Mononeuropathien eingesetzt. In bestimmten Fällen kann getestet werden, ob eine Opioidsensibilität vorliegt. Präparate mit pharmakologisch zusätzlich noradrenerger bzw. serotonerger Wiederaufnahmehemmung auf deszendierende Schmerzbahnen sollten bevorzugt eingesetzt werden wie bspw. Tramadol oder Tapentadol. Stark wirksame Opioide können im Einzelfall ebenfalls ihre Berechtigung haben.
Als weitere Therapieoption stehen bei ausgereizter leitliniengerechter medikamentöser Versuche Cannabinoide als Off-Label-Therapie innerhalb eines multimodalen Konzeptes zur Verfügung, wobei ein Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse gestellt werden muss [25].
Therapeutische
Lokalanästhesie
Infolge einer wirkungsvollen diagnostischen Blockade kann eine therapeutische Blockadeserie in Betracht gezogen werden. Bezüglich der Häufigkeit und der zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Blockaden besteht kein klarer Konsens in der Literatur. Eine Serie von 3–5 Blockaden, bei denen nur wenige Milliliter Lokalanästhetikum und ein Kortikoid injiziert werden, hat sich bewährt [26].
Topisch
Eine topische Therapie kann bei MP und ausgeprägtem Brennschmerz in Betracht gezogen werden. Systemische Nebenwirkungen sind praktisch nicht zu erwarten. Zwei mögliche Optionen für die topische Behandlung sind das 5-prozentige Lidocain-Pflaster mit 700 mg Lidocain pro Pflaster, das jedoch für die Postzosterneuralgie zugelassen ist und somit einem Off-Label-Use entspricht, sowie das Capsaicin-Pflaster mit 179 mg Capsaicin pro Pflaster, das für periphere neuropathische Schmerzen zugelassen ist. Placeboeffekte sollten unterstützt (Hinweis auf hohe Kosten des Medikaments), Noceboeffekte (negative Erwartungen bezüglich möglicher Nebenwirkungen) vermieden werden [27].
Weitere Therapieoptionen
Manualtherapie und Physiotherapie sind weitere wesentliche unterstützende Maßnahmen in einem multimodalen Therapiekonzept. Dabei werden den Betroffenen gezielte Dehnübungen, Faszientraining und Muskelkräftigung demonstriert, die als Eigenübung fortgesetzt werden sollen.
Als Drittlinientherapie ist bei peripheren neuropathischen Schmerzen die intradermale oder subkutane Botulinum-Neurotoxin-A-Injektion zu erwähnen, wobei in Deutschland keine Zulassung für eine Indikation bei MP besteht [28].
Die Therapie des NCFL mittels gepulster Radiofrequenztherapie wurde vereinzelt in der Literatur berichtet. Aufgrund des bisherigen Fehlens großer Studien bleibt diese Möglichkeit sicherlich therapierefraktären Einzelfällen und speziellen Zentren vorbehalten [29].
Bei therapierefraktären Fällen besteht eine Indikation zur chirurgischen Intervention. Dabei kommen verschiedene Verfahren wie Neurolyse, Transposition oder Durchtrennung des Nervs zur Anwendung. In Deutschland wird die operative Therapie nur noch selten durchgeführt [30].
Ein multimodaler Therapieansatz gilt heute als allgemein anerkannt im Umgang mit chronischen Schmerzpatientinnen und -patienten. Durch die Verwendung standardisierter Schmerzfragebögen können psychobehaviorale Verstärker im Sinne schmerzunterhaltender Faktoren, auch als „yellow flags“ bezeichnet, identifiziert werden. Auf dieser Grundlage kann das Angebot einer begleitenden Psychotherapie vermittelt werden. Sollte sich das Beschwerdebild im weiteren Verlauf trotz umfangreicher ambulanter Therapie als therapierefraktär erweisen, steht der Patientin/dem Patienten eine stationäre multimodale Schmerztherapie zu.
Prognose
Vergleichbar mit anderen Mononeuropathien ist die Effektivität einer Therapie in einem frühen Krankheitsstadium als erfolgreich anzusehen. Bei weit fortgeschrittener Chronifizierung wird die Beeinflussbarkeit durch Therapiemaßnahmen deutlich abnehmen, ein in der klinischen Praxis leider allzu oft beobachtetes Dilemma. Dieser Umstand unterstreicht die Wichtigkeit, Betroffene mit MP rechtzeitig den Fachgruppen Orthopädie, Neurologie oder spezielle Schmerztherapie vorzustellen, um Langzeitschäden für die Patientin/den Patienten abzuwenden.
Interessenkonflikte:
Keine angegeben.
Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Lydia Lintner
Steigerwaldklinik Burgebrach
Am Eichelberg 1
96138 Burgebrach
l.lintner@gkg-bamberg.de