Übersichtsarbeiten - OUP 04/2024
Ultraschallgestützte perineurale Infiltration bei Meralgia paraesthetica
Für eine sichere und präzise perineuralen Injektion des NCFL wird eine lineare Hochfrequenzsonde mit einer Mindestfrequenz von 15 MHz als technische Anforderung an das Ultraschallgerät empfohlen. Der Nerv befindet sich bei Normalgewichtigen sehr oberflächlich, in einer Tiefe von etwa 1–2 cm.
Eine geeignete Nadel für die Injektion stellt eine 50 mm lange 22 Gauge Single-Shot-Kanüle dar. Die Verwendung einer Dual Guidance mittels Nervenstimulation kann in Betracht gezogen werden, ist jedoch in der klinischen Praxis wahrscheinlich vernachlässigbar.
Abhängig vom Diagnose- oder Therapieziel empfiehlt sich die Injektion von wenigen Millilitern eines Lokalanästhetikums und eventuell das Hinzunehmen eines Glucocorticoids. In unserer Praxis hat sich für diagnostischen Blockaden die Verwendung von 1–2 ml des kurzwirksamen Mepivacain 1 % und für therapeutischen Blockaden die Verwendung von 1–2 ml des länger wirksamen Bupivacains 0,5 % plus Triamcinolon 20 mg etabliert.
Für periphere, oberflächliche Nervenblockaden wird in Einklang mit der gültigen S1-Leitlinie „Regionalanästhesie bei ambulanten Patienten – Empfehlungen zur Durchführung“ ein normales Blutungsrisiko angenommen, sodass für die perineurale Injektion des NCFL keine Pausierung der gerinnungshemmenden Medikation erforderlich ist. Eine möglichst atraumatische Punktion mit einer einzigen Hautinzision ist in solchen Fällen wichtig (Abb. 5, 6) [23].
Hygieneanforderungen
Die Leitlinie „Hygieneempfehlungen für die Regionalanästhesie“, zuletzt im Jahr 2015 aktualisiert und basierend auf den Vorgaben der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert Koch-Instituts, gilt als Standard für Hygieneanforderungen in der Regionalanästhesie. Diese Leitlinie behandelt verschiedene Aspekte wie die Anforderung an die Räumlichkeiten, die Hygienepraktiken der Behandler, der Patientenvorbereitung, den Umgang mit Medikamenten und Materialien sowie das Erkennen von Infektionszeichen. Im Rahmen dieses Artikels ist insbesondere der Umgang mit ultraschallgesteuerten Punktionen relevant. Eine sorgfältige Hautdesinfektion mit ausreichender Einwirkzeit (in der Regel 2 Minuten) und das Verwenden eines sterilen Lochtuchs muss laut Leitlinie eingehalten werden. Der Ultraschallkopf muss in eine sterile Hülle eingeschlossen und für den Hautkontakt steriles Ultraschallgel oder alternativ geeignetes Hautdesinfektionsspray verwendet werden. Bezüglich Punktionsnadeln sind nur Einmalartikel erlaubt [24].
Therapie
In den meisten Fällen führt eine konservative Behandlung bei MP zu einer deutlichen Linderung der Symptome. Es besteht eine hohe Spontanheilungsrate. Für chronische Verläufe wird ein ursachenorientiertes Vorgehen empfohlen. Dies trifft insbesondere auf primäre Ursachen zu, wie lumbale Radikulopathie, Kompression des NCFL durch Tumore oder entzündliche Pathogenese. Etwa beim Vorliegen einer Adipositas oder dem Tragen sehr enger Kleidung oder Gürtel ist eine Lifestyleveränderung für die Patientin/den Patienten ratsam.
Medikamentös
Die medikamentösen Ansatzpunkte für die Behandlung der MP entsprechen im Wesentlichen der Therapie neuropathischer Schmerzen. Nichtsteroidale Antirheumatika sind aufgrund möglicher Kontraindikationen bei bestehender Komorbidität häufig nicht geeignet. Trizyklische Antidepressiva, Gabapentin oder Pregabalin werden in ausreichend hoher Dosierung zur Therapie von Mononeuropathien eingesetzt. In bestimmten Fällen kann getestet werden, ob eine Opioidsensibilität vorliegt. Präparate mit pharmakologisch zusätzlich noradrenerger bzw. serotonerger Wiederaufnahmehemmung auf deszendierende Schmerzbahnen sollten bevorzugt eingesetzt werden wie bspw. Tramadol oder Tapentadol. Stark wirksame Opioide können im Einzelfall ebenfalls ihre Berechtigung haben.
Als weitere Therapieoption stehen bei ausgereizter leitliniengerechter medikamentöser Versuche Cannabinoide als Off-Label-Therapie innerhalb eines multimodalen Konzeptes zur Verfügung, wobei ein Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse gestellt werden muss [25].
Therapeutische
Lokalanästhesie
Infolge einer wirkungsvollen diagnostischen Blockade kann eine therapeutische Blockadeserie in Betracht gezogen werden. Bezüglich der Häufigkeit und der zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Blockaden besteht kein klarer Konsens in der Literatur. Eine Serie von 3–5 Blockaden, bei denen nur wenige Milliliter Lokalanästhetikum und ein Kortikoid injiziert werden, hat sich bewährt [26].
Topisch
Eine topische Therapie kann bei MP und ausgeprägtem Brennschmerz in Betracht gezogen werden. Systemische Nebenwirkungen sind praktisch nicht zu erwarten. Zwei mögliche Optionen für die topische Behandlung sind das 5-prozentige Lidocain-Pflaster mit 700 mg Lidocain pro Pflaster, das jedoch für die Postzosterneuralgie zugelassen ist und somit einem Off-Label-Use entspricht, sowie das Capsaicin-Pflaster mit 179 mg Capsaicin pro Pflaster, das für periphere neuropathische Schmerzen zugelassen ist. Placeboeffekte sollten unterstützt (Hinweis auf hohe Kosten des Medikaments), Noceboeffekte (negative Erwartungen bezüglich möglicher Nebenwirkungen) vermieden werden [27].
Weitere Therapieoptionen
Manualtherapie und Physiotherapie sind weitere wesentliche unterstützende Maßnahmen in einem multimodalen Therapiekonzept. Dabei werden den Betroffenen gezielte Dehnübungen, Faszientraining und Muskelkräftigung demonstriert, die als Eigenübung fortgesetzt werden sollen.
Als Drittlinientherapie ist bei peripheren neuropathischen Schmerzen die intradermale oder subkutane Botulinum-Neurotoxin-A-Injektion zu erwähnen, wobei in Deutschland keine Zulassung für eine Indikation bei MP besteht [28].
Die Therapie des NCFL mittels gepulster Radiofrequenztherapie wurde vereinzelt in der Literatur berichtet. Aufgrund des bisherigen Fehlens großer Studien bleibt diese Möglichkeit sicherlich therapierefraktären Einzelfällen und speziellen Zentren vorbehalten [29].
Bei therapierefraktären Fällen besteht eine Indikation zur chirurgischen Intervention. Dabei kommen verschiedene Verfahren wie Neurolyse, Transposition oder Durchtrennung des Nervs zur Anwendung. In Deutschland wird die operative Therapie nur noch selten durchgeführt [30].
Ein multimodaler Therapieansatz gilt heute als allgemein anerkannt im Umgang mit chronischen Schmerzpatientinnen und -patienten. Durch die Verwendung standardisierter Schmerzfragebögen können psychobehaviorale Verstärker im Sinne schmerzunterhaltender Faktoren, auch als „yellow flags“ bezeichnet, identifiziert werden. Auf dieser Grundlage kann das Angebot einer begleitenden Psychotherapie vermittelt werden. Sollte sich das Beschwerdebild im weiteren Verlauf trotz umfangreicher ambulanter Therapie als therapierefraktär erweisen, steht der Patientin/dem Patienten eine stationäre multimodale Schmerztherapie zu.