Übersichtsarbeiten - OUP 04/2024
Ultraschallgestützte perineurale Infiltration bei Meralgia paraesthetica
Variationen unterhalb des Leistenbandes sind deshalb besonders relevant, da sie sich in einer wichtigen sonoanatomischen Region befinden. Gelegentlich teilt sich der NCFL bereits vor dem Durchtritt durch das Ligamentum inguinale oder auf dessen Höhe in Äste auf. Äußerst selten nehmen die Äste einen Verlauf unter die Faszie oder direkt durch den Musculus sartorius auf unterschiedlichen Höhen und sind somit nicht wie zu erwarten, im fettgefüllten Areal zwischen Musculus sartorius und Musculus tensor fasciae latae zu finden.
Anastomosen mit anderen Nerven, wie dem Nervus femoralis oder dem Nervus genitofemoralis, sowie das gänzliche Fehlen des NCFL auf einer Körperseite sind weitere atypische Verlaufsformen. Im letzteren Fall übernehmen andere Nerven, wie der Nervus ilioinguinalis oder Äste des Nervus cutaneus femoris anterior die Funktion des eigentlich dem NCFL zugeschriebenen Dermatoms [17–19].
Es ist bekannt, dass Innervationsgebiete von Mensch zu Mensch erheblich variieren und nicht immer den in den Lehrbüchern beschriebenen Dermatomen entsprechen. So fanden Corujo et al. in einer klinischen Studie an gesunden Probanden nach ultraschallgesteuerter NCFL-Blockade erhebliche Unterschiede in den Anästhesiearealen. Es wurden dominante Versorgungsgebiete beobachtet, die sich über den gesamten anterioren bis distalen Oberschenkel, normalerweise ein Innervationsgebiet des Nervus femoralis, und sogar bis distal der Patella erstreckten. Aber auch nicht-dominante Versorgungsgebiete waren zu beobachten, welche wiederum nur winzige Hautareale des lateralen Oberschenkels umfassten [20].
Sonografie des NCFL
Landmarkengestützte
Lokalisation
Durch das Tasten der Spina iliaca anterior superior und das Ausmessen 3 Fingerbreit nach unten, leicht medial davon, gelangt man in die Grube zwischen den Musculus sartorius und den Musculus tensor fasciae latae. Wenn die Patientin/der Patient gleichzeitig das Bein leicht anhebt, wird diese Grube verdeutlicht. An dieser Stelle wird der Ultraschallkopf in transversaler Ausrichtung aufgesetzt. Die Nerven des NCFL verlaufen eingebettet in einen flachen Tunnel aus Fettgewebe, welcher sich zwischen den beiden Muskeln unterhalb der Fascia lata befindet. Der Tunnel ist sonografisch etwa 4 Fingerbreit, oder 10 Zentimeter, distal zur Spina iliaca anterior superior sonografisch am besten darstellbar [15].
Sonografiegestützte Lokalisation
Bei adipösen Patientinnen und Patienten ist häufig kein intermuskulärer Raum palpabel. In solchen Fällen wird empfohlen, den NCFL primär ultraschallgesteuert zu lokalisieren.
Hinsichtlich der optimalen Injektionshöhe des NCFL existieren mehrere Techniken. Wird eine Injektion unterhalb des Ligamentum inguinale gewählt, besteht die Gefahr, den Nervus femoralis mit zu anästhesieren. Eine weitere Möglichkeit ist, den Nerven im Verlauf an der Vorderseite des Muskulus sartorius zu blockieren. Letztere erweist sich allerdings als weniger zuverlässig, da der NCFL hier schwierig sonografisch zu lokalisieren ist. Die Injektionstechnik nach Nielsen, Moriggl, Barckman et al. findet im fettgewebegefüllten Tunnel zwischen dem Musculus sartorius und dem Musculus tensor fasciae latae statt [16]. Im Folgenden wird diese Technik zur Lokalisation des NCFL detaillierter beschrieben.
Als Ausgangsposition wird die Ultraschallsonde in transversaler Ausrichtung über der Spina iliaca anterior superior platziert. Die knöcherne Oberfläche führt zu einem hohen akustischen Impedanzunterschied, was sich in einer hyperechogenen Darstellung der Kortikalis im Ultraschallbild manifestiert. Konsekutiv kommt es zu einer kompletten Schallauslöschung der dahinterliegenden Strukturen. Die Spina iliaca anterior superior wird im nächsten Schritt so eingestellt, dass sie lateral im Ultraschallbild zu liegen kommt. In einem weiteren Schritt wird die Sonde langsam wenige Zentimeter nach distal verschoben, bis der Musculus sartorius in seiner typischen Dreiecksform sichtbar wird. Der Nerv verläuft klassischerweise an dessen Oberfläche vom medialen Richtung lateralen Rand. Durch optimale Einstellung der Sonde (vorsichtige Kippbewegungen) wird der muskuläre Raum zwischen Musculus sartorius (medial) und dem Musculus tensor fasciae latae (lateral) sichtbar (Abb. 1, 2). Dieser fettgewebegefüllte Tunnel ermöglicht eine gute Kontrastierung des Nervs, der sich hier meist bereits in anteriore und posteriore Äste aufgeteilt hat. Die Äste des NCFL erscheinen sonografisch als ovale, hyperechogene Strukturen von etwa 1–2 mm Größe und im Inneren stellen sich mehrere kleine Faszikel dar. Der Umstand der Anisotropie kann es erforderlich machen, den Schallkopf vorsichtig zu kippen, um ein optimales Ultraschallbild zu erhalten. In einem letzten Untersuchungsschritt erfolgt die dynamische Untersuchung des Nervs, indem die Sonde sowohl in kaudale als auch kraniale Richtung verschoben wird. Grund dafür ist, dass man gelegentlich bei der Identifizierung kleiner Nerven einer Täuschung unterliegt, die durch eine dynamische Untersuchung aufgedeckt wird. Denn wenn sich ein vermeintlich dargestellter Nerv in kaudaler oder kranialer Richtung verliert, muss von einer anderen Struktur ausgegangen werden.
Eine detaillierte Visualisierung der Längsstruktur des NCFL wird durch einen weiteren Untersuchungsschritt ermöglicht (Abb. 3, 4). Dabei wird der Nerv in der kurzen Achse (short axis) exakt in der Mitte des Ultraschallbildes positioniert. Die Sonde wird dann sehr vorsichtig um 90 Grad gedreht, während die Zielstruktur in der Mitte des Bildes gehalten wird. Ziel ist es, den NCFL in der langen Achse (long axis) darzustellen. Klassischerweise zeigt sich im Ultraschallbild eine gestreifte Struktur mit feinen, abwechselnd hypo- und hyperechogenen „Bändern“, die den längs verlaufenen Nervenfaszikeln entsprechen. Zu beachten ist, dass generell eine Verwechslungsgefahr mit Sehnen besteht, da sie sich ähnlich kontrastieren können.
Perineurale Injektion
Sonografiegesteuerte
Injektionstechnik
Als Injektionsort sollte der weiter oben beschriebene intermuskuläre Raum gewählt werden, welcher einen zuverlässigen Verlauf des NCFL und seiner Äste verspricht. Hinsichtlich der Punktionstechnik in Bezug auf den Schallkopf kann entweder die In-Plane- oder Out-of-Plane-Technik angewendet werden. Der Vorteil der Out-of-Plane-Technik liegt im kürzeren Weg bis zur Zielstruktur, erfordert jedoch gute Sonografieskills. Es empfiehlt sich außerdem die Verwendung des Power-Dopplers zur Identifizierung und Vermeidung umliegender Gefäße (Abb. 5, 6) [21, 22].