Übersichtsarbeiten - OUP 04/2024

Ultraschallgestützte perineurale Infiltration bei Meralgia paraesthetica

Lydia Lintner

Zusammenfassung:
Bei der Meralgia paraesthetica handelt es sich um eine Mononeuropathie des Nervus cutaneus femoris lateralis (NCFL), die durch die Symptome Brennschmerz, Parästhesie und gelegentlich gestörter Sudomotorik des anterolateralen Oberschenkels charakterisiert ist. Ursächlich hierfür sind aufgrund der anatomisch exponierten Lage häufig Druck- und Zugschädigungen unter dem Ligamentum inguinale. Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die lumbale Radikulopathie der Nervenwurzeln L2 und L3. Es existieren zahlreiche variable anatomische Verläufe, wodurch die Sonografie des Nervs oft erschwert wird. Die sonografische Darstellung des NCFL gelingt distal des Leistenbandes in einem fettzellengefüllten Raum zwischen dem Musculus sartorius und dem Musculus tensor fasciae latae. Als technische Voraussetzung sollte eine Hochfrequenz-Linearsonde vorhanden sein. Die Diagnose wird grundsätzlich auf Basis der Klinik gestellt. Bildgebende Verfahren, elektrophysiologische Untersuchungen oder diagnostische Nervenblockaden können ergänzt werden. Die Meralgia paraesthetica ist in vielen Fällen selbstlimitierend, jedoch kann sich eine chronische Schmerzerkrankung entwickeln, welche zu deutlichen Einschränkungen der Alltagsaktivitäten und einen hohen Leidensdruck führt. Therapeutische Maßnahmen beinhalten neben Medikamenten, perineuraler Lokalanästhetikuminfiltrationen, topischer Therapie und Physiotherapie ein multimodales Konzept. Bei Versagen der konservativen Therapie stehen chirurgische Verfahren zur Verfügung.

Schlüsselwörter:
Meralgia paraesthetica, Nervus cutaneus femoris lateralis, Engpasssyndrom, Mononeuropathie, sonografiegesteuerte perineurale Infiltration

Zitierweise:
Lintner L: Ultraschallgestützte perineurale Infiltration bei Meralgia paraesthetica
OUP 2024; 13: 172–178
DOI 10.3238/oup.2024.0172-0178

Summary: Meralgia paraesthetica is a mononeuropathy of the lateral femoral cutaneous nerve (LFCN), characterized by symptoms such as burning pain, paresthesia und occasionally impaired sudomotor function of the anterolateral thigh. This condition is often caused by compression or traction injuries due to the anatomically exposed location beneath the inguinal ligament. The primary differential diagnosis is lumbar radiculopathy of the L2 and L3 nerve roots. There are numerous variable anatomical courses, which can complicate ultrasound imaging of the nerve. The sonographic visualization of the LFCN is achieved distal to the inguinal ligament in a space filled with adipose tissue between the sartorius muscle and tensor fasciae latae muscle. As technical requirement, a high-frequency linear probe should be available. The diagnosis is primarily based on clinical presentation. Imaging studies, electrophysiological examinations, or diagnostic nerve blocks may be adjuncts. Meralgia paraesthetica is often self-limiting but can lead to chronic pain conditions in some cases, resulting in significant limitations in daily activities and a high degree of suffering. Therapeutic measures include medications, perineural local anesthetic infiltrations, topical therapy, and physiotherapy as part of a multimodal approach. Surgical procedures are available in cases where conservative therapy fails.

Keywords: Meralgia paraesthetica, lateral femoral cutaneous nerve, entrapment syndrome, mononeuropathy, ultrasound-guided perineural injection

Citation: Lintner L: Ultrasound guided perineural infiltration for Meralgia paraesthetica
OUP 2024; 13: 172–178. DOI 10.3238/oup.2024.0172-0178

Steigerwaldklinik Burgebrach

Einführung

Der Neuropathologe Martin Bernhardt wird in der Literatur als Erstbeschreiber der Meralgia paraesthetica (MP) genannt. Im Jahr 1878 sprach er von einer Neuritis des Nervus cutaneus femoris externus. Die Bezeichnung „Meralgia paraesthetica“ oder „Bernhardt-Roth-Syndrom“ geht auf ihn und den Neurologen Vladimir Karlovich Roth zurück und leitet sich aus dem Griechischen ab. Der Chirurg Dr. Werner Hager führte 1885 erstmals eine Neurektomie des Nervus cutaneus femoris lateralis (NCFL) durch [1–3].

Bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestand ein reges Interesse an der Erkrankung. Sogar Sigmund Freud berichtete darüber in seinen Schriften „über die Bernhardtschen Sensibilitätsstörungen am Oberschenkel“, ehe das Krankheitsbild ab der zweiten Hälfte mehr in Vergessenheit geriet. Es existieren keine nationalen Leitlinien für die MP, daher orientiert sich Diagnostik und Therapie an denen peripherer neuropathischer Schmerzen.

Hinsichtlich einer Geschlechterdominanz gibt es keinen einheitlichen Konsens. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr. Die Inzidenz der Erkrankung stieg seit den 90er Jahren wahrscheinlich parallel mit der Häufigkeit des metabolischen Syndroms an, wobei sie in verschiedenen Kohortenstudien zwischen 3,3 und 4,3 Fällen pro 10.000 Personen lag. Die MP ist in der klinischen Praxis somit keine Seltenheit [4].

Diagnostik

Die Diagnose der MP basiert in erster Linie auf der Anamnese und den klinischen Symptomen. Charakteristische Symptome der Erkrankung sind neuropathische Schmerzen am anterolateralen Oberschenkel, die als brennend, stechend und tief beschrieben werden (Plus-Symptomatik), begleitet von Parästhesien (Minus-Symptomatik). Muskuläre Defizite oder Reflexausfälle sind nicht zu erwarten, zumal es sich um eine Mononeuropathie eines Hautnervens handelt. Eine Schädigung des NCFL kann sich aufgrund der Tatsache, dass er von sympathischen Fasern begleitet wird, auch durch gestörte Vasomotorik, Sudomotorik und trophische Veränderungen in der betroffenen Hautregion äußern. Die Nervenschädigung kann sowohl proximal als auch distal des Leistenbandes auftreten und es kommen gelegentlich isolierte Neuropathien des Ramus anterius oder Ramus posterius vor.

Patientinnen und Patienten haben oft Schwierigkeiten, den Schmerz genau zu beschreiben, was zu einer Vielzahl von Differenzialdiagnosen wie Hüft-, Rücken- oder Leistenpathologien führen kann. Nicht selten wurde im Vorfeld eine breite diagnostische Abklärung betrieben. Schmerzen können durch Bewegung verstärkt werden, die zusätzlichen Zug oder Druck auf den geschädigten Nerv ausüben. Betroffene vermeiden instinktiv eine aufrechte Haltung und empfinden selbst leicht anliegende Kleidung als schmerzhaft.

Untersuchungstechniken

Ein klassisches Merkmal eines Engpasssyndroms ist das Auslösen eines Hoffmann-Tinel-Zeichens. Beim Beklopfen des NCFL leicht medial und 2 Fingerbreit distal der Spina iliaca inferior superior kann der beklagte Schmerz reproduziert werden. Eine weitere Untersuchungstechnik, der umgekehrte Lasègue-Test, sollte in die klinische Untersuchung integriert werden. Dabei liegt die Patientin/der Patient in Bauchlage, die Untersucherin/der Untersucher flektiert das Kniegelenk der betroffenen Seite passiv und führt simultan eine Überstreckung im Hüftgelenk durch. Dieses Manöver simuliert eine Zugwirkung auf den Nerv und kann bei einem positiven Test zu einer Verstärkung der Schmerzsymptome führen [5].

Differenzialdiagnosen

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