Übersichtsarbeiten - OUP 03/2025

Die infizierte Schulterprothese
Wie ermöglichen wir eine sichere Diagnostik und Therapie?

Akuter, postoperativer Infekt

Akute Infekte entstehen meist durch Hautkeime, die während der Operationen in den Wundbereich verschleppt werden. Staph. aureus gehört zu den häufigsten Erregern, ebenso wie andere gram-positive Keime, die sich rasch vermehren und zu einer eitrigen Entzündung führen. Typische Zeichen der Entzündung sind lokale Rötung, Überwärmung, Schmerzen, Wundheilungsstörungen, Ödeme und Fieber (Abb. 3).

Verzögerter oder chronischer, postoperativer Infekt

Die verzögerten oder chronischen Infekte werden, wie die akuten Infekte, durch Keime verursacht, die während der Operation eingeschleppt werden. Die Pathogenität oder Anzahl der Keime ist jedoch zu gering, um unmittelbar postoperativ manifest zu werden. Typische Erreger niedrig virulenter Bakterien sind Staph. epidermidis, Staph. hominis oder C. acnes. Diese Infektionen werden häufig erst im Rahmen eines Revisionseingriffes bei Komponentenlockerungen nach einer initial stummen Phase nachgewiesen (bis 2 Jahre).

Spätinfekt

Spätinfekte treten in der Regel erst nach über 2 Jahren durch hämatogene Streuung auf. Sie zeigen ein breites Keimspektrum und kommen oft als Mischinfektionen vor, bei denen auch gram-negative Erreger aus dem urogenitalen Bereich oder dem Mund- und Rachenraum (z.B. Zähne) vorkommen können. Die Spätinfekte treten besonders dann auf, wenn eine vorübergehende oder dauerhafte Immunschwäche besteht.

„Low-grade“-Infekt

Der „Low-grade“-Infekt ist eine besondere Form des Schulterinfektes, der überwiegend durch C. acnes verursacht wird. Es können jedoch auch andere niedrig virulente Erreger wie Staph. epidermidis oder Staph. hominis beteiligt sein. Diese Infekte verlaufen meist atypisch, da klassische Infektzeichen wie Überwärmung, Rötung oder erhöhte laborchemische Infektparameter völlig fehlen können. Als Leitsymptom zeigt sich häufig eine schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit. Solche Infekte werden oft erst anhand von Röntgenuntersuchungen im Rahmen von Lockerungszeichen entdeckt. Da C. acnes aber besondere anaerobe Transport- und Kulturbedingungen erfordert, ist der Nachweis des Erregers oft schwierig.

Risikofaktoren und
klinisches Bild

Die Diagnostik von Protheseninfekten basiert neben dem klinischen Bild auch auf laborchemischen Parametern und radiologischen Merkmalen. Zu den wesentlichen Risikofaktoren gehören Diabetes mellitus, chronische Lebererkrankungen, Alkoholabusus, Eisenmangelanämie, rheumatoide Arthritis sowie frühere Operationen an der Schulter [11].

Männer weisen im Vergleich zu Frauen ein deutlich höheres Infektionsrisiko auf. Registerdaten skandinavischer Studien zeigen, dass das relative Risiko für einen Revisionseingriff für Männer bei 3,8 liegt (95 % Cl, 2.4, 6.1) [3]. Die Wahrscheinlichkeit zur Entwicklung einer periprothetischen Schulterinfektion liegt ebenfalls bei einem höheren relativen Risiko von 1,7 (95 % Cl; 1.41–2.09, Metadaten n = 28.884) [11].

Frühinfekte zeichnen sich durch ein rasches Auftreten nach der Prothesenimplantation aus und zeichnen sich mit typischen Entzündungszeichen wie Rötung, Überwärmung, Schmerz, Schwellung, Fisteln und Fieber aus (Abb. 3). Diese Infektzeichen werden in der Regel von erhöhten laborchemischen Parametern, wie dem C-reaktiven Protein, Leukozyten und Procalcitonin, begleitet.

Bei chronischen oder „Low-grade“-Infekten hingegen können die laborchemischen Entzündungszeichen und klinischen Symptome völlig unauffällig sein. Patientinnen und Patienten, die systemische Kortikosteroide einnehmen oder periprothetische Steroidinjektionen erhalten haben, tragen ein deutlich höheres Risiko für Infektionen. Diese Patientinnen und Patienten sollten deshalb kritisch evaluiert werden [12].

Labor

Zur Diagnostik von Infekten an der Schulter sind die klassischen Infektmarker (C-reaktives Protein (CRP), Leukozyten) zu bestimmen. Für viele zusätzliche Laborparameter fehlen klare Leitlinien und belastbare Grenzwerte, was ihre diagnostische Aussagekraft einschränkt [13]. Zu diesen Markern zählen Analysen der Synovialflüssigkeit auf Lymphozyten und Plasmazellen, IL6 (im Serum oder der Synovialflüssigkeit), synoviale Zytokine, TNF-alpha, Leukozyten-Esterase, Alpha-Defensin und D-Dimere. Da für diese Laborparameter aber klare Leitlinien und Grenzwerte fehlen, kann derzeit keine Empfehlung für deren Einsatz ausgesprochen werden. Für CRP besteht der Schwellenwert von 7,2 mg/l, allerdings ist die Spezifität und Sensitivität sehr schwach. Der Normalwert liegt üblicherweise bei 5 mg/l oder 0,5 mg/dl. Der Schweregrad einer Infektion lässt sich häufig an der Höhe des CRP-Anstiegs messen. Im Bereich von 1–5 mg/dl liegen leichte Infekte und lokale Entzündungen, während CRP-Werte über 5 mg/dl oder gar über über 10 mg/dl auf die Entwicklung einer ausgedehnten septischen Infektion oder eine akute Osteomyelitis hinweisen können [1]. Es ist zu beachten, dass auch andere Infektionen zu einer Erhöhung des CRP-Wertes führen können. Zu diesen Infektionen zählen unter anderem rheumatische Erkrankungen, Gichtanfälle, Harnsäurestoffwechselstörungen, Infektionen der ableitenden Harnwege, chronische Infekte im Mund und Rachenraum (Zähne, Hygiene, Hautstatus).

Bildgebung

In akuten Fällen liefern Röntgenaufnahmen in der Regel noch keine Hinweise auf eine Lockerung, da das Zeitfenster für die Entwicklung sichtbarer Osteolysen seit der Operation meist zu kurz ist. Allerdings kann eine Sonografie zum Aufspüren von Flüssigkeit oder einem periartikulären Abszess helfen. Ist das klinische Bild unklar und frei von Flüssigkeit, sind die Resultate einer Aspiration wenig zuverlässig [14].

Im Unterschied dazu ist sind Lockerungszeichen im Röntgenbild (true-AP, axial, outlet-view) häufig der erste Hinweis auf einen chronischen oder „Low-grade“-Infekt. Es besteht der Verdacht auf eine infektassoziierte Lockerung, wenn auf dem Röntgenbild bereits unter 1 Jahr nach der Operation ein Saum um den Prothesenschaft zu sehen ist (Abb. 5). Im Falle einer zementierten, anatomischen Glenoidkomponente sind Säume jedoch nach 5 Jahren oft physiologisch und nicht zwangsläufig hinweisend für eine Lockerung. Bei klinischen Beschwerden wie Bewegungseinschränkungen oder Schmerzen kann eine Kontrollarthroskopie Klarheit verschaffen. Szintigrafische Verfahren sind meistens nicht in der Lage, die notwendige Spezifität zur sicheren Infektionsdiagnose zu bieten [15].

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5