Übersichtsarbeiten - OUP 03/2025

Die infizierte Schulterprothese
Wie ermöglichen wir eine sichere Diagnostik und Therapie?

Bei Verdacht auf eine Lockerung sollte eine weiterführende Untersuchung mittels Computertomografie (CT) durchgeführt werden. Moderne radiologische Techniken verbessern die Beurteilbarkeit erheblich. Besonders die „dual-energy“-Bildaquise und iterative Artefaktreduktion helfen dabei, die Genauigkeit der Diagnose zu erhöhen [15]. Alternativ lassen sich Artefakte mit Schulterabduktion in der sogenannten „ABER“-Position (Abduktion, External Rotation) vom Glenoid ablenken [15].

Die Magnetresonanztherapie (MRT) mit spezialisierten Artefaktreduktionssequenzen („MARS“: Advanced Metal Artifact Reduction) ist ein innovativer Ansatz in der Diagnostik von periprothetischen Infektionen. Diese modernen Verfahren minimieren metallische Artefakte derart, dass das periprothetisches Gewebe klarer beurteilt werden kann. Eine Studie berichtet, dass die MARS-MRT-Diagnostik die Wahrscheinlichkeit eine periprothetische Infektion zu erkennen, auf über 99 % steigern kann. Die Autoren berichten, dass sie allein basierend auf den MARS-MRT-Befund die Indikation zum Revisionseingriff stellen, da die anderen Parameter (laborchemische Parameter, klinisches Bild) oft unzuverlässig sind [16, 17].

Therapiealgorithmus

Die Therapie einer infizierten Schulterprothese orientiert sich an folgenden Kriterien: Ursache, Infektionsstadium, Ausdehnung, erwartetes Keimspektrum und allgemeiner Gesundheitszustand der Patientin/des Patienten. Die verfügbaren operativen Optionen umfassen:

  • 1. Gelenkerhaltende Operation mit ausgiebigem Debridement und Prothesenretention mit einem Wechsel aller mobilen Teile
  • 2. Partieller Wechsel der Komponenten (nur glenoidal oder nur humeral, einzeitig oder mehrzeitig mit partiellem Spacer) (Abb. 6)
  • 3. Vollständiger Wechsel der Prothese (einzeitig, zweizeitig oder vielzeitig)

Persistierende Infektionen, die trotz mehrfachen Spacerwechsels und Debridement nicht kontrolliert werden können, sind sehr selten. Über den zweizeitigen Wechsel ist die Infektkontrolle hoch und liegt gemäß Literaturangaben bei 95 % [18]. Eine knöcherne, glenohumerale Fusion kann aufgrund der massiven Knochendefekte nach einer Prothesenentfernung selbst mit einem Allograft in der Regel nicht erreicht werden [1]. In diesen Fällen bleibt die Resektionsarthroplastik als einzige Rückzugsoption mit konsekutiver Pendelschulter. Funktionell ist diese Situation nur sehr unbefriedigend. Die letzte Therapiemöglichkeit stellt eine Dauerdrainage zur Ableitung von Wundsekret mit dauerhaftem Fistelgang dar [1].

Akute Infekte

Sofern der klinische Verdacht eines akuten Infekts besteht, hat die frühzeitige Identifikation des Erregers durch eine sterile, ggf. sonografiegestütze Punktion oberste Priorität. Im Falle von makroskopisch trübem Punktat, sollte, sofern möglich, eine zeitnahe offene Revision oder bei Kontraindikationen (z.B. Antikoagulation), zumindest eine zeitnahe arthroskopische Spülung durchgeführt werden, um die intraartikuläre Keimlast zu senken. Eine Verschleppung der Therapie begünstigt eine phlegmonöse periartikuläre Ausbreitung. In jedem Fall sollte eine zeitnahe operative Eröffnung des Gelenks vor Beginn der antibiotischen Therapie angestrebt werden, um einen sicheren Erregernachweis zu gewährleisten. Zeitgleich sollte eine offene Revision mit Debridement (zur Sicherstellung einer ausreichenden Durchblutung) und ausgiebiger Spülung (Jet Lavage, z.B. Lavanid) bei einliegender Prothese, sowie eines Wechsels aller mobilen Teile vollzogen werden [19]. Da ein Frühinfekt häufig durch virulente und rasche Keimvermehrung verursacht wird (z.B. Staph. Aureus) ist eine kalkulierte Antibiotikatherapie mit hoher Staphylokokkenwirksamkeit (z.B. Flucloxacillin) sinnvoll. Nach erfolgreichem Erregernachweis sollte eine zielgerichtete antibiotische Therapie erfolgen. Aufgrund des kurzen Zeitintervalls seit der OP, ist das Eindringen von Keimen in das Interface zwischen Prothese und Knochen unwahrscheinlich, weshalb feste Komponenten verleiben können. Im Falle eines chronischen Verlaufs sind aber weitere Sanierungsmaßnahmen, inklusive eines vollständigen Prothesenwechsels oft unvermeidlich.

Verzögerte und chronische Infekte

Im Gegensatz zu den akuten Infekten, präsentieren sich chronische Infekte meist mit einem diffuseren klinischen Bild, welches von Schmerzen und Bewegungseinschränkungen dominiert wird, während laborchemische Paramater (CRP) nur leicht erhöht sein können. Röntgenbilder können Lockerungen und Säume rund um das Implantat zeigen. Die aseptische Lockerung einer anatomischen, zementierten PE-Glenoidkomponente, bei welcher sich regelhaft bereits nach wenigen Jahren ein schmaler Lysesaum zeigt, kann durchaus einen Infekt vortäuschen. Dies sollte deshalb durch eine Kontrollarthroskopie validiert werden. So können bei einliegender Endoprothese repräsentative Gewebeproben entnommen werden, die einer mikrobiologischen und histologischen Aufarbeitung zugeführt werden können [7]. Darüber hinaus können Komponentenlockerungen auch über eine arthroskopische und visuell kontrollierte Manipulation beurteilt werden. Die Therapie einer chronischen Infektion erfordert in der Regel die vollständige Entfernung aller Fremdkörper (inklusive aller Zementreste), da inerte Oberflächen meist schon großflächig mit Biofilmen besiedelt und dadurch einer Antibiotikatherapie nicht mehr zugänglich sind. Zur Ermittlung von Osteolysen kann eine CT mit Artefaktreduktion (dual-energy) angewendet werden. Eine zusätzliche MARS-MRT hilft bei der Beurteilung der periartikulären Weichteile und liefert wertvolle Hinweise über die Infektausdehnung [20]. Die Kombination aus mikrobiologischer Kultur und Histologie aus einer vorgeschalteten arthroskopischen Biopsie kann die Entscheidung über das weitere Vorgehen erleichtern, da die Spezifität dadurch erheblich verbessert wird [15]. Bei fehlendem Infektnachweis in Kultur und Histologie kann durchaus einzeitig vorgegangen werden. Hingegen ist bei positiver Histologie und unter Berücksichtigung von Komorbiditäten und Keimspektrum das zweizeitige Vorgehen über einen temporären, antibiotikabeladenen Platzhalter meist zu bevorzugen [15].

„Low-grade“-Infekte

Ein Sonderfall stellen die „Low-grade-Infekte“ dar, die aber nicht einheitlich definiert sind. Begründet liegt dies v.a. darin, dass oft nicht zwischen Kontamination und einer echten, periprothetischen Infektion differenziert werden kann [21].

Man nimmt an, dass C. acnes aus der physiologischen Hautflora durch die chirurgische Inzision in die Tiefe verschleppt werden. Hautdesinfektionsmittel erreichen den Keim dort praktisch kaum. So kann C. acnes in etwa einem Drittel der schulterchirurgischen Ersteingriffe intraartikulär kultiviert werden [4]. Dies wurde erst kürzlich durch molekulargenetische Identifizierungen bestätigt [22].

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