Übersichtsarbeiten - OUP 03/2025

Die infizierte Schulterprothese
Wie ermöglichen wir eine sichere Diagnostik und Therapie?

Zudem gibt es Berichte, die nahe legen, dass C. acnes bereits intraartikulär und intrazellulär im Gelenkraum vorliegen, weshalb eine positive Kultur nicht zwingend mit einem Infekt gleichzusetzen ist [21].

Die Bebrütungsdauer („time to positivity“) der mikrobiologischen Kultur bis zum Auftreten erster Kolonien ist ein wichtiger Hinweis für die Keimlast [23]. Wenn die Bebrütungsdauer länger als 8 Tage dauert, deutet dies auf eine Kontamination hin. Kulturen, die bis zum 4. postoperativen Tag Wachstum zeigen, sind als „High-grade“-Infekte zu werten, Wachstum zwischen dem 4. und 8. Tag, deuten auf Low-grade-Infekte hin. Andere Arbeitsgruppen berichten vergleichbare Zeiträume (7 Tage) als Schwellenwert [23].

Therapieoptionen

Arthroskopische Spülung

Ein Empyem muss notfallmäßig einer Spülung zugeführt werden, um eine septische Streuung zu verhindern. Da bei einliegender Endoprothese Gewebetaschen oder Hohlräume unter mobilen Prothesenteilen nur schwer zugänglich sind, ist ein offenes Vorgehen anzuraten. Die Anwendung desinfizierender Spüllösungen (z.B. Lavanid®) wird dabei empfohlen. Hierbei ist eine nachfolgende Auswaschung mit Ringerlösung unerlässlich, da sonst bei längerem Gewebekontakt Gewebenekrosen herbeigeführt werden können.

Offenes Debridement mit Komponentenwechsel

Bei einem sehr frühen Infektstadium kann durch ein semi-konservatives sog. „DAIR“ (Debridement, Antibiotics, Implantant Retention), welches mit erheblich geringerem operativen Aufwand erfolgt, innerhalb der ersten 8 Tage nach Infektmanifestation ein Revisionsversuch unternommen werden. Hierbei erfolgt eine gründliche Jet-Lavage und ein Wechsel aller mobilen Prothesenteile (z.B. Inlay, Glenosphäre) (Abb. 1). Im Anschluss erfolgt eine resistenzgerechte Langzeittherapie mit Antibiotika [24]. Während für DAIR gute Erfolge bei Frühinfekten berichtet werden, scheinet es für chronische Protheseninfekte nicht geeignet zu sein [24]. Eine Arbeit, die DAIR mit dem ein- oder zweizeitigen Prothesenwechsel bei chronisch infizierter inverser Schulterprothese (n = 36) verglichen hat, kommt zu dem Ergebnis, dass alle DAIR-Fälle (n = 6) versagt und schließlich einem Implantatwechsel zugeführt werden mussten [24].

Einzeitiger Wechsel

Der einzeitige Prothesenwechsel ist die Alternative zum Goldstandard, dem zweizeitigen Prothesenwechsel. Es werden alle Prothesen- und Zementteile entfernt und es wird ein ausgiebiges Debridement samt Jet-Lavage durchgeführt [1].

In der Regel wird zur Re-Implantation antibiotikabeladener Zement (Gentamicin, Vancomycin) verwendet. Da der Keim zum Revisionszeitpunkt nicht bekannt ist, muss die Antibiotikatherapie empirisch erfolgen. Eine resistenzgerechte, antibiotische Therapie kann erst nach erfolgreicher Anzucht eingeleitet werden. Die kalkulierte Antibiotikatherapie sollte also das zu erwartenden Keimspektrum abdecken. Dazu eignen sich in der Regel ß-Laktame mit ß-Laktamase-Hemmer (z.B. Sultamicillin). Clindamycin, welches oft als Alternative bei Allergie eingesetzt wird, sollte nach Möglichkeit vermieden werden, da Resistenzen und gestiegene Infektionsraten beschrieben sind, wenn es zur präoperativen Prophylaxe angewendet wird [25]. Ein Nachteil des einzeitigen Wechsels ist die fehlende Möglichkeit zur präzisen Beurteilung knöcherner Defekte. Ein gegebenenfalls notwendiger knöcherner Aufbau muss dann ohne vorherige Planung erfolgen und orientiert sich daher am Situs. Eine Metaanalyse kommt zu dem Ergebnis, dass der einzeitige Schulterprothesenwechsel zwar gute Ergebnisse hinsichtlich der Infektsanierung liefert, die funktionellen Ergebnisse beim zweizeitigen Wechsel aber besser sind [26]. Bei vergleichenden Studien mit zweizeitigem Wechsel lagen aber häufiger aggressivere und antibiotikaresistente Keime vor, was die Interpretation der Ergebnisse einschränkt [9, 26].

Zweizeitiger Wechsel

Nach Implantatentfernung und Debridement wird eine antibiotikabeladene, artikulierende Interimsprothese (sog. „Spacer“ als Platzhalter eingesetzt (Abb. 4). Dies führt temporär zu einer hohen lokalen Antbiotikakonzentration. Bei mikrobieller Mehrfachbesiedlung und Resistenzen, liefert der Spacer die zuverlässigsten Ergebnisse [27]. Blutende Oberflächen werden versiegelt, die Schultermobilität bleibt geringfügig erhalten und die Schrumpfung der periartikulären Weichteile wird verhindert [1, 27].

Bei einliegendem Spacer bietet sich zudem die Gelegenheit zur präzisen Planung einer Revisionsprothese (kaum Artefakte). Dies schließt patientenindividuell gefertigte Implantate und die Nutzung von Zielschablonen ein [28]. Eine von Ortmaier et al. veröffentlichte Arbeit zeigt im kurzen Follow-Up gute Resultate. Allerdings gibt es auch Berichte über katastrophale Verläufe beim Ausbruch individuell angefertigter Basisplatten, die chirurgisch kaum noch zu adressieren sind [29]. Der Prothesenschaft wird dabei über ein M. pectoralis-gestieltes Knochenfenster entfernt [29]. Dabei kommen spezielle Meißel und Fräsen zum Einsatz, die eine vollständige Entfernung sämtlichen Fremdmaterials, inklusive aller Zementreste ermöglichen. Zur Bestimmung der Revisionsprothesenlänge sind Röntgenbilder oder eine CT des gesamten ipsi- und kontralateralen Humerus erforderlich. Die erforderliche Mindestverankerungsstrecke der Revisionsprothese im distalen Humerus beträgt 5 cm, gemessen vom gegenwärtigen Zementköcher [1]. Das Revisionsimplantat sollte die Anatomie des Markraums im distalen Humerus (Krümmung) respektieren. Bei Bedarf muss ein patientenindividueller Schaft angefertigt werden. Bei einliegendem Spacer wird die Schulter nur zurückhaltend mobilisiert. Allerdings dürfen das Ellenbogen- und Handgelenke nicht vernachlässigt werden, da sonst eine Steife droht.

Für den Prothesenwechsel wird in unserer Abteilung folgendes Vorgehen standardisiert durchgeführt:

  • 1. Vorgeschaltete Arthroskopie in einem separaten Eingriff zur Entnahme von Gewebeproben (Keimbestimmung und Histologie). Bei Nachweis virulenter Keime oder bei erheblichen klinischen Infektzeichen (Sinustrakt, Abszesstaschen) wird auf die Arthroskopie verzichtet.
  • 2. Offene Gelenkrevision mit vollständiger Prothesenexplantation und Debridement, Probenentnahme zur Keimbestimmung und Histologie, Press-fit-Implantation eines handgeformten, zentral verstärkten (Gewindestab), antibiotikabeladenen, artikulierenden Zementspacers (PMMA mit empirisch Gentamicin, Vancomycin ± Meropenem bei gram-negativem Befall). Bei knöchernem Glenoidaufbau teilweise auch dreizeitiges Vorgehen, da der Aufbau erst nach gesicherter Infektsanierung möglich ist.
  • 3. Bei vermuteter Infektpersistenz (steigendes CRP, zunehmende periartikuläre Flüssigkeit) wird erneut debridiert und die Maßnahmen unter Punkt 2 werden wiederholt. Eine sonografisch gestützte präoperative Punktion kann im Zweifel helfen, die Infektfreiheit zu sichern.
  • 4. Einleitung einer resistenzgerechten Antibiotikatherapie bei einliegendem Spacer für 6–8 Wochen mit engmaschiger Kontrolle der Entzündungswerte.
  • 5. Bei unauffälliger Klinik und Labor erfolgt die zweite Stufe des Wechsels unter Verwendung einer Revisionsprothese unmittelbar im Anschluss etwa 6–8 Wochen nach der ersten Stufe. Erneut werden Proben (Kultur + Histologie) entnommen, da sich das Keimspektrum und die Resistenzlage während der Tragedauer des Spacer ändern können. Danach erfolgt eine empirische Antibiotikatherapie, bis die Kulturen vorliegen. Sind diese negativ, werden die Antibiotika abgesetzt. Sind sie positiv, dann erfolgt eine resistenzgerechte Fortführung der Antibiotikatherapie für weitere 6 Wochen [30, 31].

Probenentnahme und antimikrobielle Therapie

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