Übersichtsarbeiten - OUP 05/2022
Gelenkerhaltende Operationen bei Arthrosen an Schulter, Hüfte und KniegelenkWann ist dies angebracht und wie kommen wir zu optimalen Ergebnissen?
Lars Victor von Engelhardt, Jörg Jerosch
Zusammenfassung:
Der Arthrosepatient bedarf einer individuellen Abwägung eines rein konservativen Vorgehens, einer gelenkerhaltenden Operation oder einer Endoprothese. Aktuell anerkannte Verfahren wie die arthroskopische CAM (Comprehensive Arthroscopic Management)-Prozedur an der Schulter, die arthroskopische Korrektur eines meist zugrundeliegenden Hüftimpingements und bspw. das weite Spektrum korrigierender Osteotomien rund um das Kniegelenk sind anspruchsvoll und bedürfen ein differenziertes, individuell ausgerichtetes Vorgehen. Für diese gelenkerhaltenden Verfahren gilt, je früher desto besser. Ein Herauszögern schmälert die Ergebnisse dieser Operationen. Der frühe korrigierende Eingriff in Kombination mit einer konservativen, individuell ausgerichteten Therapie ist für viele Patienten das am ehesten erfolgreiche Konzept.
Schlüsselwörter:
Coxarthrose, Omarthrose, Gonarthrose, Schulterarthroskopie, Hüftarthroskopie, Umstellungs-
osteotomie
Zitierweise:
von Engelhardt LV, Jerosch J: Gelenkerhaltende Operationen bei Arthrosen an Schulter, Hüfte und Kniegelenk. Wann ist dies angebracht und wie kommen wir zu optimalen Ergebnissen?
OUP 2022; 11: 187–195
DOI 10.53180/oup.2022.0187-0195
Abstract: The osteoarthritis patient requires an individual consideration of conservative treatment, a joint-preserving surgery or a prosthesis. Currently recognized concepts such as the arthroscopic CAM (Comprehensive Arthroscopic Management) procedure on the shoulder, the arthroscopic correction of the frequently underlying hip impingement and, for example, the wide range of corrective osteotomies around the knee joint are demanding and require a differentiated and individual procedure. The principle applying to these joint-preserving surgeries is, the sooner the better. A protracted treatment diminishes the results. An early corrective intervention in combination with a customized conservative therapy is the most successful concept for many patients.
Keywords: Coxarthrosis, omarthrosis, gonarthrosis, shoulder arthroscopy, hip arthroscopy, knee osteotomy
Citation: von Engelhardt LV, Jerosch J: Joint-preserving operations for osteoarthritis of the shoulder, hip and knee joint. When is it appropriate and how do we get optimal results?
OUP 2022; 11: 187–195. DOI 10.53180/oup.2022.0187-0195
L.V. von Engelhardt: Fakultät für Gesundheit, Private Universität Witten/Herdecke & Landesklinikum Horn, Österreich
J. Jerosch: Wissenschaftsbüro Meerbusch
Gelenkerhaltende
Möglichkeiten bei der
Gelenkarthrose
Degenerativ bedingte Gelenkschmerzen beeinträchtigen den Alltag und haben einen Einfluss auf die Lebensqualität und Psyche [75, 114]. Verständlicherweise fragen Patienten auch nach Möglichkeiten eines Gelenkerhaltes oder zumindest eines Aufschiebens der Endoprothese. Hierfür sind neben Hüft-, Schulter- und Kniearthroskopien auch diverse Osteotomien einzubeziehen. Die Verfahren sind vielfältig und zeigen bei richtiger Indikationsstellung gute klinische Ergebnisse und Return-to-Sports Raten. Um ein Fortschreiten der Arthrose zu verhindern, sollten entsprechende Operationen früh erfolgen [46, 82, 118, 127, 128, 136, 140]. Für die gelenkerhaltenden Korrektur-Operationen gelten auch zusätzliche Therapieverfahren, wie die intraartikulären Injektion von Kortikosteroiden, Hyaluronsäuren u./o. Thrombozytenreiches Plasma (PRP) als erfolgsversprechend. Mittlerweile findet man hierzu in der Literatur zu Knie, Schulter und Hüfte viele Studien und Empfehlungen [8, 25, 43, 66, 107, 148]. Natürlich sollten auch Risikofaktoren wie Überlastungen, Übergewicht, Ernährungsprobleme etc. reduziert werden sowie krankengymnastische und physikalische Therapieverfahren eingesetzt werden [47, 55, 98]. An Schulter, Hüfte und Knie sind die Pathophysiologien, Möglichkeiten und Indikationen gelenkerhaltender Operationen unterschiedlich. Daher stellen wir dies im Folgenden einzeln dar.
Gelenkerhalt bei der
Schulterarthrose
Die Arthrose ist nach den partiellen und kompletten Rupturen der Rotatorenmanschette der nächsthäufige Auslöser chronischer Schulterschmerzen. Bei der primären Form findet sich ein multifaktorieller Degenerationsprozess mit dem Bild einer fibrösen Entzündung. Im Weiteren zeigen sich bei allen Formen der Omarthrose Bewegungslimitierungen, Sklerosen und knöcherne Deformierungen [3, 147]. Nachdem die Größe osteophytärer Ausziehungen mit der eingeschränkten Gelenkfunktion korreliert, wird dies zur Gradeinteilung der Omarthrose verwendet [52]. Bei weniger als 3 mm besteht eine milde (Grad I nach Samilson), bei bis zu 7 mm eine moderate (Grad II) und bei mehr als 7 mm eine schwere Arthrose (Grad III) [115]. Bei der häufigen sekundären Form finden sich oft sog. Instabilitätsarthrosen mit einer anhaltenden Dezentrierung [137]. Die vermehrte Translation des Humeruskopfes führt erst nach einem längeren stummen Intervall zu einem konsekutiven Knorpel- und Pfannenabrieb. Weitere Ursachen sind Humeruskopfnekrosen, Infekte, Traumata, Erkrankungen des Immunsystems etc. [121]. Bei gelenkerhaltenden Maßnahmen einer sekundären Arthrose sollten die Ursachen adressiert werden, um ein Voranschreiten der Schäden zu verhindern. Ein gutes Beispiel hierfür sind arthrotische Veränderungen bei Rotatorenmanschettenschäden. Diese Kombination findet sich immerhin in bis zu 30 % der Fälle [77]. Neben zunehmenden Schäden an der Manschette zeigt sich hier gegenüber Kontrollgruppen ohne Manschettenschäden ein signifikantes Fortschreiten der Arthrose. Dabei führt eine zunehmende Dezentrierung der Gelenkführung zu unphysiologischen Druckverteilungen. Daher werden solche Fälle auch als sog. sekundäre Formen angesehen [19, 49, 51]. Studien zeigen nach der arthroskopischen Rotatorenmanschettenrekonstruktion bei einer Omarthrose ein ebenso gutes klinisches Ergebnis wie Patienten ohne arthrotische Veränderungen [48, 50]. Dabei scheint die Naht nicht nur zur Beseitigung von Schmerzen und funktionellen Einschränkungen, sondern auch zur Wiederherstellung eines zentrierten Gelenkes und hinsichtlich einer Progredienz der Sehnen- sowie arthrotischen Gelenkschäden wertvoll. Dies zeigt, dass arthroskopische Rekonstruktionen auch an der arthrotischen Schulter effektiv sind.
In den letzten Jahren haben sich gelenkerhaltende Arthroskopien bei der Omarthrose weiterentwickelt. Diese zeichnen sich durch eine Vielzahl einzelner Maßnahmen aus, die die individuellen, klinisch relevanten Pathologien des arthrotischen Schultergelenkes adressieren. Die jeweiligen Maßnahmen richten sich dabei auf strukturelle Veränderungen im Gelenk und auch auf betroffene periartikuläre Strukturen. Von einem einfachen Debridement als pauschale Minimalmaßnahme sind wir somit weit entfernt. Diese multimodalen Operationskonzepte der glenohumeralen Arthrose sind mittlerweile gut untersucht und unter dem Begriff “Comprehensive Arthroscopic Management“ (CAM) bekannt [79, 82] (Abb. 1a). Basismaßnahmen dieser vglw. umfassenden arthroskopischen Operationen sind ein Debridement mit Chondroplastik der glenohumeralen Gelenkflächen, die Entfernung evtl. vorhandener freier Gelenkkörper und die Arthrolyse mit einem anterioren und posterioren Kapselrelease. Inferiore humerale Osteophyten werden entfernt, wenn sie die Beweglichkeit beschränken. Bei klinischer Relevanz erfolgt zudem eine Neurolyse des N. axillaris. Ist das korakohumerale Intervall eingeengt, ist eine Dekompression am Korakoid empfehlenswert. Befund- und symptomabhängig erfolgt ggf. auch eine Synovialektomie, eine Akromioplastik, eine Resektion der lateralen Klavikula, eine Tenodese oder Tenotomie der langen Bizepssehne. Besonders effektiv sind, wie erwähnt, die arthroskopischen Rekonstruktionen partieller oder vollständiger Sehnenrisse [48, 50, 78, 79, 86].