Übersichtsarbeiten - OUP 05/2019
Medikamentöse Therapie entzündlich rheumatischer Erkrankungen
Die DGRh empfielt verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Therapiesicherheit beim Einsatz von NSAR bei muskuloskelettalen Erkrankungen [6]:
„NSAR sollten über den kürzesten klinisch notwendigen Zeitraum mit der niedrigsten noch wirksamen Dosis im zugelassenen Dosierungsrahmen eingesetzt werden.“
„Vor jeder NSAR-Verordnung und im Verlauf der NSAR-Behandlung sollen das individuelle kardiovaskuläre, das gastrointestinale, das renale und das hepatische Risiko beurteilt und darauf basierend der Therapieplan erstellt werden.“
„Kontraindikationen jeglicher NSAR sind die Herzinsuffizienz (NYHA III/IV), die schwere Nierenfunktionsstörung (GFR < 30 ml/min) und das floride Ulcus. Bei erhöhtem GI-Risiko sollte ein Coxib anstelle eines tNSAR eingesetzt werden.“
„Bei Coxib-Unverträglichkeit oder Kontraindikationen sollen NSAR mit einem PPI kombiniert werden.“
„Bei gleichzeitig erhöhtem GI- und CV-Risiko kann Naproxen in Kombination mit PPI gegenüber anderen NSAR vorteilhaft sein.“
„Eine GFR < 30 ml/min verbietet eine NSAR-Behandlung. Bei einer GFR von 30–60 ml/min sind regelmäßige Kontrollen der Nierenfunktion erforderlich.“
„NSAR sollten nicht verabreicht werden, wenn der Transaminasenspiegel (GOT/GPT) den oberen
Referenzwert um das Dreifache übersteigt.“
Nichtmedikamentöse Behandlungsmethoden sind eine sinnvolle Variante und sollten, wenn möglich, immer eingesetzt werden.
Die Ausschlüsse und Risiken der NSAR sind so vielschichtig, dass deren Einsatz insbesondere bei älteren Patienten fast unmöglich erscheint. Das Abwägen zwischen Risiko und Nutzen ist neben einer subtilen Anamnese von großer Bedeutung. Für eine Dauertherapie sind tNSAR und Coxibe nicht geeignet. In den Therapieempfehlungen der europäischen Gesellschaften zur PsA und axSpA sind NSAR allerdings First Line!
Somit steht der behandelnde Orthopäde vor einer schwierigen Aufgabe. Eine primäre Schmerzreduktion unter besonderen Vorzeichen ist sinnvoll, eine Dauertherapie aber zu vermeiden. Er muss sich alternative Therapieoptionen suchen, die nachhaltig entzündungshemmend wirken und
deren Risiken und Nebenwirkungen überschaubarer sind. Somit bleibt dem Orthopäden die Option, eine Therapie mit Glukokortikoiden einzuleiten, die seit vielen Jahren sehr erfolgreich wegen ihrer ausgeprägten und schnellen Entzündungshemmung bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen eingesetzt werden.
Glukokortikoide in der
Therapie entzündlich rheumatischer Erkrankungen
Glukokortikoide haben seit fast 70 Jahren eine außerordentliche Bedeutung in der Therapie entzündlich rheumatischer Erkrankungen. Allerdings haben sie eine sehr wechselvolle Historie durchgemacht. Nach anfänglicher Euphorie erfolgte aufgrund erheblicher Nebenwirkungen, die nicht nur organbezogen waren, sondern auch das Äußere der Patienten erheblich veränderten, eine komplette Ablehnung dieser Therapie über viele Jahre. Eine Renaissance erfolgte in den 70 er Jahren durch neue Studien und den Einsatz von synthetischen Glukokortikoiden. Insbesondere die immunsuppressive Wirkung dieser Substanzen war für die Therapie entzündlich rheumatischer Erkrankungen bedeutsam. „Oral verabreichtes Kortison verzögert relevant die radiologisch nachweisbare Gelenkzerstörung. Nach Absetzen der Kortison-Therapie schreitet die Progression der Gelenkzerstörung fort“ [5]. Die Indikationen in der Rheumatologie sind insbesondere die Rheumatoide Arthritis, die periphere Spondyloarthritis, die reaktiven Arthritiden und auch die undifferenzierten Arthritiden. Die schnelle und ausgeprägte Verminderung der Entzündungsaktivität, verbunden mit einer Schmerzreduktion, machen die Glukokortikoide wertvoll. Rückgang von Gelenkschwellungen und Verbesserung von Funktion und Lebensqualität sind die Folge dieser Therapie. Neben der hervorragenden therapeutischen Wirkung haben Glukokortikoide aber auch eine Reihe von unerwünschten Wirkungen, die insbesondere bei längerfristigen Anwendungen und höheren Dosierungen auftreten. Hier sind insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen, Osteoporose, Diabetes mellitus und erhöhte Infektionsgefährdung zu nennen. Aus diesem Grund hat es einen Paradigmenwechsel in den Therapieempfehlungen gegeben, indem eine möglichst niedrige Dosierung über einen möglichst geringen Zeitraum empfohlen wird.
„Nur in einem Dosisbereich von < 5 mg Prednisolonäquivalent besteht ein akzeptabel niedriges Risiko für eine Gefährdung des Patienten durch die Therapie. Eine Dosis von 5 mg Prednisolon-Äquivalent sollte nicht überschritten werden. Die Glukokortikoid-Dosierung sollte auf die niedrigst mögliche Dosis reduziert werden, am besten bis zum kompletten Absetzen. Auch die früher für harmlos gehaltene Dosisbreite von 2–5 mg Tagesdosis beinhalten Langzeitrisiken wie Katarakt, Frakturen und Diabetes mellitus [5].
Niedrig dosierte Prednisolon-Behandlungen im Akutstadium entzündlicher Gelenkerkrankungen haben sich allgemein in der Praxis bewährt, insbesondere wenn die Akut-Phase-Proteine (BSG/CRP) erhöht sind. Ein kleiner Kortisonstoß, beginnend mit 10 mg Prednisolon für 1 Woche, danach 7,5 mg für die 2. Woche und anschließend 5 mg für die Woche 3 und 4 bringen oft sofortige Verbesserung der Problematik und verschleiern in dieser Dosierung auch keine ernsthaften Erkrankungen. Teilweise ist bereits eine Dosierung von nur 5 mg für 10 Tage vorübergehend erfolgreich. Höhere Prednisolon-Dosierungen sind selten erforderlich.
Eine Ausnahme stellt die Therapie der Polymyalgia rheumatica dar. Höhere Glukokortikoid-Dosierungen von 15–25 mg Prednisolon über einen längeren Zeitraum sind nach der S3-Leitlinie von 2018 zur Behandlung der PMR angeraten, da das Nutzen-Risiko-Verhältnis bei dieser Erkrankung eindeutig positiv und ein Low-dose-Start ineffektiv ist [7].
Gelenkpunktionen sind für die Patienten durch Entlastung der Gelenke meist kurzfristig schmerzlindernd. Bei hoher lokaler Entzündungsreaktion kann eine nachfolgende Glukokortikoid-Injektion durch Reduktion der Synovialits zu einer schnellen Entzündungshemmung, Beschwerdelinderung und Funktionsverbesserung führen. Unter Einhaltung der entsprechenden Hygienevorschriften sind iatrogene Infektionen relativ selten.
Bei den Glukokortikoiden ist ein sorgfältiges Abwägen von Nutzen und Risiko durch den Orthopäden erforderlich; allerdings mangelt es nicht an wirksamen Alternativen, insbesondere dann, wenn die Diagnose gesichert ist.