Übersichtsarbeiten - OUP 03/2024
Relevanz der Therapie von Begleitpathologien in der knorpelregenerativen Therapie an Hüft-, Knie- und SprunggelenkPraktisches Vorgehen
Arnd Hoburg, Christian Plaaß, Wolfram Steens
Zusammenfassung:
Die wichtigsten Grundsätze der Behandlung von Knorpelschäden am Hüft-, Knie- und Sprunggelenk haben sich in den letzten Jahren kaum verändert. Prinzipiell werden symptomatische Schäden nach ICRS (International Cartilage Repair & Joint Preservation Society) Grad 3 und 4 behandelt. Jedoch hat die Analyse der auslösenden Faktoren dazu geführt, dass zunehmend die Begleitpathologien in den Fokus gerückt sind. In der Folge der zunehmenden Adressierung dieser im Rahmen der knorpelregenerativen Therapien, haben sich die Ergebnisse in den letzten Jahren verbessert. Grundsätzliche Faktoren, die im Rahmen der Knorpeltherapie zu berücksichtigen sind, beinhalten Achse, Stabilität, Meniskuspathologien oder präarthrotische Deformitäten wie z.B. die Hüftdysplasie oder Deformitäten des femuroazetabulären Impingementsyndroms. Die Korrektur eventueller Begleitpathologien als Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie sollte bestenfalls vor einer Knorpeloperation, spätestens aber zum Zeitpunkt einer Knorpeloperation erfüllt sein. Mit diesem Artikel möchten wir einen Überblick der wichtigsten Begleitpathologien an den großen Gelenken der unteren Extremität geben und einige praktische Hinweise, wie und wann diese zu korrigieren sind.
Schlüsselwörter:
Knorpel, Osteotomie, OSG, Hüftgelenk, Kniegelenk, Kreuzbandrekonstruktion, Instabilität,
Dysplasie, femoroazetabuläres Impingement
Zitierweise:
Hoburg A, Plaaß C, Steens W: Relevanz der Therapie von Begleitpathologien in der
knorpelregenerativen Therapie an Hüft-, Knie- und Sprunggelenk. Praktisches Vorgehen
OUP 2024; 13: 106–114
DOI 10.53180/oup.2024.0106-0114
Summary: General principles of cartilage repair therapies have not changed in the last years. Recommendations for cartilage repair include symptomatic ICRS grade 3 and 4 classified cartilage defects. However, what has changed in the last years is a better understanding of underlying or concomitant pathologies. Since a more precise analysis and stringent therapy of concomitant pathologies has been performed, an increase in success rates especially in formerly difficult entities could be observed. The most important concomitant pathologies in cartilage therapies of the hip-, knee- and ankle joint are axis deviations, instabilities, meniscus pathologies or prearthrotic deformities like hip dysplasia and femuroacetabular impingement syndrome. To increase the efficiency of cartilage repair procedures these pathologies should be corrected either prior to, or at latest concomitant to any cartilage repair surgery. Therefore, this article is intended to give an overview of the most important concomitant pathologies in cartilage repair of the lower extremities and their possibilities of correction.
Keywords: Cartilage repair, osteotomy, ankle joint, hip joint, knee joint, ACL, instability, hip dysplasia, impingement
Citation: Hoburg A, Plaaß C, Steens W: Relevance of concomitant surgeries in cartilage repair therapies
of hip-, knee- and ankle joint. Practical advises
OUP 2024; 13: 106–114. DOI 10.53180/oup.2024.0106-0114
A. Hoburg: MedCenter 360 Grad Berlin
C. Plaaß: Medizinische Hochschule Hannover, Orthopädische Klinik, DIAKOVERE Annastift
W. Steens: ONZ – Orthopädisch Neurochirurgisches Zentrum
Einleitung
Die Behandlung von Begleitpathologien bei Knorpelschäden am Hüft-Knie- und Sprunggelenk nimmt eine Schlüsselrolle für das Outcome einer Knorpeltherapie ein. Viele der vorliegenden Begleitpathologien sind präarthrotische Deformitäten und begünstigen damit das Auftreten und Fortschreiten von Knorpelschäden. Daher muss für eine erfolgreiche Knorpeltherapie der Knorpelschaden immer im Kontext der begleitenden Faktoren gesehen und analysiert werden. Der vorliegende Artikel soll einen Überblick über die relevantesten Begleitpathologien und deren Behandlung geben.
Therapie von Begleitpathologien am Hüftgelenk
Die Hüftpfanne sowie der Femurkopf und -hals bilden die knöcherne Stabilität der Hüfte, wobei die Architektur der Hüftpfanne den Großteil der knöchernen Stabilität der Hüfte auf Kosten des Bewegungsumfangs gewährleistet. Theoretisch verringert die Kongruenz des femoroazetabulären Gelenks die Bedeutung der Weichteilbeschränkungen in der Hüftbiomechanik. Anomalien in der knöchernen Struktur können die Gelenkkongruenz und die inhärente Stabilität beeinflussen, indem sie die Kraftverteilung und die Kontaktfläche an der Gelenkoberfläche verändern und sich als Mikro- oder Makroinstabilität der Hüfte manifestieren [1–4]. Die häufigste Pathologie, die die meisten dieser knöchernen Anomalien repräsentiert und umfasst, ist die Dysplasie der Hüfte (DDH), die häufig mit einer abnormalen Ausrichtung der Hüftpfanne einhergeht, die ihre Überdachung, Neigung, Tiefe und pathologische Schenkelhalsversion beeinflusst. Mit der Modifizierung von Techniken der Beckenosteotomie und der Einführung intrakapsulärer Verfahren wie der Arthroskopie und der Osteochondroplastik am Schenkelhals können Patientinnen und Patienten mit symptomatischer Hüftdysplasie von gelenkerhaltenden Verfahren profitieren.
Mit Einführung des biomechanischen Konzeptes des femoroazetabulären Impingementsyndroms (FAIS) als dynamischer intraartikulärer Pathomechanismus durch Ganz wurde diesen anatomischen Veränderungen am Hüftgelenk die entsprechende Bedeutung als präarthrotische Deformität zuteil. Während es beim Pincer-FAIS zu einem abnorm frühen linearen Kontakt des übergreifenden Pfannenrandes mit dem Schenkelhals und entsprechender Kompromittierung des Labrums, des femoralen Knorpels und einer im Verlauf erst spät sich entwickelnden, postero-medialen contre-coup-Läsion des Azetabulums kommt, zeichnet sich das Cam-FAIS aufgrund der pathologischen Konvexität am Schenkelhals vor allem bei Innrotations-/Flexionsbewegungen durch Scherwirkungen auf den chondrolabralen Komplex aus. Insbesondere das Cam-FAIS wird heute bei nahezu 50 % aller Coxarthrosen als präarthrotische Ursache angesehen. Clohisy et al. stellten fest, dass die sekundäre Arthrose zu fast gleichen Teilen mit der Entwicklung einer Hüftdysplasie und einem femoroazetabulären Impingementanomalien assoziiert war (48,4 % bzw. 50,7 %) und dass sie zusammen 99 % der Hüften mit vorzeitiger Arthrose ausmachten [5]. Die Diagnose des FAI definiert sich durch das Vorliegen der entsprechenden Beschwerdesymptomatik und dem klinischen sowie radiologisch-morphologischen Nachweis. Die Studienlage zur regenerativen Knorpelchirurgie der Hüfte hinkt der am Kniegelenk derzeit noch deutlich hinterher. Die meisten knorpelchirurgischen Therapiekonzepte der Hüfte basieren auf wissenschaftlichen Grundlagen und Strategien, die für das Knie entwickelt wurden. Mehrere innovative Techniken wurden bereits am Hüftgelenk eingeführt und in der Literatur beschrieben. Derzeit besteht noch eine Informationslücke, insbesondere bezüglich systematischer Übersichtsarbeiten in der Literatur mit evidenzbasierten Empfehlungen zur Behandlung von Knorpelverletzungen des Hüftgelenks.