Übersichtsarbeiten - OUP 03/2024
Relevanz der Therapie von Begleitpathologien in der knorpelregenerativen Therapie an Hüft-, Knie- und SprunggelenkPraktisches Vorgehen
Dwyer et al. konnten anhand einer Langzeitbeobachtung über 20 Jahre aufzeigen, dass ein Alter ? 40 Jahre das Vorliegen von Azetabulumschäden bei schweren Hüftkopfschäden wie auch das Vorliegen schwerer Azetabulumschäden bei Hüftkopfschäden zu einer Konversion zur Hüftendoprothese führte. Das Fehlen jeglicher Knorpelschäden reduzierte das Konversionsrisiko um 90 % [6]. Alle Patientinnen und Patienten in dieser Studie wurden vor der digitalen Röntgenaufnahme und der Erstbeschreibung des femoroazetabulären Impingementsyndroms durch Ganz einem ausschließlichen arthroskopischen Labrumdebridement unterzogen und es kann daher nur über den möglichen Einfluss einer veränderten knöchernen Morphologie auf das Ergebnis dieser Fälle spekuliert werden. Das Ergebnis dieser Studie verlangt konsekutiv von der gelenkerhaltenden Chirurgie neben der knöchernen Korrektur auch Therapieoptionen für den Gelenkknorpeldefekt.
Grundsätzlich ist die erfolgreiche Therapie eines Gelenkknorpelschadens nur im Rahmen einer gleichzeitig durchzuführenden Beseitigung der zugrunde liegenden knöchernen anatomischen Pathologie möglich. Die alleinige physiotherapeutische oder knorpelreparative Vorgehensweise ist nicht nachhaltig und zielführend [7].
Jüngste Ergebnisdaten haben gezeigt, dass die Hüftarthroskopie eine praktikable Option in der Therapie der Borderline-Dysplasie mit und ohne FAI ist. Die Hüftarthroskopie kann die begleitenden Weichteil- und knöchernen intraartikulären Pathologien behandeln und andere Operationen überflüssig machen. Darüber hinaus kann die Hüftarthroskopie als ergänzende Behandlung zu anderen Verfahren wie der periazetabulären Osteotomie (PAO) eingesetzt werden.
Die 1983 von Ganz et al. entwickelte Berner periazetabuläre Osteotomie bietet einen Vorteil aufgrund der Ausgewogenheit zwischen minimaler Exposition, geringen Komplikationsraten und der Fähigkeit, eine optimale Korrektur zu erzielen [8, 9]. Die Indikation für eine PAO besteht bei Patientinnen und Patienten unter 40 Jahren, die eine leichte bis mittelschwere symptomatische Dysplasie, eine gute bis hervorragende Kongruenz zwischen Hüftpfanne und Hüftkopf [10], einen Tönnis-Grad von 0 oder 1 und keine Adipositas (BMI <30 kg/m2 ) aufweisen. Umgekehrt sind Patientinnen und Patienten mit einer Verengung des Gelenkspalts, einer auf dem Röntgenbild oder der MRT sichtbaren supraazetabulären Zyste oder einer Inkongruenz zwischen Femurkopf und Azetabulum bessere Kanditatinnen/Kandidaten für eine HTEP, wenn sie > 40 Jahre alt sind. Die PAO ist ein erfolgreiches Verfahren zur Schmerzlinderung und Verbesserung der Hüftfunktionswerte bei Patientinnen und Patienten mit leichter bis mittelschwerer symptomatischer Hüftdysplasie. Klinische Nachuntersuchungen mit gleichermaßen Verbesserungen der Hüftfunktionswerte, Verhinderung des radiologischen Fortschreitens der Arthrose und der Überlebensrate wurden in vielen Arbeiten berichtet [11–15].
Gegenwärtig finden verschiedene arthroskopische Techniken Anwendung in der Behandlung der FAIS-bedingten Knorpelläsionen. Diese reichen vom Debridement/Mikrofrakturierung über das Fibrin-Verkleben der delaminierten azetabulären Knorpelläsionen bis hin zu knochenmarkstimulierenden matrixgestützten (BMS) wie auch zellulären Prozeduren. Für die Therapie vollschichtiger Defekte haben sich an der Hüfte das reine Debridement mit Stabilisierung der Knorpeldefektränder und die matrixinduzierte Knochenmarkstimulation (mBMS) sowie die matrixgekoppelte autologe Knorpelzelltransplantation (MACT) als effektive Techniken herauskristallisiert [16]. Daten aus dem Deutschen Knorpelregister DGOU konnten zeigen, dass das reine Debridement der Mikrofrakturierung an der Hüfte überlegen ist, weshalb die reine Mikrofrakturierung an der Hüfte im DACH-Bereich inzwischen als obsolet gilt. Im Gegensatz zum Kniegelenk kommen die erwünschten Knochenmarkstammzellen der Knochenmarkstimulation aus den zu nahezu 100 % durchgeführten knöchernen FAIS-Korrekturen, bei denen regelhaft das Knochenmark eröffnet wird. Eine erst in jüngster Zeit zur Anwendung gekommene Methode ist eine autologe Transplantation von Knorpel, die als sog. minced cartilage-Verfahren bereits am Kniegelenk mit ersten Ergebnissen aufwarten kann und den Vorteil der einzeitigen Anwendung verspricht.
Arthroskopische Techniken der Knorpelchirurgie am Hüftgelenk
Fibrinverklebung
Die Verwendung von Fibrinkleber delaminierter azetabulärer Knorpelläsionen konnte in 2 Studien mit einer signifikanten Verbesserung des modified Harris Hip Scores (mHHS) sowie der Schmerz- und Funktionssubskalen im Vergleich zum Ausgangswert nach mindestens 1 Jahr nachgewiesen werden. Acht von 62 Patientinnen und Patienten benötigten eine Revisionsoperation und wiesen in der Revisionsarthroskopie eine stabile Knorpelsituation auf [17, 18].
Mikrofrakturierung und AMIC (Autologe Matrixinduzierte Chondrogenese)
Das Prinzip dieser Technik besteht in der Rekrutierung mesenchymaler Stammzellen zur Defektfüllung mit Faserknorpel. Nach der Mikrofrakturierung bildet sich ein Clot mit mesenchymalen Stammzellen, die sich zu stabilem Reparaturgewebe differenzieren. In den letzten Jahren wird dieses Konzept auch am Kniegelenk mehr und mehr angezweifelt, da sich gezeigt hat, dass nur geringste Mengen von Stammzellen aus den „Mikrofrakturierungslöchern“ stammen.
Die Technik ist zwar arthroskopisch relativ einfach und kostengünstig durchführbar, mit allerdings häufigen ungünstigen knöchernen Veränderungen wie Zysten und Knochenvorsprüngen in bis zu 60 % an der Defektstelle. Nachteilig hierbei außerdem ist die Tatsache, dass weniger Typ-II-Knorpel mit anderen biomechanischen Eigenschaften als hyaliner Knorpel generiert wird, was seine Widerstandsfähigkeit und Langlebigkeit reduziert. Adjuvant besteht die Möglichkeit das Defektareal mit einer Membran (sog. AMIC-Verfahren = autologe matrixinduzierte Chondrogenese) zu schützen, um zum einen eine Abscherung des Clots aus dem Defektbereich zu verhindern und zum anderen eine permissive Situation zur Knorpelreparatur zu etablieren. Hierfür stehen entsprechende kollagen- oder hyaluronbasierte Biomaterialien zur Verfügung. Die zusätzliche Fixierung der Membran mit Fibrinkleber ist hierbei fakultativ möglich. Obwohl die Mikrofraktur bei Patientinnen und Patienten mit minimaler oder keiner Arthrose erfolgreiche kurzfristige Ergebnisse zu zeigen scheint, scheint sie Hüften mit fortgeschrittenen Läsionen nicht zu verbessern. In einem Bericht von Horisberger et al. über 20 Patientinnen und Patienten mit Outerbridge-Grad-III- oder -Grad-IV-Läsionen des Azetabulums wurde bei 50 % der Patientinnen und Patienten eine Hüftprothese nach einem mittleren 3-Jahres-Follow-up durchgeführt oder geplant [19]. Philippon et al. berichten über Mikrofrakturierung bei chondralen azetabulären Defekten in 9 Fällen. Die durchschnittliche prozentuale Defektfüllung der Läsionen betrug im Rahmen einer Second-Look-Arthroskopie 91 % mit Knorpelgrad 1 bzw. 2 in 8 von 9 Fällen [20]. Auch Karthikeyan et al. beschreiben in 20 Fällen eine mittlere Füllung von 96 % mit makroskopisch hochwertigem Reparaturgewebe in 19 Fällen bei einem durchschnittlichen Follow-up von 17 Monaten [21].