Übersichtsarbeiten - OUP 03/2024
Relevanz der Therapie von Begleitpathologien in der knorpelregenerativen Therapie an Hüft-, Knie- und SprunggelenkPraktisches Vorgehen
Arnd Hoburg, Christian Plaaß, Wolfram Steens
Zusammenfassung:
Die wichtigsten Grundsätze der Behandlung von Knorpelschäden am Hüft-, Knie- und Sprunggelenk haben sich in den letzten Jahren kaum verändert. Prinzipiell werden symptomatische Schäden nach ICRS (International Cartilage Repair & Joint Preservation Society) Grad 3 und 4 behandelt. Jedoch hat die Analyse der auslösenden Faktoren dazu geführt, dass zunehmend die Begleitpathologien in den Fokus gerückt sind. In der Folge der zunehmenden Adressierung dieser im Rahmen der knorpelregenerativen Therapien, haben sich die Ergebnisse in den letzten Jahren verbessert. Grundsätzliche Faktoren, die im Rahmen der Knorpeltherapie zu berücksichtigen sind, beinhalten Achse, Stabilität, Meniskuspathologien oder präarthrotische Deformitäten wie z.B. die Hüftdysplasie oder Deformitäten des femuroazetabulären Impingementsyndroms. Die Korrektur eventueller Begleitpathologien als Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie sollte bestenfalls vor einer Knorpeloperation, spätestens aber zum Zeitpunkt einer Knorpeloperation erfüllt sein. Mit diesem Artikel möchten wir einen Überblick der wichtigsten Begleitpathologien an den großen Gelenken der unteren Extremität geben und einige praktische Hinweise, wie und wann diese zu korrigieren sind.
Schlüsselwörter:
Knorpel, Osteotomie, OSG, Hüftgelenk, Kniegelenk, Kreuzbandrekonstruktion, Instabilität,
Dysplasie, femoroazetabuläres Impingement
Zitierweise:
Hoburg A, Plaaß C, Steens W: Relevanz der Therapie von Begleitpathologien in der
knorpelregenerativen Therapie an Hüft-, Knie- und Sprunggelenk. Praktisches Vorgehen
OUP 2024; 13: 106–114
DOI 10.53180/oup.2024.0106-0114
Summary: General principles of cartilage repair therapies have not changed in the last years. Recommendations for cartilage repair include symptomatic ICRS grade 3 and 4 classified cartilage defects. However, what has changed in the last years is a better understanding of underlying or concomitant pathologies. Since a more precise analysis and stringent therapy of concomitant pathologies has been performed, an increase in success rates especially in formerly difficult entities could be observed. The most important concomitant pathologies in cartilage therapies of the hip-, knee- and ankle joint are axis deviations, instabilities, meniscus pathologies or prearthrotic deformities like hip dysplasia and femuroacetabular impingement syndrome. To increase the efficiency of cartilage repair procedures these pathologies should be corrected either prior to, or at latest concomitant to any cartilage repair surgery. Therefore, this article is intended to give an overview of the most important concomitant pathologies in cartilage repair of the lower extremities and their possibilities of correction.
Keywords: Cartilage repair, osteotomy, ankle joint, hip joint, knee joint, ACL, instability, hip dysplasia, impingement
Citation: Hoburg A, Plaaß C, Steens W: Relevance of concomitant surgeries in cartilage repair therapies
of hip-, knee- and ankle joint. Practical advises
OUP 2024; 13: 106–114. DOI 10.53180/oup.2024.0106-0114
A. Hoburg: MedCenter 360 Grad Berlin
C. Plaaß: Medizinische Hochschule Hannover, Orthopädische Klinik, DIAKOVERE Annastift
W. Steens: ONZ – Orthopädisch Neurochirurgisches Zentrum
Einleitung
Die Behandlung von Begleitpathologien bei Knorpelschäden am Hüft-Knie- und Sprunggelenk nimmt eine Schlüsselrolle für das Outcome einer Knorpeltherapie ein. Viele der vorliegenden Begleitpathologien sind präarthrotische Deformitäten und begünstigen damit das Auftreten und Fortschreiten von Knorpelschäden. Daher muss für eine erfolgreiche Knorpeltherapie der Knorpelschaden immer im Kontext der begleitenden Faktoren gesehen und analysiert werden. Der vorliegende Artikel soll einen Überblick über die relevantesten Begleitpathologien und deren Behandlung geben.
Therapie von Begleitpathologien am Hüftgelenk
Die Hüftpfanne sowie der Femurkopf und -hals bilden die knöcherne Stabilität der Hüfte, wobei die Architektur der Hüftpfanne den Großteil der knöchernen Stabilität der Hüfte auf Kosten des Bewegungsumfangs gewährleistet. Theoretisch verringert die Kongruenz des femoroazetabulären Gelenks die Bedeutung der Weichteilbeschränkungen in der Hüftbiomechanik. Anomalien in der knöchernen Struktur können die Gelenkkongruenz und die inhärente Stabilität beeinflussen, indem sie die Kraftverteilung und die Kontaktfläche an der Gelenkoberfläche verändern und sich als Mikro- oder Makroinstabilität der Hüfte manifestieren [1–4]. Die häufigste Pathologie, die die meisten dieser knöchernen Anomalien repräsentiert und umfasst, ist die Dysplasie der Hüfte (DDH), die häufig mit einer abnormalen Ausrichtung der Hüftpfanne einhergeht, die ihre Überdachung, Neigung, Tiefe und pathologische Schenkelhalsversion beeinflusst. Mit der Modifizierung von Techniken der Beckenosteotomie und der Einführung intrakapsulärer Verfahren wie der Arthroskopie und der Osteochondroplastik am Schenkelhals können Patientinnen und Patienten mit symptomatischer Hüftdysplasie von gelenkerhaltenden Verfahren profitieren.
Mit Einführung des biomechanischen Konzeptes des femoroazetabulären Impingementsyndroms (FAIS) als dynamischer intraartikulärer Pathomechanismus durch Ganz wurde diesen anatomischen Veränderungen am Hüftgelenk die entsprechende Bedeutung als präarthrotische Deformität zuteil. Während es beim Pincer-FAIS zu einem abnorm frühen linearen Kontakt des übergreifenden Pfannenrandes mit dem Schenkelhals und entsprechender Kompromittierung des Labrums, des femoralen Knorpels und einer im Verlauf erst spät sich entwickelnden, postero-medialen contre-coup-Läsion des Azetabulums kommt, zeichnet sich das Cam-FAIS aufgrund der pathologischen Konvexität am Schenkelhals vor allem bei Innrotations-/Flexionsbewegungen durch Scherwirkungen auf den chondrolabralen Komplex aus. Insbesondere das Cam-FAIS wird heute bei nahezu 50 % aller Coxarthrosen als präarthrotische Ursache angesehen. Clohisy et al. stellten fest, dass die sekundäre Arthrose zu fast gleichen Teilen mit der Entwicklung einer Hüftdysplasie und einem femoroazetabulären Impingementanomalien assoziiert war (48,4 % bzw. 50,7 %) und dass sie zusammen 99 % der Hüften mit vorzeitiger Arthrose ausmachten [5]. Die Diagnose des FAI definiert sich durch das Vorliegen der entsprechenden Beschwerdesymptomatik und dem klinischen sowie radiologisch-morphologischen Nachweis. Die Studienlage zur regenerativen Knorpelchirurgie der Hüfte hinkt der am Kniegelenk derzeit noch deutlich hinterher. Die meisten knorpelchirurgischen Therapiekonzepte der Hüfte basieren auf wissenschaftlichen Grundlagen und Strategien, die für das Knie entwickelt wurden. Mehrere innovative Techniken wurden bereits am Hüftgelenk eingeführt und in der Literatur beschrieben. Derzeit besteht noch eine Informationslücke, insbesondere bezüglich systematischer Übersichtsarbeiten in der Literatur mit evidenzbasierten Empfehlungen zur Behandlung von Knorpelverletzungen des Hüftgelenks.
Dwyer et al. konnten anhand einer Langzeitbeobachtung über 20 Jahre aufzeigen, dass ein Alter ? 40 Jahre das Vorliegen von Azetabulumschäden bei schweren Hüftkopfschäden wie auch das Vorliegen schwerer Azetabulumschäden bei Hüftkopfschäden zu einer Konversion zur Hüftendoprothese führte. Das Fehlen jeglicher Knorpelschäden reduzierte das Konversionsrisiko um 90 % [6]. Alle Patientinnen und Patienten in dieser Studie wurden vor der digitalen Röntgenaufnahme und der Erstbeschreibung des femoroazetabulären Impingementsyndroms durch Ganz einem ausschließlichen arthroskopischen Labrumdebridement unterzogen und es kann daher nur über den möglichen Einfluss einer veränderten knöchernen Morphologie auf das Ergebnis dieser Fälle spekuliert werden. Das Ergebnis dieser Studie verlangt konsekutiv von der gelenkerhaltenden Chirurgie neben der knöchernen Korrektur auch Therapieoptionen für den Gelenkknorpeldefekt.
Grundsätzlich ist die erfolgreiche Therapie eines Gelenkknorpelschadens nur im Rahmen einer gleichzeitig durchzuführenden Beseitigung der zugrunde liegenden knöchernen anatomischen Pathologie möglich. Die alleinige physiotherapeutische oder knorpelreparative Vorgehensweise ist nicht nachhaltig und zielführend [7].
Jüngste Ergebnisdaten haben gezeigt, dass die Hüftarthroskopie eine praktikable Option in der Therapie der Borderline-Dysplasie mit und ohne FAI ist. Die Hüftarthroskopie kann die begleitenden Weichteil- und knöchernen intraartikulären Pathologien behandeln und andere Operationen überflüssig machen. Darüber hinaus kann die Hüftarthroskopie als ergänzende Behandlung zu anderen Verfahren wie der periazetabulären Osteotomie (PAO) eingesetzt werden.
Die 1983 von Ganz et al. entwickelte Berner periazetabuläre Osteotomie bietet einen Vorteil aufgrund der Ausgewogenheit zwischen minimaler Exposition, geringen Komplikationsraten und der Fähigkeit, eine optimale Korrektur zu erzielen [8, 9]. Die Indikation für eine PAO besteht bei Patientinnen und Patienten unter 40 Jahren, die eine leichte bis mittelschwere symptomatische Dysplasie, eine gute bis hervorragende Kongruenz zwischen Hüftpfanne und Hüftkopf [10], einen Tönnis-Grad von 0 oder 1 und keine Adipositas (BMI <30 kg/m2 ) aufweisen. Umgekehrt sind Patientinnen und Patienten mit einer Verengung des Gelenkspalts, einer auf dem Röntgenbild oder der MRT sichtbaren supraazetabulären Zyste oder einer Inkongruenz zwischen Femurkopf und Azetabulum bessere Kanditatinnen/Kandidaten für eine HTEP, wenn sie > 40 Jahre alt sind. Die PAO ist ein erfolgreiches Verfahren zur Schmerzlinderung und Verbesserung der Hüftfunktionswerte bei Patientinnen und Patienten mit leichter bis mittelschwerer symptomatischer Hüftdysplasie. Klinische Nachuntersuchungen mit gleichermaßen Verbesserungen der Hüftfunktionswerte, Verhinderung des radiologischen Fortschreitens der Arthrose und der Überlebensrate wurden in vielen Arbeiten berichtet [11–15].
Gegenwärtig finden verschiedene arthroskopische Techniken Anwendung in der Behandlung der FAIS-bedingten Knorpelläsionen. Diese reichen vom Debridement/Mikrofrakturierung über das Fibrin-Verkleben der delaminierten azetabulären Knorpelläsionen bis hin zu knochenmarkstimulierenden matrixgestützten (BMS) wie auch zellulären Prozeduren. Für die Therapie vollschichtiger Defekte haben sich an der Hüfte das reine Debridement mit Stabilisierung der Knorpeldefektränder und die matrixinduzierte Knochenmarkstimulation (mBMS) sowie die matrixgekoppelte autologe Knorpelzelltransplantation (MACT) als effektive Techniken herauskristallisiert [16]. Daten aus dem Deutschen Knorpelregister DGOU konnten zeigen, dass das reine Debridement der Mikrofrakturierung an der Hüfte überlegen ist, weshalb die reine Mikrofrakturierung an der Hüfte im DACH-Bereich inzwischen als obsolet gilt. Im Gegensatz zum Kniegelenk kommen die erwünschten Knochenmarkstammzellen der Knochenmarkstimulation aus den zu nahezu 100 % durchgeführten knöchernen FAIS-Korrekturen, bei denen regelhaft das Knochenmark eröffnet wird. Eine erst in jüngster Zeit zur Anwendung gekommene Methode ist eine autologe Transplantation von Knorpel, die als sog. minced cartilage-Verfahren bereits am Kniegelenk mit ersten Ergebnissen aufwarten kann und den Vorteil der einzeitigen Anwendung verspricht.
Arthroskopische Techniken der Knorpelchirurgie am Hüftgelenk
Fibrinverklebung
Die Verwendung von Fibrinkleber delaminierter azetabulärer Knorpelläsionen konnte in 2 Studien mit einer signifikanten Verbesserung des modified Harris Hip Scores (mHHS) sowie der Schmerz- und Funktionssubskalen im Vergleich zum Ausgangswert nach mindestens 1 Jahr nachgewiesen werden. Acht von 62 Patientinnen und Patienten benötigten eine Revisionsoperation und wiesen in der Revisionsarthroskopie eine stabile Knorpelsituation auf [17, 18].
Mikrofrakturierung und AMIC (Autologe Matrixinduzierte Chondrogenese)
Das Prinzip dieser Technik besteht in der Rekrutierung mesenchymaler Stammzellen zur Defektfüllung mit Faserknorpel. Nach der Mikrofrakturierung bildet sich ein Clot mit mesenchymalen Stammzellen, die sich zu stabilem Reparaturgewebe differenzieren. In den letzten Jahren wird dieses Konzept auch am Kniegelenk mehr und mehr angezweifelt, da sich gezeigt hat, dass nur geringste Mengen von Stammzellen aus den „Mikrofrakturierungslöchern“ stammen.
Die Technik ist zwar arthroskopisch relativ einfach und kostengünstig durchführbar, mit allerdings häufigen ungünstigen knöchernen Veränderungen wie Zysten und Knochenvorsprüngen in bis zu 60 % an der Defektstelle. Nachteilig hierbei außerdem ist die Tatsache, dass weniger Typ-II-Knorpel mit anderen biomechanischen Eigenschaften als hyaliner Knorpel generiert wird, was seine Widerstandsfähigkeit und Langlebigkeit reduziert. Adjuvant besteht die Möglichkeit das Defektareal mit einer Membran (sog. AMIC-Verfahren = autologe matrixinduzierte Chondrogenese) zu schützen, um zum einen eine Abscherung des Clots aus dem Defektbereich zu verhindern und zum anderen eine permissive Situation zur Knorpelreparatur zu etablieren. Hierfür stehen entsprechende kollagen- oder hyaluronbasierte Biomaterialien zur Verfügung. Die zusätzliche Fixierung der Membran mit Fibrinkleber ist hierbei fakultativ möglich. Obwohl die Mikrofraktur bei Patientinnen und Patienten mit minimaler oder keiner Arthrose erfolgreiche kurzfristige Ergebnisse zu zeigen scheint, scheint sie Hüften mit fortgeschrittenen Läsionen nicht zu verbessern. In einem Bericht von Horisberger et al. über 20 Patientinnen und Patienten mit Outerbridge-Grad-III- oder -Grad-IV-Läsionen des Azetabulums wurde bei 50 % der Patientinnen und Patienten eine Hüftprothese nach einem mittleren 3-Jahres-Follow-up durchgeführt oder geplant [19]. Philippon et al. berichten über Mikrofrakturierung bei chondralen azetabulären Defekten in 9 Fällen. Die durchschnittliche prozentuale Defektfüllung der Läsionen betrug im Rahmen einer Second-Look-Arthroskopie 91 % mit Knorpelgrad 1 bzw. 2 in 8 von 9 Fällen [20]. Auch Karthikeyan et al. beschreiben in 20 Fällen eine mittlere Füllung von 96 % mit makroskopisch hochwertigem Reparaturgewebe in 19 Fällen bei einem durchschnittlichen Follow-up von 17 Monaten [21].
Von 10 Patientinnen und Patienten mit symptomatischen FAIS und parafovealen, chondralen Defekten, die Zaltz und Leunig im Rahmen einer chirurgischen Hüftluxation behandelten, wurden 7 mit einer Mikrofrakturierung und 3 mit AMIC behandelt. Alle Patientinnen und Patienten konnten ihr präoperatives Funktionsniveau wieder erreichen mit Ausnahme eines Patienten. Im Rahmen der letztmaligen Nachuntersuchung zeigten sich keine asymmetrischen Gelenkspaltverengung in den Beckenübersichtsaufnahmen [22].
Fontana et al. verglichen das arthroskopische Ergebnis von 77 Mikrofrakturierungen und 70 AMIC-Behandlungen bei Knorpelläsionen des Acetabulums. Obwohl sich das Ergebnis in beiden Gruppen signifikant nach 6 bzw. 12 Monaten verbesserte, verschlechterten sich nach 4 Jahren die Mikrofrakturierungen während sie in der AMIC-Gruppe stabil blieben [23]. In einer weiteren Studie berichten letztgenannte Autoren über 201 Fälle mit 3–4° Knorpeldefekten des Azetabulums, die arthroskopisch mit AMIC behandelt wurden. Nach bereits 6 Monaten zeigte sich eine signifikante Verbesserung im mHSS, der im Weiteren nach 3 Jahren die höchste Verbesserung aufwies [24].
MACI und (M)ACT – autologe Chondrozytentransplantation
Dem Verfahren der autologen Knorpelzelltransplantation liegt ein zweizeitiges Vorgehen mit Anzüchtung von Knorpelzellen nach der Entnahme einer geringen Menge an Knorpelgewebe aus einem weniger belasteten Bereich des Hüftgelenkes und der Transplantation in den Defektbereich im Rahmen des Zweiteingriffs zugrunde. Verfahren der 3. Generation (MACT), die mit verschiedenen Trägermaterialien wie in situ polymerisierenden Hydrogelen oder dreidimensionalen Sphäroiden (Zell-Matrix-Kügelchen) nun die arthroskopische Transplantation der Chondrozyten ermöglichen, liefern darüber hinaus weitere Vorteile wie eine bessere Redifferenzierung und Verteilung der Zellen und ein deutlich reduziertes Auftreten von Implantathypertrophien im Defekt. Die (M)ACT stellt bei vollschichtigen, umschriebenen Knorpeldefekten des Hüftgelenkes und dem Fehlen einer wesentlichen Gelenkdegeneration ab einer Größe von 1,5–2 cm2 das Therapieverfahren der Wahl dar. Körsmeier et al. berichten prospektiv über 16 Fälle mit chondralen azetabulären Defekten im Rahmen eines Cam-FAIS, die mit Sphäroiden behandelt wurden. Es konnte eine signifikante Verbesserung im NAHS und WOMAC-Score sowohl 6 Wochen nach Transplantation als auch zum Zeitpunkt der letztmaligen Nachuntersuchung nach durchschnittlich 16,09 Monaten beobachtet werden [25]. Mancini und Fontana verglichen die arthroskopische MACI- und AMIC-Behandlung azetabulärer Defekte zwischen 2 und 4 cm2 Größe infolge FAIS. In beiden Gruppen zeigte sich eine deutliche Verbesserung im mHHS nach 6 Monaten bzw. nach 3 Jahren und stabilen Werten bis zum 5-Jahres-Follow-up ohne statistisch signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen [26].
Minced cartilage –
„zerhackter“ Knorpel
Analog zum Einsatz dieses Verfahrens am Kniegelenk sind für das Hüftgelenk aufgrund der anatomisch bedingten höheren Kongruenz der Gelenkflächen ähnlich gute kurzfristige Ergebnisse jüngst in einer Fallserie beschrieben worden.
Gebhardt et al. berichten bei einer Defektgröße von durchschnittlich 3,5 cm2 (1,5–4,5 cm2 ) über eine signifikante Verbesserung des iHOT-12 nach 2 Jahren von 50,2 ± 18 auf 86,5 ± 19 (P < 0,0001) bei gleichzeitig sinkendem Schmerzscore (VAS) von 5,6 ± 1,8 auf 1,0 ± 1,5 (P < 0,0001). In Bezug auf das funktionelle Ergebnis und die Schmerzen erreichten 10 der 11 Patienten bzw. alle Patienten den minimalen klinisch wichtigen Unterschied (MCID). Der postoperative durchschnittliche MOCART-Score lag bei 87,2 (± 9,2). Es wurden keine unerwünschten Ereignisse oder Reoperationen beobachtet [27]. Diesen ersten erfolgversprechenden Ergebnissen stehen sicherlich die hohen technischen Herausforderungen dieses Verfahrens gegenüber. Ein fokaler, randständiger azetabulärer Defekt mit einer stabilen Knorpelschulter und einem intakten bzw. refixierten Labrum stellt hierbei die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Platzierung der Knorpelchips im Defektbereich dar (Abb. 1). Dem Vorteil dieser auch spontan einzeitig durchführbaren Knorpeltherapie stehen bei diesem Verfahren die noch ungewisse Datenlage sowie die technisch anspruchsvolle Durchführung wie auch eine deutliche Ausweitung der Operationszeit gegenüber.
Therapie von Begleitpathologien am Kniegelenk
Die wichtigsten Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche knorpelregenerative Therapie sind eine gerade Beinachse, ein bandstabiles Gelenk und ein funktionsfähiger Meniskus. Dieses wurde schon 2006 vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GbA) in den Qualitätskriterien zur ACT gefordert und ist auch heute, wenn auch mittlerweile nicht mehr zwingend vorgeschrieben, für andere knorpelregenerative Therapien anwendbar. Da es sich insbesondere bei traumatischen Knorpelverletzungen häufig um Kombinationsverletzungen handelt, sind diese Voraussetzungen jedoch in vielen Fällen nicht gegeben.
Achsfehlstellung
Eine Varus- oder Valgusfehlstellung stellt aufgrund der unilateralen Belastung ein Prädiktor für das Auftreten oder Fortschreiten von Knorpelschäden dar. Eine Auswertung der Begleittherapien im Rahmen des Knorpelregisters der DGOU von knapp 5000 Patientinnen und Patienten zeigte, dass 50 % der femorotibialen knorpelregenerativen Therapien mit einem Begleiteingriff kombiniert wurden [28]. Hierbei zeigte sich, dass die traumatischen Schäden vorwiegend bei jüngeren Patientinnen und Patienten auftraten und meistens eine vordere Kreuzbandplastik erhielten, wohingegen die Patientinnen und Patienten mit degenerativen Schäden meist älter waren und vor allem Umstellungsosteotomien erhielten. Das vermehrte Auftreten degenerativer Schäden verwundert vor dem Hintergrund nicht, dass bei gerader Beinachse ca. 55 % der Belastung durch das mediale Kompartiment verlaufen und sich diese Last pro Grad Varus um ca. 5 % erhöht [29, 30]. Dies kann durch eine Osteotomie wieder korrigiert werden. Aufgrund der zunehmenden wissenschaftlichen Datenlage wurde die Indikation zur Osteotomie von > 5° mittlerweile auf Fehlstellungen von > 3° erweitert, da sich insbesondere in der Kombination mit knorpelregenerativen Eingriffen ein Vorteil im klinischen Ergebnis auch schon bei geringen Korrekturen zwischen 1–3° gezeigt werden konnte [31]. Ein aktuelles Review, das eine Knorpeltherapie mit versus ohne Osteotomie verglichen hat, kam zu dem Ergebnis, dass die zusätzliche Osteotomie zu einer höheren Verbesserung der klinischen Scores sowie zu einer geringeren Reoperationsrate führt [32]. Für die Kombination aus HTO + m-ACT konnten weiterhin exzellente Langzeitergebnisse gezeigt werden mit einer Überlebensrate von 94,3 % nach 10 Jahren, wobei die Konversion zur Endoprothese als Versagen definiert wurde [33]. Die Kombination aus Umstellungsosteotomie und Knorpeloperation lässt sich bei der Verwendung eines matrixassoziierten knochenmarkstimulierenden (mBMS) oder des minced cartilage-Verfahrens gut vereinbaren, da hierzu nur eine Operation notwendig ist. Durch die Möglichkeit, viele dieser Verfahren arthroskopisch oder minimalinvasiv durchführen zu können, ist das zusätzliche operative Trauma gering. Bei Defekten, die mit einer matrixassoziierten autologen Chondrozytentransplantation (mACT) versorgt werden sollen, ist aufgrund des zweizeitigen Verfahrens zu überlegen, ob die Umstellungsosteotomie im Rahmen der Knorpelentnahme oder Transplantation durchgeführt werden sollte. Im Sinne der Nachbehandlung und zur Reduktion der Zeit an Gehstützen für die Patientin/den Patienten sollte hier sicherlich die Kombination aus Osteotomie und Knorpelimplantation favorisiert werden (Abb. 2). Anzumerken hierzu ist natürlich, dass dieses medizinisch sinnvolle Vorgehen im aktuellen DRG-System durch Fehlanreize wirtschaftlich ungünstig ist und die Behandlungskosten nicht abbildet, da in diesen Fällen nur ein Eingriff vergütet wird. Jedoch kann die Arbeitsunfähigkeit der Patientin/des Patienten
reduziert werden, da nach Knorpelbiopsie meist eine rasche Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit bis zur Implantation möglich ist. Gerade in diesem Kontext sollte weiter eine auf eine Reduktion wirtschaftlicher Fehlanreize seitens der Kostenträger hingearbeitet werden, da es insbesondere bei dieser Patientengruppe sinnvoll ist, die Arbeitsunfähigkeit möglichst zu minimieren.
Jedoch kann es durchaus sinnvoll sein, eine Osteotomie bereits im Rahmen der Biopsie durchzuführen. So kann z.B. bei Vorliegen eines deutlichen Knochenödems dieses durch eine frühzeitige Entlastung reduziert werden und somit ggfs. das Ergebnis der m-ACT positiv beeinflussen. Auch im Rahmen der Kombination mehrerer Verfahren wie z.B. Meniskusoperation oder patellofemorale Stabilisierungen ist es häufig notwendig, die Begleiteingriffe auf beide Operationen zu verteilen. Hier ist auch die eigene operative Erfahrung sowie die Abschätzung der OP-Zeit in die Entscheidung einzubeziehen, sodass z.B. die Blutsperrenzeit nicht überschritten wird. Grundsätzlich empfiehlt es sich, hierbei Verfahren mit ähnlicher Nachbehandlung zu kombinieren. Auch wenn die Osteotomien mittlerweile in aller Regel keine Teilbelastung von 6 Wochen benötigen, sondern schrittweise und symptomadaptiert aufbelastet werden können, sollte bei der Kombination im Rahmen femorotibialer Knorpeldefekte die in aller Regel langsamere 6-wöchige Teilbelastung zum Schutz des Knorpels eingehalten werden. Bei kleinen Defekten oder sehr guten Containments ist aber auch hier ggfs. eine symptomadaptierte Belastung möglich.
Instabilität
Neben der Achsfehlstellung ist ein weiterer häufiger Begleitfaktor von Knorpelschäden die Instabilität des Kniegelenkes. Hierbei kann es entweder im Rahmen des Unfalls zu einem traumatischen Knorpelschaden kommen, jedoch sind instabilitätsbedingte Knorpelschäden auch im jungen Alter bei unbehandelten und restinstabilen Gelenken nicht selten [34, 35]. Hierbei ist aufgrund der hohen Inzidenz vor allem die Instabilität des vorderen Kreuzbandes zu nennen. Eine matched-pair-Analyse aus dem deutschen Knorpelregister konnte in der Kombination von vorderer Kreuzbandrekonstruktion und m-ACT vergleichbare Ergebnisse wie bei alleiniger m-ACT über einen Verlauf von 2 Jahren nachweisen [36]. Insgesamt ist die Datenlage der Kreuzbandrekonstruktion in Kombination mit knorpelregenerativen Eingriffen begrenzt. Eine skandinavische Studie konnte zeigen, dass eine Mikrofrakturierung im Rahmen der VKB-Rekonstruktion keinen Vorteil im Vergleich zum Debridement bzw. zu keiner Therapie des Knorpelschadens im Verlauf von 5 Jahren bringt, wobei dies vor dem Hintergrund der heutigen Erkenntnisse bzgl. der Mikrofrakturierung-(Mfx-)Therapie nicht verwundert. Hierbei wurden sogar tendenziell schlechtere Ergebnisse in wesentlichen Subscores wie Sport gefunden [37]. Gudas et al. zeigten ähnliche Ergebnisse mit signifikant besseren Ergebnissen einer OATS-Therapie (osteochondrale autologe Transplantation) im Vergleich zur Mikrofrakturierung [38]. Daher sollte aus Sicht der Autoren gerade in diesem Patientenkollektiv eine Knorpeltherapie sorgfältig ausgewählt werden und auf bewährte Therapien mit nachgewiesenen Erfolgsraten zurückgegriffen und eine Mfx vermieden werden. Bezüglich der Kombination sind auch Kreuzbandrekonstruktionen gut mit einer Knorpeloperation vereinbar und einzeitig gut durchzuführen. Jedoch ist hierbei auch auf die manchmal konkurrierenden Nachbehandlungen zu verweisen. Gerade bei patellofemoralen Pathologien oder Knorpelschäden, die die Einschränkung der Beweglichkeit erfordern, ist zu überlegen, zunächst eine Kreuzbandrekonstruktion mit frühfunktioneller Nachbehandlung durchzuführen und erst im Versatz die Knorpeloperation zu planen. Hierbei kann z.B. bei der Verwendung der m-ACT die Kreuzbandrekonstruktion bei Knorpelprobenentnahme durchgeführt werden und das Zeitfenster der Zellzüchtung genutzt werden, um schon ein adäquates funktionelles Ergebnis zu erzielen.
Meniskus
Als weiterer wichtiger Faktor bezüglich des Erfolges einer Knorpeloperation kommt dem Meniskus eine entscheidende Funktion zu. Aufgrund seiner stabilisierenden und lastverteilenden Funktion ist er in der Lage, Druckspitzen zu minimieren und damit eine adäquate Regeneration des Knorpels zu ermöglichen. Daher sollte das Ziel immer der Erhalt des Meniskus darstellen. Dies ist durch die gängigen Meniskus-Nahttechniken bzw. transossären Refixationen wie bei einer Wurzelläsion zu erreichen. Schwierig kann dies bei großen Lappenrissen und komplexen Rissen sein, bei denen auch die weiße bzw. rot-weiße Zone betroffen ist. Hier kann z.B. auch durch ein Meniskuswrapping (arthroskopische Matrixassoziierte Meniskus-Reparatur; AMMR) eine Wiederherstellung der Meniskusfunktion erzielt werden (Abb. 3). Die Gruppe um Piontek et al. konnten hierbei ausgezeichnete Ergebnisse bei komplexen Rissen im Verlauf von 10 Jahren nachweisen [39]. Bezüglich der Kombination der Eingriffe gelten hierbei die gleichen Voraussetzungen wie bei den vorherigen Prozeduren. Im Rahmen der mACT sollte auch hier im Sinne der nur einmaligen Nachbehandlung eine Meniskusrefixation im Rahmen der Implantation der Zellen durchgeführt werden. Jedoch sind instabile Risse oder starke Beschwerden der Patientin/des Patienten Indikationen, bei denen die Meniskusnaht in der ersten Operation durchgeführt werden sollte. Auch bei komplexen Rissen kann eine primäre Naht sinnvoll sein, da man im Versatz von 4–6 Wochen erneut die Möglichkeit hat, die Stabilität des Meniskus zu überprüfen. Hierbei sollte jedoch bedacht werden, dass nach dieser Zeit nicht von einer Heilung des Meniskus ausgegangen werden darf.
Patellofemorales Gelenk
Bezüglich des patellofemoralen Gelenkes ist die Behandlung der Begleitpathologien extrem bedeutend, jedoch häufig auch sehr komplex. Bis vor einiger Zeit galten die Ergebnisse der knorpelregenerativen Therapien am Patellofemoralgelenk immer als problematisch und mit potenziell schlechteren Ergebnissen. Dies konnte in aktuelleren Studien besonders für die m-ACT widerlegt werden [40, 41]. Ein bedeutender Faktor dieser verbesserten Ergebnisse stellt die zunehmende Behandlung der Begleitpathologien dar. Diese sind gerade im Bereich der patellofemoralen Instabilität komplex und erfordern eine abgestimmte Therapie, um möglichst die Ursache der Instabilität zu adressieren. Da es aber insbesondere im Rahmen der Instabilität sowohl zu traumatischen als auch früh-degenerativen Knorpelschäden des Patellofemoralgelenkes kommt, erfolgt die Kombination mit Knorpeloperationen häufig. In einem aktuellen Review wurden isolierte Knorpeltherapien mit Knorpeloperation und Begleittherapie verglichen [42]. Hierbei erfolgten am häufigsten MPFL-Rekonstruktionen, Tuberositasosteotomien und Retinakulumverlängerungen. Trotz eines niedrigeren präoperativen Scores in der Gruppe der Begleitoperationen zeigten sich postoperativ vergleichbare Werte beider Gruppen. Bezüglich der Kombination der knorpelregenerativen Eingriffe mit einem Begleiteingriff ist hier die Planung der notwendigen Eingriffe essenziell. Im Rahmen einfacherer Pathologien, die mittels MPFL-Rekonstruktion oder Tuberositasosteotomie behandelt werden können, empfiehlt sich die Kombination des Knorpeleingriffes mit der Begleitoperation. Im Rahmen der m-ACT ist von einer MPFL-Rekonstruktion im Rahmen der Entnahme abzuraten, da ansonsten das MPFL im Rahmen einer medialen Arthrotomie wieder durchtrennt werden kann. Daher empfiehlt es sich, für dieses Vorgehen die arthroskopischen Applikationen zu nutzen. Insbesondere bei aufwendigeren Korrekturen mit Osteotomien, Trochleaplastik etc. sollte die Planung der Knorpeloperation in den Kontext der Nachbehandlung passen und ist somit abhängig vom Gesamtkonzept.
Begleitpathologien osteochondraler Läsionen des Talus
Bandläsionen
Die häufigste Begleitpathologie der osteochondralen Läsion des Talus (OCLT) ist die Bandläsion. Daten aus dem deutschen Knorpelregister der DGOU haben gezeigt, dass Patientinnen und Patienten mit begleitender OSG-Instabilität einen schlechteren FAOS Quality-of-Life-Score haben, als Patientinnen und Patienten ohne diese [43].
Vermutlich können verschiedene Ursachen zur Entwicklung einer OCLT beitragen. Grundsätzlich müssen juvenile Formen – die eher durch eine vaskuläre Genese erklärt werden – von posttraumatischen Formen unterschieden werden. Entsprechend zeigen die Registerdaten, dass Patientinnen und Patienten mit einer begleitenden OSG-Instabilität häufiger eine traumatische Ursache angeben, als solche ohne Instabilität (89,7 % vs 38,3 %), ein höheres Durchschnittsalter (34 (20–65) Jahre vs. 28,5 (18–72) Jahre) und größere Läsionen (150 mm² vs. 100 mm²) haben [43].
Die in der Literatur beschriebenen unterschiedlichen Raten an begleitenden Instabilitäten erklären sich durch unterschiedliche Patientenkollektive, Ausschlusskriterien der Arbeiten, aber auch Definitionen der Instabilität. Unterschieden werden müssen bei den OSG-Instabilitäten kompensierte (coper) von funktionell nicht kompensierten, somit symptomatischen Formen (non-coper).
Diagnostik der Bandläsion
Nach Anamnese und klinischer Untersuchung bildet das Röntgenbild nach wie vor die Grundlage der Diagnostik am Sprunggelenk. Ohne begleitende Deformitäten sollte dies als möglichst belastetes Röntgenbild des oberen Sprunggelenkes (OSG) in 2 Ebenen erfolgen. Insbesondere bei länger andauernden Instabilitäten oder ausgeprägten Traumen finden sich auch weitergehende Pathologien z.B. der Chopard-Reihe oder Deformitäten, die diagnostiziert werden müssen, weshalb der gesamte Fuß geröntgt werden sollte. Besteht der Verdacht auf eine Achsdeformität (s.u.), muss auch eine Rückfußachsaufnahme durchgeführt werden [44]. Diese sogenannte 4-er Serie bestehend aus belastetem OSG a.p., Fuß d.p. und seitlich sowie Rückfußachsaufnahme und ist die Basis der weitergehenden (Rück-)Fußdiagnostik. Nach wie vor bietet das Röntgen eine Überlegenheit bei der Diagnostik auch kleiner ossärer ligamentärer Ausrisse oder beginnender osteophytärer Anbauten.
Die früher durchgeführten gehaltenen Aufnahmen haben sich als nicht ausreichend valide gezeigt und werden daher nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt (Abb. 4).
Die MRT-Bildgebung zeigt für die Diagnostik der Bandläsion am oberen Sprunggelenk eine Sensitivität von 67 % für Läsionen des Lig. fibulotalare anterior (LFTA) und 40 % für Läsionen des Lig. fibulo-calcaneare (LFC) [45, 46]. Durch optimierte MRT-Protokolle und die Auswertung der indirekten Zeichen der Bandläsion, wie dem Winkel zwischen dem anterioren und dem posterioren fibulotalaren Ligament, werden höhere Detektionsraten erzielt, haben aber noch nicht Einzug in die Standarddiagnostik gehalten [47–49]. Das MRT ist somit nicht zur primären Diagnostik der Bandläsion geeignet, allerdings notwendig für die Diagnostik von Begleitpathologien wie Knorpelschäden oder Sehnenläsionen.
Aufgrund der fehlenden eindeutigen Bildgebung bleibt die Anamnese und klinische Untersuchung somit für die Einschätzung der OSG-Instabilität essenziell. Die definitive Diagnose der OSG-Instabilität kann dann häufig erst intraoperativ bei der OSG-Arthroskopie gestellt werden, die den Goldstandard bei der Diagnostik der Bandinstabilitäten darstellt. Hierbei wird nicht nur die Aufklappbarkeit des Gelenkes getestet, sondern auch der Bandapparat direkt visualisiert, um auch Mikroinstabilitäten nicht zu verpassen (Abb. 5) [50, 51].
Therapie der OSG-Instabilität
Durch die erfolgreiche Behandlung einer begleitenden OSG-Instabilität erreichen Patientinnen und Patienten mit OCLT vergleichbare Ergebnisse wie diejenigen ohne vorherige Instabilität, während Patientinnen und Patienten mit persistierender Instabilität schlechtere Ergebnisse zeigen [52, 53]. Durch die Weiterentwicklung der vergangenen Jahre hat sich die arthroskopische Bandplastik zunehmend als vollwertige Alternative zur offenen Bandplastik etabliert. Während die ersten Techniken der nicht-anatomischen arthroskopischen Bandplastik u.a. eine gehäufte Rate von Nervenläsionen und Bewegungseinschränkungen zeigten [54], finden sich bei aktuellen anatomischen Techniken auch im mittelfristigen Verlauf mit der offenen Technik vergleichbare Ergebnisse [55]. Da zunehmend auch die OCLT rein arthroskopisch versorgt werden kann, kann die gesamte Behandlung somit rein arthroskopisch erfolgen [56], mit entsprechend geringeren postoperativen Schmerzen und kürzerer Rehabilitation. Sicherzustellen ist hierbei, dass auch bei rein arthroskopischem Vorgehen eine ausreichende Visualisierung und Therapie der Pathologien gegeben ist. Im Zweifelsfall stellt das offene Vorgehen auch mit Innenknöchelosteotomien nach wie vor den Behandlungsstandard dar [57].
Achsdeformitäten
Während für das Kniegelenk eine gute Datenlage für das Risiko der Entwicklung von Knorpelschäden und die Notwendigkeit von Achskorrekturen bei der Therapie besteht, fehlen diese Daten für das Sprunggelenk [58]. Erschwerend kommt hinzu, dass die Erfassung der notwendigen Winkel durch die kurzen Achsenverhältnisse zum Rückfuß, dem angrenzenden unteren Sprunggelenk und parallaxen Fehlern bei konventionellen Ganzbeinaufnahmen, erschwert ist.
Paul et al. fanden in ihrer Studie keinen Zusammenhang zwischen der Rückfußachse und der Lokalisation von OCLT [59]. Dennoch erscheint es sinnvoll, bei Varus-Fehlstellungen eine einzeitige Achskorrektur durchzuführen, da hierdurch das Risiko erneuter Distorsionen reduziert wird und biomechanische Studien zeigten, dass es bei Varusdeformitäten zu einem erhöhten Gelenkdruck medial kommt [60]. Auch die einzeitige Therapie eines supramalleolaren Varus mittels supramalleolärer Osteotomie (SMOT) bei vorliegender OCLT ist in einer Fallserie beschrieben. Die Autoren behandelten 13 Patientinnen und Patienten und fanden einen postoperativen AOFAS-Score von 90 Punkten sowie eine Reduktion des Schmerzscores von 6,7 auf 1,9 [61].
Auch bei Valgusdeformitäten kommt es zu einer unphysiologischen Druckverteilung im oberen Sprunggelenk, wobei die Druckverhältnisse sich nach lateral verschieben. Dennoch postulieren einige Autoren, dass zur Normalisierung der Gelenksphysiologie die Korrektur einer Plattfußstellung auch bei medialen OCLT erfolgen sollte. Valderrabano et al. führten in ihrer Studie bei 61 % der Patientinnen und Patienten eine additive Calcaneus-Osteotomie zur Therapie des Knorpelschadens durch mit guten Ergebnissen [62].
Neben der Therapie von bestehenden Fuß- und Beinfehlstellungen bei der primären Behandlung einer OCLT stellen supra- oder inframalleoläre Osteotomien ein wichtiges Tool bei persistierenden Beschwerden nach Initialtherapie dar. Kim et al. konnten zeigten, dass hierdurch z.B. auch das Zystenvolumen im Talus reduziert werden konnte und die klinischen Scores sich besserten [63].
Fazit
Eine alleinige Knorpeltherapie ist lediglich in der Minderheit der Fälle indiziert. Im Bereich des Hüftgelenkes liegt bei nahezu 100 % der lokalen Knorpelschäden als Ursache eine obligat zu behandelnde präarthrotische Deformität vor. Im Bereich des Kniegelenkes zeigt sich in über 50 % der im Knorpelregister DGOU registrierten Knorpelbehandlungen, dass zusätzlich Begleitpathologien behandelt wurden. Weiterhin zeigen auch Achskorrekturen schon bei geringen Abweichungen von 3° ein verbessertes Outcome nach Knorpeltherapie. Im Bereich des Sprunggelenkes fehlen für Umstellungsosteotomien noch valide Daten oder Standards wann eine Osteotomie erforderlich ist, jedoch sind häufig ein Knochenaufbau oder Bandplastiken notwendig.
Zusammenfassend ist eine differenzierte Knorpeltherapie eine komplexe Therapie, die häufig eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren erfordert. Diese sollten allesamt zum Repertoire der Operateurin/des Operateurs gehören, da eine knorpelregenerative Therapie ohne Behandlung der Kontextfaktoren ein hohes Fehlschlagrisiko birgt und damit häufig zu unzufriedenstellenden Ergebnissen führen wird. Somit ist für alle Fälle eine sorgfältige Analyse der zugrunde liegenden Pathologien und der entsprechenden Korrektur zu fordern. Unter Einbeziehung der Begleitpathologien sind jedoch gute Ergebnisse zu erzielen.
Interessenkonflikte:
A. Hoburg, W. Steens: keine angegeben
C. Plaaß: Forschungsförderung durch Arthrex AG, Medartis AG; Entwickler für Medartis AG; Bezahlter Redner für NewClip AG
Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Arnd Hoburg
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