Übersichtsarbeiten - OUP 03/2024

Relevanz der Therapie von Begleitpathologien in der knorpelregenerativen Therapie an Hüft-, Knie- und Sprunggelenk
Praktisches Vorgehen

Die häufigste Begleitpathologie der osteochondralen Läsion des Talus (OCLT) ist die Bandläsion. Daten aus dem deutschen Knorpelregister der DGOU haben gezeigt, dass Patientinnen und Patienten mit begleitender OSG-Instabilität einen schlechteren FAOS Quality-of-Life-Score haben, als Patientinnen und Patienten ohne diese [43].

Vermutlich können verschiedene Ursachen zur Entwicklung einer OCLT beitragen. Grundsätzlich müssen juvenile Formen – die eher durch eine vaskuläre Genese erklärt werden – von posttraumatischen Formen unterschieden werden. Entsprechend zeigen die Registerdaten, dass Patientinnen und Patienten mit einer begleitenden OSG-Instabilität häufiger eine traumatische Ursache angeben, als solche ohne Instabilität (89,7 % vs 38,3 %), ein höheres Durchschnittsalter (34 (20–65) Jahre vs. 28,5 (18–72) Jahre) und größere Läsionen (150 mm² vs. 100 mm²) haben [43].

Die in der Literatur beschriebenen unterschiedlichen Raten an begleitenden Instabilitäten erklären sich durch unterschiedliche Patientenkollektive, Ausschlusskriterien der Arbeiten, aber auch Definitionen der Instabilität. Unterschieden werden müssen bei den OSG-Instabilitäten kompensierte (coper) von funktionell nicht kompensierten, somit symptomatischen Formen (non-coper).

Diagnostik der Bandläsion

Nach Anamnese und klinischer Untersuchung bildet das Röntgenbild nach wie vor die Grundlage der Diagnostik am Sprunggelenk. Ohne begleitende Deformitäten sollte dies als möglichst belastetes Röntgenbild des oberen Sprunggelenkes (OSG) in 2 Ebenen erfolgen. Insbesondere bei länger andauernden Instabilitäten oder ausgeprägten Traumen finden sich auch weitergehende Pathologien z.B. der Chopard-Reihe oder Deformitäten, die diagnostiziert werden müssen, weshalb der gesamte Fuß geröntgt werden sollte. Besteht der Verdacht auf eine Achsdeformität (s.u.), muss auch eine Rückfußachsaufnahme durchgeführt werden [44]. Diese sogenannte 4-er Serie bestehend aus belastetem OSG a.p., Fuß d.p. und seitlich sowie Rückfußachsaufnahme und ist die Basis der weitergehenden (Rück-)Fußdiagnostik. Nach wie vor bietet das Röntgen eine Überlegenheit bei der Diagnostik auch kleiner ossärer ligamentärer Ausrisse oder beginnender osteophytärer Anbauten.

Die früher durchgeführten gehaltenen Aufnahmen haben sich als nicht ausreichend valide gezeigt und werden daher nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt (Abb. 4).

Die MRT-Bildgebung zeigt für die Diagnostik der Bandläsion am oberen Sprunggelenk eine Sensitivität von 67 % für Läsionen des Lig. fibulotalare anterior (LFTA) und 40 % für Läsionen des Lig. fibulo-calcaneare (LFC) [45, 46]. Durch optimierte MRT-Protokolle und die Auswertung der indirekten Zeichen der Bandläsion, wie dem Winkel zwischen dem anterioren und dem posterioren fibulotalaren Ligament, werden höhere Detektionsraten erzielt, haben aber noch nicht Einzug in die Standarddiagnostik gehalten [47–49]. Das MRT ist somit nicht zur primären Diagnostik der Bandläsion geeignet, allerdings notwendig für die Diagnostik von Begleitpathologien wie Knorpelschäden oder Sehnenläsionen.

Aufgrund der fehlenden eindeutigen Bildgebung bleibt die Anamnese und klinische Untersuchung somit für die Einschätzung der OSG-Instabilität essenziell. Die definitive Diagnose der OSG-Instabilität kann dann häufig erst intraoperativ bei der OSG-Arthroskopie gestellt werden, die den Goldstandard bei der Diagnostik der Bandinstabilitäten darstellt. Hierbei wird nicht nur die Aufklappbarkeit des Gelenkes getestet, sondern auch der Bandapparat direkt visualisiert, um auch Mikroinstabilitäten nicht zu verpassen (Abb. 5) [50, 51].

Therapie der OSG-Instabilität

Durch die erfolgreiche Behandlung einer begleitenden OSG-Instabilität erreichen Patientinnen und Patienten mit OCLT vergleichbare Ergebnisse wie diejenigen ohne vorherige Instabilität, während Patientinnen und Patienten mit persistierender Instabilität schlechtere Ergebnisse zeigen [52, 53]. Durch die Weiterentwicklung der vergangenen Jahre hat sich die arthroskopische Bandplastik zunehmend als vollwertige Alternative zur offenen Bandplastik etabliert. Während die ersten Techniken der nicht-anatomischen arthroskopischen Bandplastik u.a. eine gehäufte Rate von Nervenläsionen und Bewegungseinschränkungen zeigten [54], finden sich bei aktuellen anatomischen Techniken auch im mittelfristigen Verlauf mit der offenen Technik vergleichbare Ergebnisse [55]. Da zunehmend auch die OCLT rein arthroskopisch versorgt werden kann, kann die gesamte Behandlung somit rein arthroskopisch erfolgen [56], mit entsprechend geringeren postoperativen Schmerzen und kürzerer Rehabilitation. Sicherzustellen ist hierbei, dass auch bei rein arthroskopischem Vorgehen eine ausreichende Visualisierung und Therapie der Pathologien gegeben ist. Im Zweifelsfall stellt das offene Vorgehen auch mit Innenknöchelosteotomien nach wie vor den Behandlungsstandard dar [57].

Achsdeformitäten

Während für das Kniegelenk eine gute Datenlage für das Risiko der Entwicklung von Knorpelschäden und die Notwendigkeit von Achskorrekturen bei der Therapie besteht, fehlen diese Daten für das Sprunggelenk [58]. Erschwerend kommt hinzu, dass die Erfassung der notwendigen Winkel durch die kurzen Achsenverhältnisse zum Rückfuß, dem angrenzenden unteren Sprunggelenk und parallaxen Fehlern bei konventionellen Ganzbeinaufnahmen, erschwert ist.

Paul et al. fanden in ihrer Studie keinen Zusammenhang zwischen der Rückfußachse und der Lokalisation von OCLT [59]. Dennoch erscheint es sinnvoll, bei Varus-Fehlstellungen eine einzeitige Achskorrektur durchzuführen, da hierdurch das Risiko erneuter Distorsionen reduziert wird und biomechanische Studien zeigten, dass es bei Varusdeformitäten zu einem erhöhten Gelenkdruck medial kommt [60]. Auch die einzeitige Therapie eines supramalleolaren Varus mittels supramalleolärer Osteotomie (SMOT) bei vorliegender OCLT ist in einer Fallserie beschrieben. Die Autoren behandelten 13 Patientinnen und Patienten und fanden einen postoperativen AOFAS-Score von 90 Punkten sowie eine Reduktion des Schmerzscores von 6,7 auf 1,9 [61].

Auch bei Valgusdeformitäten kommt es zu einer unphysiologischen Druckverteilung im oberen Sprunggelenk, wobei die Druckverhältnisse sich nach lateral verschieben. Dennoch postulieren einige Autoren, dass zur Normalisierung der Gelenksphysiologie die Korrektur einer Plattfußstellung auch bei medialen OCLT erfolgen sollte. Valderrabano et al. führten in ihrer Studie bei 61 % der Patientinnen und Patienten eine additive Calcaneus-Osteotomie zur Therapie des Knorpelschadens durch mit guten Ergebnissen [62].

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