Übersichtsarbeiten - OUP 03/2024

Relevanz der Therapie von Begleitpathologien in der knorpelregenerativen Therapie an Hüft-, Knie- und Sprunggelenk
Praktisches Vorgehen

Von 10 Patientinnen und Patienten mit symptomatischen FAIS und parafovealen, chondralen Defekten, die Zaltz und Leunig im Rahmen einer chirurgischen Hüftluxation behandelten, wurden 7 mit einer Mikrofrakturierung und 3 mit AMIC behandelt. Alle Patientinnen und Patienten konnten ihr präoperatives Funktionsniveau wieder erreichen mit Ausnahme eines Patienten. Im Rahmen der letztmaligen Nachuntersuchung zeigten sich keine asymmetrischen Gelenkspaltverengung in den Beckenübersichtsaufnahmen [22].

Fontana et al. verglichen das arthroskopische Ergebnis von 77 Mikrofrakturierungen und 70 AMIC-Behandlungen bei Knorpelläsionen des Acetabulums. Obwohl sich das Ergebnis in beiden Gruppen signifikant nach 6 bzw. 12 Monaten verbesserte, verschlechterten sich nach 4 Jahren die Mikrofrakturierungen während sie in der AMIC-Gruppe stabil blieben [23]. In einer weiteren Studie berichten letztgenannte Autoren über 201 Fälle mit 3–4° Knorpeldefekten des Azetabulums, die arthroskopisch mit AMIC behandelt wurden. Nach bereits 6 Monaten zeigte sich eine signifikante Verbesserung im mHSS, der im Weiteren nach 3 Jahren die höchste Verbesserung aufwies [24].

MACI und (M)ACT – autologe Chondrozytentransplantation

Dem Verfahren der autologen Knorpelzelltransplantation liegt ein zweizeitiges Vorgehen mit Anzüchtung von Knorpelzellen nach der Entnahme einer geringen Menge an Knorpelgewebe aus einem weniger belasteten Bereich des Hüftgelenkes und der Transplantation in den Defektbereich im Rahmen des Zweiteingriffs zugrunde. Verfahren der 3. Generation (MACT), die mit verschiedenen Trägermaterialien wie in situ polymerisierenden Hydrogelen oder dreidimensionalen Sphäroiden (Zell-Matrix-Kügelchen) nun die arthroskopische Transplantation der Chondrozyten ermöglichen, liefern darüber hinaus weitere Vorteile wie eine bessere Redifferenzierung und Verteilung der Zellen und ein deutlich reduziertes Auftreten von Implantathypertrophien im Defekt. Die (M)ACT stellt bei vollschichtigen, umschriebenen Knorpeldefekten des Hüftgelenkes und dem Fehlen einer wesentlichen Gelenkdegeneration ab einer Größe von 1,5–2 cm2 das Therapieverfahren der Wahl dar. Körsmeier et al. berichten prospektiv über 16 Fälle mit chondralen azetabulären Defekten im Rahmen eines Cam-FAIS, die mit Sphäroiden behandelt wurden. Es konnte eine signifikante Verbesserung im NAHS und WOMAC-Score sowohl 6 Wochen nach Transplantation als auch zum Zeitpunkt der letztmaligen Nachuntersuchung nach durchschnittlich 16,09 Monaten beobachtet werden [25]. Mancini und Fontana verglichen die arthroskopische MACI- und AMIC-Behandlung azetabulärer Defekte zwischen 2 und 4 cm2 Größe infolge FAIS. In beiden Gruppen zeigte sich eine deutliche Verbesserung im mHHS nach 6 Monaten bzw. nach 3 Jahren und stabilen Werten bis zum 5-Jahres-Follow-up ohne statistisch signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen [26].

Minced cartilage –
„zerhackter“ Knorpel

Analog zum Einsatz dieses Verfahrens am Kniegelenk sind für das Hüftgelenk aufgrund der anatomisch bedingten höheren Kongruenz der Gelenkflächen ähnlich gute kurzfristige Ergebnisse jüngst in einer Fallserie beschrieben worden.

Gebhardt et al. berichten bei einer Defektgröße von durchschnittlich 3,5 cm2 (1,5–4,5 cm2 ) über eine signifikante Verbesserung des iHOT-12 nach 2 Jahren von 50,2 ± 18 auf 86,5 ± 19 (P < 0,0001) bei gleichzeitig sinkendem Schmerzscore (VAS) von 5,6 ± 1,8 auf 1,0 ± 1,5 (P < 0,0001). In Bezug auf das funktionelle Ergebnis und die Schmerzen erreichten 10 der 11 Patienten bzw. alle Patienten den minimalen klinisch wichtigen Unterschied (MCID). Der postoperative durchschnittliche MOCART-Score lag bei 87,2 (± 9,2). Es wurden keine unerwünschten Ereignisse oder Reoperationen beobachtet [27]. Diesen ersten erfolgversprechenden Ergebnissen stehen sicherlich die hohen technischen Herausforderungen dieses Verfahrens gegenüber. Ein fokaler, randständiger azetabulärer Defekt mit einer stabilen Knorpelschulter und einem intakten bzw. refixierten Labrum stellt hierbei die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Platzierung der Knorpelchips im Defektbereich dar (Abb. 1). Dem Vorteil dieser auch spontan einzeitig durchführbaren Knorpeltherapie stehen bei diesem Verfahren die noch ungewisse Datenlage sowie die technisch anspruchsvolle Durchführung wie auch eine deutliche Ausweitung der Operationszeit gegenüber.

Therapie von Begleitpathologien am Kniegelenk

Die wichtigsten Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche knorpelregenerative Therapie sind eine gerade Beinachse, ein bandstabiles Gelenk und ein funktionsfähiger Meniskus. Dieses wurde schon 2006 vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GbA) in den Qualitätskriterien zur ACT gefordert und ist auch heute, wenn auch mittlerweile nicht mehr zwingend vorgeschrieben, für andere knorpelregenerative Therapien anwendbar. Da es sich insbesondere bei traumatischen Knorpelverletzungen häufig um Kombinationsverletzungen handelt, sind diese Voraussetzungen jedoch in vielen Fällen nicht gegeben.

Achsfehlstellung

Eine Varus- oder Valgusfehlstellung stellt aufgrund der unilateralen Belastung ein Prädiktor für das Auftreten oder Fortschreiten von Knorpelschäden dar. Eine Auswertung der Begleittherapien im Rahmen des Knorpelregisters der DGOU von knapp 5000 Patientinnen und Patienten zeigte, dass 50 % der femorotibialen knorpelregenerativen Therapien mit einem Begleiteingriff kombiniert wurden [28]. Hierbei zeigte sich, dass die traumatischen Schäden vorwiegend bei jüngeren Patientinnen und Patienten auftraten und meistens eine vordere Kreuzbandplastik erhielten, wohingegen die Patientinnen und Patienten mit degenerativen Schäden meist älter waren und vor allem Umstellungsosteotomien erhielten. Das vermehrte Auftreten degenerativer Schäden verwundert vor dem Hintergrund nicht, dass bei gerader Beinachse ca. 55 % der Belastung durch das mediale Kompartiment verlaufen und sich diese Last pro Grad Varus um ca. 5 % erhöht [29, 30]. Dies kann durch eine Osteotomie wieder korrigiert werden. Aufgrund der zunehmenden wissenschaftlichen Datenlage wurde die Indikation zur Osteotomie von > 5° mittlerweile auf Fehlstellungen von > 3° erweitert, da sich insbesondere in der Kombination mit knorpelregenerativen Eingriffen ein Vorteil im klinischen Ergebnis auch schon bei geringen Korrekturen zwischen 1–3° gezeigt werden konnte [31]. Ein aktuelles Review, das eine Knorpeltherapie mit versus ohne Osteotomie verglichen hat, kam zu dem Ergebnis, dass die zusätzliche Osteotomie zu einer höheren Verbesserung der klinischen Scores sowie zu einer geringeren Reoperationsrate führt [32]. Für die Kombination aus HTO + m-ACT konnten weiterhin exzellente Langzeitergebnisse gezeigt werden mit einer Überlebensrate von 94,3 % nach 10 Jahren, wobei die Konversion zur Endoprothese als Versagen definiert wurde [33]. Die Kombination aus Umstellungsosteotomie und Knorpeloperation lässt sich bei der Verwendung eines matrixassoziierten knochenmarkstimulierenden (mBMS) oder des minced cartilage-Verfahrens gut vereinbaren, da hierzu nur eine Operation notwendig ist. Durch die Möglichkeit, viele dieser Verfahren arthroskopisch oder minimalinvasiv durchführen zu können, ist das zusätzliche operative Trauma gering. Bei Defekten, die mit einer matrixassoziierten autologen Chondrozytentransplantation (mACT) versorgt werden sollen, ist aufgrund des zweizeitigen Verfahrens zu überlegen, ob die Umstellungsosteotomie im Rahmen der Knorpelentnahme oder Transplantation durchgeführt werden sollte. Im Sinne der Nachbehandlung und zur Reduktion der Zeit an Gehstützen für die Patientin/den Patienten sollte hier sicherlich die Kombination aus Osteotomie und Knorpelimplantation favorisiert werden (Abb. 2). Anzumerken hierzu ist natürlich, dass dieses medizinisch sinnvolle Vorgehen im aktuellen DRG-System durch Fehlanreize wirtschaftlich ungünstig ist und die Behandlungskosten nicht abbildet, da in diesen Fällen nur ein Eingriff vergütet wird. Jedoch kann die Arbeitsunfähigkeit der Patientin/des Patienten
reduziert werden, da nach Knorpelbiopsie meist eine rasche Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit bis zur Implantation möglich ist. Gerade in diesem Kontext sollte weiter eine auf eine Reduktion wirtschaftlicher Fehlanreize seitens der Kostenträger hingearbeitet werden, da es insbesondere bei dieser Patientengruppe sinnvoll ist, die Arbeitsunfähigkeit möglichst zu minimieren.

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