Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2014

Retropatellarer Kontaktdruck der nativen Gleitfläche beim bikompartimentalen Kniegelenkersatz
In Abhängigkeit von der sagittalen Positionierung des Tibia-PlateausIn different sagittal positions of the tibial plateau

M. Kollmitt1, U. Wagner2

Studienziel: In der vorliegenden experimentellen Studie wurde der Kontaktdruck im retropatellaren Gleitlager beim Oberflächenersatz des Kniegelenks in Abhängigkeit von der sagittalen Position des Tibiaplateaus untersucht.

Material und Methode: Bei 5 Leichenpräparaten erfolgte eine dynamische in-vitro Druckmessung mit dem Tekscan-System (Tekscan, Boston, USA) im retropatellaren Gleitlager nach Oberflächenersatz des Kniegelenks mit der EFK-Prothese (Smith-Nephew) bei nativer Patella. Verglichen wurden unterschiedliche Implantatpositionen des Tibiaplateaus in normaler Position sowie ventral und dorsal positioniert in den Bewegungsausmaßen zwischen 0–120° Flexion. Die Muskelfunktion wurde durch einen Kniegelenkkinemator simuliert.

Ergebnisse: Die kontinuierlichen retropatellaren Druckmessungen zeigten die maximalen Mittelwerte zwischen 90 und 120° Kniegelenkflexion, der maximale Druckanstieg lag zwischen 40 und 90° Flexion.

Schlussfolgerung: Eine ventrale Fehlpositionierung des Tibiaplateaus beim Oberflächenersatz des Kniegelenks sollte aufgrund erhöhter retropatellarer Druckwerte vermieden werden.

Schlüsselwörter: Oberflächenersatz Kniegelenk, kontinuierliche Druckmessung, Position des Tibiaplateaus

Zitierweise
Kollmitt M, Wagner U: Retropatellarer Kontaktdruck der nativen Gleitfläche beim bikompartimentalen Kniegelenkersatz. In Abhängigkeit von der sagittalen Positionierung des Tibia-Plateaus.
OUP 2014; 7: 354–359 DOI 10.3238/oup.2014.0354–0359

Aim: The purpose of the study was the investigation of the contact pressures in the patellofemoral interface with unsurfaced patella in total knee arthroplasty in different positions of the tibial plateau.

Material and methods: In a dynamic in-vivo system (Tekscan, Boston, USA) the contact characteristics of the patella were measured in 5 cadaver knees. The knee joints were replaced with a knee arthroplasty (EFK knee, Smith and Nephew) and the position of the tibial plateau was changed from neutral to ventral and dorsal. Muscle function on the joints were simulated by application of a knee joint kinemator.

Results: Contact pressures of the native patella show a significant increase for a ventral positioning of the tibial plateau in comparison with a dorsal positioning. Measurements were performed between 0–120° of knee flexion and show the highest contact pressures between 90 and 120°.

Conclusions: In total knee replacement a ventral malpositioning of the tibial plateau should be avoided due to an increase of the retropatellar contact pressures.

Keywords: total knee replacement, dynamic in-vitro pressure measurements, sagittal position of the tibial component

Citation
Kollmitt M, Wagner U: Patellofemoral contact presssure of the unresurfaced patella after total knee arthroplasty in different sagittal positions of the tibial plateau.
OUP 2014; 7: 354–359 DOI 10.3238/oup.2014.0354–0359

Einleitung

Der Ersatz des Kniegelenks gehört mittlerweile zu den erfolgreichsten Eingriffen der Orthopädie und Unfallchirurgie. Mit Überlebensraten der Endoprothesen über 90 % nach 15 Jahren sind die Standzeiten in den letzten 35 Jahren kontinuierlich angestiegen. Dennoch handelt es sich um eine anspruchsvolle Operationstechnik, die aufgrund der immer breiter werdenden Indikationsstellung und den patientenseitigen Anforderungen an eine möglichst physiologische Funktion, ein hohes Maß an Versorgungsqualität erfordert [1].

Bei der Versorgung des Kniegelenks mit einer Endoprothese verändern sich die Druckverhältnisse und Kontaktflächen und somit auch die Biomechanik des Gelenkes signifikant. [8]

Die Veränderungen sind versorgungs- und implantatspezifisch und bedürfen insbesondere bei verbleibenden Beschwerden nach Endoprothetik einer besonderen Analyse. Die Diskussion um eine endoprothetische Mitversorgung der Patella wird von zahlreichen Autoren je nach verwendeter Prothese unterschiedlich diskutiert [2, 3, 5].

In diesem Zusammenhang ist neben der Versorgung der Patella selbst und der Stellung der Femurkomponente auch die Position des Tibiaplateaus von Interesse.

Grundsätzlich ergeben sich im intraoperativen Situs mehrere Möglichkeiten der Positionierung des Tibiaplateaus. Aus Gründen der Praktikabilität wurden dafür 3 verschiedene mögliche Positionierungen des Tibiaplateaus in der vorliegenden Arbeit in die Fragestellung einbezogen, die sich im Hinblick auf ihre sagittale Lage auf der Tibia unterscheiden. Dabei wird eine dynamische retropatellare Druckmessung der physiologischen, nativ belassenen retropatellaren Gleitfläche durchgeführt, um den Einfluss der sagittalen Lage auf die Patella zu beurteilen. Dies entspricht dem häufigsten Versorgungsmodus bei unserer praktischen Anwendung der Endoprothese, da in der Regel ohne retropatellaren Kniegelenkersatz therapiert wird.

Der primäre trikompartimentelle Oberfächenersatz, bei dem alle 3 Kompartimente des Kniegelenks ersetzt werden, bleibt speziellen Befundkonstellationen vorbehalten und orientiert sich an der individuellen Beschwerdesymptomatik sowie an den klinischen und radiologischen Befunden des jeweiligen Patienten.

Material und Methoden

Verwendet wurden 5 Kniegelenkpräparate, die jeweils 30 cm proximal und distal der Gelenklinie amputiert wurden. Zur Versuchsdurchführung wurde das entsprechende Leichenpräparat aufgetaut und während der Messungen unter physiologischen Bedingungen mit einer 0,9%-Kochsalzlösung bei einer Temperatur von 37 °C gehalten.

Für die Adaption an einen Kniekinemator erfolgte ein Freipräparieren auf einer Strecke von etwa 6 cm des proximalen Femur bzw. der distalen Tibia, um die entsprechenden Aufnahmehülsen anbringen zu können. Die Funktionsweise des Kinemators wird an anderer Stelle ausführlich beschrieben [6].

Das entsprechende Präparat wurde so in dem Kniekinemator montiert, dass das Femur waagerecht und fest mit der Patella nach unten zeigend, ausgerichtet war. Die Tibia wurde in eine dafür vorgesehene Halterung befestigt. Diesen Versuchsaufbau zeigt die Abbildung 5.

Die inserierenden Muskelanteile an der Quadrizepssehne wurden entfernt und eine Sehnenklammer angebracht. Die Sehnenklammer wurde mithilfe eines Stahlseils an einem Zugzylinder befestigt. Die Extensionskraft wurde über diesen Zugzylinder mit einer Zugrichtung von 2° lateral zur Femurlängsachse in Frontalebene und parallel in Sagittalrichtung angesetzt. Sie sollte der gesamten Zugkraft des M. quadriceps femoris entsprechen. Von einer Knieflexion von 120° wurden die Präparate mit einem konstanten Extensionsmoment von 31 Nm isokinetisch bis zur vollständigen Streckung extendiert. Verwendet wurde eine Knieendoprothese (Typ: EFK, Endoplus Foundation Knee) in verschiedenen Größen. Das EFK-Kniesystem ist eine primäre trikompartimentale Knie-Endoprothese für die zementierte oder zementfreie Anwendung. Die Implantation der Knieprothesen erfolgte nach der OP-Anleitung des EFK-Kniesystems. Es wurde dafür das Original-OP-Set verwendet.

Der operative Zugangsweg erfolgte über einen anterioren Hautschnitt direkt präpatellar mit proximaler und distaler Verlängerung entsprechend der lokalen Anatomie. Der Zugang zum Kniegelenk über eine mediale Arthrotomie. Es erfolgte kein „lateral release“, da sich die experimentelle Anordnung im Wesentlichen an der Standardversorgung orientieren sollte. Durch ein „lateral release“ können sich retropatellare Kontaktdrücke deutlich verändern. Die Femurkomponente wurde bei allen Kniegelenken mit einer Außenrotation der Femurkomponente um 3° implantiert. Das Einstellen des Tibiaplateaus erfolgte in neutraler Achsausrichtung durch intramedulläre Messung mit dem Originalinstrumentarium, beides nach der OP-Anleitung der Firma Endoplus.

In der Praxis zeigte sich, dass oftmals die tibiale Resektionsebene noch Spiel zwischen 2 Tibiagrößen lässt. Um die Tibiaplateaus entsprechend ohne Überstand 5 mm nach ventral und dorsal zu verlagern, wurde die entsprechend kleinere Tibiagröße implantiert.

Nach Implantation der Tibiakomponente erfolgte die Einlage des Inlays und Überprüfung der Gelenkstabilität und der mechanischen Achse in gestreckter Beinstellung und in den verschiedenen Beugestellungen des Kniegelenks.

Danach wurde die Retropatellarfläche entfettet, die Druckmessfolie aufgebracht und verklebt, sowie an der Patellarückfläche mit Einzelknopfnähten zusätzlich fixiert. Die Abbildung 1 zeigt diesen Schritt des Versuchsaufbaus. Mit der hier verwendeten Druckmessfolie (drucksensible Sensorfolie, Tekscan Inc., Boston, MA, USA), die als Sensor fungierte, konnten die Kontaktspitzendruckwerte in Echtzeitaufnahme gemessen und durch einen dritten Computer (getriggert durch Steuerrechner, f = 10 Hz) aufgezeichnet werden. Allerdings können individuelle Besonderheiten der verwendeten Kniegelenke die Datenerhebung beeinflussen. Auch das Aufkleben der Tekscan-Folie mit einigen Millimetern Dicke verändert das Gleitverhalten und die Druckverhältnisse der Kniescheibe; insbesondere der Firstbereich der Kniescheibe wird dadurch abgeflacht. Deshalb erfolgte vor jeder neu verwendeten Folie eine entsprechende Kalibrierung der jeweiligen Druckmessfolie. Diese zweigeteilten Sensorfolien registrieren die Druckänderungen an 572 Leiterbahnkreuzungspunkten je Sensorfeld durch Widerstandsänderungen. Zusätzlich ist die Aufzeichnung der belasteten Kontaktfläche möglich (s. Abb. 1).

Der Messbereich der verwendeten Folien reichte von 0,1 MPa bis 172 MPa bei einer vom Hersteller ausgewiesenen Auflösung von 0,1 MPa.

Grundlage der Versuche war die Untersuchung der retropatellaren Drücke bei verschiedenen Tibiaplateaupositionierungen in der Sagittalebene bei definierter Rotation und konstantem Slope der Tibiakomponente. Nach Implantation der Knieprothese und Befestigung der Drucksensoren retropatellar wurde das jeweilige Präparat in den Kniekinemator fest eingebaut. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Tibiaachse parallel zum Tibiaträger und die Femurachse parallel zu den Kinemator-Tischausrichtungen verläuft. Die Quadrizepssehne zog somit unter einem Winkel von 2° lateral zur Femurlängsachse.

Nach Überprüfung der Funktion und Kalibration wurden mindestens 3 Durchgänge mit einem Tibiagegenmoment von 31 Nm bei 0° Varus/Valgus durchgeführt. Es wurden jeweils mindestens 3 Abläufe aufgezeichnet.

Anschließend wurde das Kniepräparat demontiert und das Tibiaplateau 5 mm nach ventral bzw. nach dorsal in sagittaler Richtung gesetzt und in jeweils mindestens 3 Abläufen durchgemessen. Die folgenden Abbildungen (2a, b und c) zeigen die unterschiedlichen Positionierungen der tibialen Komponente.

Ergebnisse

Es wurden mit jedem der 5 Präparate insgesamt 3 Messungen in jeder möglichen Position (Neutralstellung, Dorsalverschiebung und Ventralverschiebung), d.h. 9 vollständige Versuchsdurchläufe vorgenommen. Bedingt durch ein Ausreißen der Quadrizepssehne oder Dislokation der Drucksensorfolie im femoropatellaren Gleitlager konnten 4 Messläufe nicht bei der Ergebnisauswertung berücksichtigt werden. In diesen Fällen wurden nach Refixation der Quadrizepssehne bzw. Neuplatzierung der Sensorfolie die Messungen wiederholt, sodass bei der Auswertung für jedes Präparat 9 vollständige Messungen eingeschlossen werden konnten.

Die Auswertung der Ergebnisse wurde anhand der ermittelten Daten vorgenommen. Hierbei wurden die Spitzendrücke als Mittelwerte aus den Druckwerten in MPa und die Standardabweichung berechnet. Die Messung der Kontaktdrücke im retropatellaren Gleitlager ergibt in der Beugestellung 0° (volle Streckung) einen mittleren Druck von 2,92 MPa. Die Abweichungen von der Neutralposition nach ventral betragen 0,49 % (4,35 MPa) und nach dorsal –46 % (1,59 MPa).

Im weiteren Flexionsverlauf nimmt der Kontaktdruck zunächst bis 30° Flexion ab (auf 2,87 MPa) und erreicht hier den geringsten Wert. Er steigt dann im weiteren Verlauf zwischen 40–100° deutlich auf 8,69 MPa an.

Hier wird dann ein Druckplateau erreicht, welches bis 120° wieder einen leichten Abfall auf 8,53 MPa im Mittel zeigt.

Die prozentualen Abweichungen der Verschiebepositionen ventral und dorsal liegen zwischen 0–30 Grad im Mittel um ca. 40 % und sind am größten bei der 30°-Flexionsstellung mit einer –52 % Abweichung der dorsalen Position zur Neutralstellung.

In den mittleren Flexionsstellungen zwischen 40 und 90° betragen die Abweichungen von der Neutralstellung im Mittel 20 % und in den höheren Flexionsstellungen 16 %.

Damit finden sich die niedrigsten Kontaktdrücke bei 30° Flexion und die höchsten Drücke bei 100° Flexion. Der steilste Kontaktdruckanstieg liegt zwischen 40 und 60° Flexion.

Die niedrigsten Spitzendrücke im retropatellaren Gleitlager finden sich bei einer leichten Beugestellung von 30°. Sie sind jedoch nicht signifikant abweichend von den Drücken zwischen 0 und 30°. Danach steigt der Kontaktdruck signifikant an und erreicht den maximalen Kontaktdruck bei 100° Flexion. Danach ergibt sich ein Plateau bis 120° Beugung. Der steilste Anstieg erfolgt zwischen 40 und 60° Flexion mit einer Verdoppelung der Kontaktdrücke.

Eine Ventralverschiebung des tibialen Plateaus im Vergleich zur Neutralposition führt zu einer konstanten Druckerhöhung von durchschnittlich 1,5 MPa in nahezu allen Flexionspositionen. Nur im Bereich zwischen 40 und 50° fällt die Abweichung geringer aus.

Gleiches gilt für eine Dorsalverschiebung der tibialen Position im Vergleich zur Neutralposition. Hier zeigt sich eine Reduzierung der Kontaktdrücke im retropatellaren Gleitlager um durchschnittlich 1,4 MPa im Gesamtverlauf der Flexionsstellungen. Hier fällt die Differenz zur Neutralstellung zwischen 40 und 50° dagegen höher aus als im Gesamtverlauf.

Die Abweichung zwischen den Kontaktdrücken zwischen der Ventralposition zur Dorsalposition ist praktisch bei allen Flexionsgraden (p < 0,005) signifikant, mit Ausnahme der Drücke zwischen 100 und 120° Flexion.

Die Momentaufnahme nach Ventralverschiebung des Tibiaplateaus zeigt bei der dynamischen Druckmessung des Präparats 3 bei einem 60°-Flexionswinkel deutlich erhöhte Kontakt- bzw. Spitzendruckwerte. Die erhöhten Druckbereiche über 6 MPa finden sich am lateralen kranialen und auch kaudalen Rand der Patella hufeisenförmig, entsprechend dem Design der Endoprothese. Die Druckregistrierung zeigt auch hier eine kleine Aussparung der Endoprothese. Dabei zeigen sich erneut 2 Hauptdruckbereiche, wobei der kaudale Anteil mit Spitzendruckwerten überwiegt.

Die Momentaufnahme nach Dorsalverschiebung des Tibiaplateaus zeigt bei der dynamischen Druckmessung des Präparats 3 bei einem 60°-Flexionswinkel deutlich verminderte Kontakt- bzw. Spitzendruckwerte im Bereich der Patelladrucksensoren. Die Druckbereiche bis 4,41 MPa finden sich am lateralen kaudalen Rand der Patella und nur noch in einem ganz kleinen kranialen Anteil. Die Druckregistrierung zeigt auch hier deutlich die Aussparung der Endoprothese. Dabei zeigt sich nur noch ein Hauptdruckbereich im kaudalen Anteil.

Diskussion

Retropatellare Druckmessungen nach alloplastischem Ersatz wurden bislang von mehreren Arbeitsgruppen durchgeführt [6, 7, 8, 9]. In der vorliegenden Arbeit wurden erstmals retropatellare Kontaktdrücke im Verhältnis zur sagittalen Position des Tibiaplateaus untersucht. Die Resultate haben eine klinische Relevanz, da bei jedem operativen Positionieren der Gelenkkomponenten zahlreiche Einzelfaktoren zu berücksichtigen sind, unter anderem auch die sagittale Position des Tibiaplateaus.

Bei den leichenexperimentellen Untersuchungen müssen zwangsläufig methodische Einschränkungen eingeräumt werden. Die Versuchsanordnung ist horizontal ausgerichtet und nicht senkrecht zur Schwerkraft, sodass keine axialen Gewichtsbelastungen vorhanden sind [12]. Es wurde weiterhin nur ein Prothesensystem (EFK, Fa. Smith & Nephew) überprüft, welches eine besonders flache Trochleagrube aufweist; selbiges eignet sich besonders gut zum Kniegelenkersatz bei Belassen der nativen Patella. Da dies jedoch in der klinischen Fragestellung der häufigere Versorgungsfall war, wurde bewusst dieses System geprüft. Es liegen zu anderen Systemen auch schon mehrere Untersuchungen zur retropatellaren Druckentwicklung vor, unter anderem das Genesis-II-Knie der Fa. Smith & Nephew [12], das LCS-Knie [8] und das Osteonics-Knie [7].

Individuelle Besonderheiten der verwendeten Kniegelenke können auch die Datenerhebung beeinflussen. Auch das Aufkleben der Tekscan-Folie mit einigen Millimetern Dicke verändert das Gleitverhalten und die Druckverhältnisse der Kniescheibe; insbesondere der Firstbereich der Kniescheibe wird dadurch abgeflacht.

Die Resultate entsprechen für die Neutralposition der Tibiakomponente der EFK-Prothese den Druckverläufen der LCS-Prothese (Low Contact Stress Prothese von DePuy) [8]. Insbesondere ist eine Ähnlichkeit der Druckverlaufskurven zu dem APG-Inlay (Anterior-Posterior-Gleitlager) zu erkennen. Das mobile APG-Inlay der Fa. DePuy ermöglicht neben der Rotation auch eine Translation in anterior-posteriorer Richtung. Dies ist bemerkenswert, da das Inlay der EFK-Prothese fixiert ist und das LCS-APG Inlay sehr mobil ausgerichtet ist. Die Verlaufskurven der Rotationsplattform (RP-Inlay) der LCS-Prothese zeigen insgesamt geringere Druckverläufe, insbesondere einen geringeren Anstieg des Druckes zwischen 60–90° Flexion.

Besondere Aufmerksamkeit sollte dem infero-patellaren Raum gewidmet werden. Hier könnte eine wesentliche Ursache für den vorderen Knieschmerz nach Knie-TEP vorhanden sein, wenn es aufgrund einer ventralen Positionierung der Tibiakomponente und des Inlays (insbesondere ultra-kongruent) zu einem Impingement des Patellaunterrands oder des Hoffaschen Fettkörpers mit dem Vorderrand des Inlays kommt. Klinisch kann sich dies mit verstärkten Schmerzen in voller Streckung des Kniegelenks zeigen. Der vordere Kniegelenkschmerz nach Knie-TEP ist ein schwer behandelbares Leiden und tritt, unabhängig von der Versorgung mit einem Patellainlay, auch bei Belassen der nativen Patella auf [10].

Die Diskussion der Ursachen für eine Verstärkung der Druckbelastung im retropatellaren Raum bei einer Ventralpositionierung des tibialen Inlays bzw. der Tibiakomponente als Resultat der vorliegenden Studie umfasst im Wesentlichen eine Erhöhung der Vorspannung des Lig. patellae. Dadurch wird das Lig. patellae leicht verkürzt, was aber schon ein früheres Eintreten der Patella ins Gleitlager zur Folge hat.

Es könnten jedoch auch die Verlagerung der Kontaktpunkte/Kontaktfläche nach ventral mit einer konsekutiven Verschiebung des Hebelarms zu dieser Druckveränderung führen. Beides beeinflusst sich gegenseitig. Nordin und Frankel beschreiben dazu die Oberflächenbewegung mit Vektoren bei einer Verschiebung von Kontaktpunkten im Kniegelenk [11]. Die Verlagerung der Rotationszentren im tibiofemoralen Gelenk durch Verlagerung der Kontaktpunkte tibial nach ventral führt zu einer erhöhten Druckbelastung im tibiofemoralen Gelenk bei stärkerer Beugung des Kniegelenks.

An weiteren Faktoren mit Einfluss auf die Funktion des künstlichen Kniegelenks sind die Höhenpositionierung und die Achsausrichtung des Tibiaplateaus zu nennen, welche entscheidend die Bandstabilität des künstlichen Kniegelenkes beeinflusst.

Durch die sagittale Neigung („slope“) wird entscheidend die Streck- und Beugefähigkeit bestimmt. Weiterhin sind die Größe des Implantats, die Art und Form der tibialen Metallplatte und deren Rotationsausrichtung von Bedeutung.

Aber auch die direkte Lage auf dem Tibiaplateau in sagittaler Richtung hat Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Endoprothese. Bei den Revisionsanalysen für Knieendoprothesen finden sich patellare Ursachen auf den vorderen Plätzen der Ursachenstatistik. Insofern ist die retropatellare Drucksymptomatik von besonderem Interesse. Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, erfolgte nur die Variation der Position der Tibiakomponente in sagittaler Richtung. Alle anderen Parameter wurden konstant gehalten.

Fazit

Als Fazit für die Praxis sollte eine operative Ventralisierung der Tibiakomponente beim Oberflächenersatz des Kniegelenks im Hinblick auf die daraus folgenden erhöhten Druckverhältnisse im retropatellaren Gleitlager vermieden werden.

Dorsale Fehlstellungen werden besser toleriert mit deutlich geringeren Druckverhältnissen im retropatellaren Kompartiment.

Krankengymnastische Übungsbehandlungen nach Kniegelenkersatz können im Hinblick auf die Druckverhältnisse retropatellar am sichersten im Bereich zwischen 0° und 45° Beugung des Kniegelenks durchgeführt werden, da in diesem Bewegungsbereich im Durchschnitt nur mittlere Drücke unterhalb von 3 MPa gemessen werden.

Danksagung: Unser Dank gilt allen unterstützenden Mitgliedern des Teams aus dem Biomechanischen Labor der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und den DRK Kliniken Wesermünde.

Förderung: Forschungsförderung der Experimente durch die DRK Kliniken Wesermünde.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Ulrich Wagner

Klinik für Orthopädie und
Unfallchirurgie

DRK Klinik Seepark

Langener Straße 66

27607 Langen

u.wagner@kliniken-wesermuende.de

Literatur

1. Wirtz DC (Hrsg.) AE-Manual der Endoprothetik – Knie, Heidelberg: Springer-Verlag 2010

2. Herrmann S et al. Muskuloskelettale Modellierung des patellofemoralen Gelenks. Orthopäde 2012; 41: 252–259

3. Bourne RB, Rorabeck CH, Vaz M, Kramer J, Hardie R, Robertson D. Resurfacing versus not resurfacing the patella during total knee replacement. Clinical Orthopaedics and Related Research 1995; 321: 156–161

4. Schroeder-Boersch H, Scheller G, Fischer J, Jani L. Advantages of patella resurfacing in total knee arthroplasty: Two-year results of a prospektive randomized study. Archives of Orthopaedic and Trauma Surgery 1998; 117: 73–78

5. Scott RD. Totale Kniearthroplastik. München: Urban und Fischer Verlag, 2007

6. Stukenborg-Colsman C, Ostermeier S, Wenger K, Wirth CJ. Relative motion of mobile bearing inlay after total knee arthroplasty. Clin. Biomech 2002; 17: 49–55

7. Ostermeier S, Bohnsack M, Hurschler C, Stukenborg-Colsman C. A rotating inlay decreases contact pressure on inlay post after posterior cruciate substituting total knee arthroplasty. Clinical Biomechnaics 2009; 24: 446–450

8. Kainz H. Biomechanische Auswirkungen einer Knieprothese auf die Patella, Saarbrücken: Verlag Dr. Müller, 2010

9. Fuchs S, Skwara A, Tibesku CO, Rosenbaum D. Retropatellar contact characteristics before and after total knee arthroplasty. The Knee 2005; 1: 9–12

10. Matziolis G, Perka C, Die schmerzhafte Knieendoprothese, Articularis 2007; 4: 25–27

11. Nordin M, Frankel VH. Biomechanics of the Knee. In: Nordin M, Frankel VH. Basic Biomechanics of the Musculoskeletal System. Lippincott Raven, 2012

12. Kron N. Einfluss der intrinsischen Stabilität des Polyethylen-Inlays auf den patellofemoralen Druck und die Quadricepszugkraft nach Implantation einer Knieendoprothese. Inauguraldissertation 2009, Universität Hannover

Fussnoten

1 Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Wesermarsch Klinik Nordenham, Nordenham

2 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, DRK Klinik Seepark, Langen-Debstedt

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