Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2014
Retropatellarer Kontaktdruck der nativen Gleitfläche beim bikompartimentalen KniegelenkersatzIn Abhängigkeit von der sagittalen Positionierung des Tibia-PlateausIn different sagittal positions of the tibial plateau
Der operative Zugangsweg erfolgte über einen anterioren Hautschnitt direkt präpatellar mit proximaler und distaler Verlängerung entsprechend der lokalen Anatomie. Der Zugang zum Kniegelenk über eine mediale Arthrotomie. Es erfolgte kein „lateral release“, da sich die experimentelle Anordnung im Wesentlichen an der Standardversorgung orientieren sollte. Durch ein „lateral release“ können sich retropatellare Kontaktdrücke deutlich verändern. Die Femurkomponente wurde bei allen Kniegelenken mit einer Außenrotation der Femurkomponente um 3° implantiert. Das Einstellen des Tibiaplateaus erfolgte in neutraler Achsausrichtung durch intramedulläre Messung mit dem Originalinstrumentarium, beides nach der OP-Anleitung der Firma Endoplus.
In der Praxis zeigte sich, dass oftmals die tibiale Resektionsebene noch Spiel zwischen 2 Tibiagrößen lässt. Um die Tibiaplateaus entsprechend ohne Überstand 5 mm nach ventral und dorsal zu verlagern, wurde die entsprechend kleinere Tibiagröße implantiert.
Nach Implantation der Tibiakomponente erfolgte die Einlage des Inlays und Überprüfung der Gelenkstabilität und der mechanischen Achse in gestreckter Beinstellung und in den verschiedenen Beugestellungen des Kniegelenks.
Danach wurde die Retropatellarfläche entfettet, die Druckmessfolie aufgebracht und verklebt, sowie an der Patellarückfläche mit Einzelknopfnähten zusätzlich fixiert. Die Abbildung 1 zeigt diesen Schritt des Versuchsaufbaus. Mit der hier verwendeten Druckmessfolie (drucksensible Sensorfolie, Tekscan Inc., Boston, MA, USA), die als Sensor fungierte, konnten die Kontaktspitzendruckwerte in Echtzeitaufnahme gemessen und durch einen dritten Computer (getriggert durch Steuerrechner, f = 10 Hz) aufgezeichnet werden. Allerdings können individuelle Besonderheiten der verwendeten Kniegelenke die Datenerhebung beeinflussen. Auch das Aufkleben der Tekscan-Folie mit einigen Millimetern Dicke verändert das Gleitverhalten und die Druckverhältnisse der Kniescheibe; insbesondere der Firstbereich der Kniescheibe wird dadurch abgeflacht. Deshalb erfolgte vor jeder neu verwendeten Folie eine entsprechende Kalibrierung der jeweiligen Druckmessfolie. Diese zweigeteilten Sensorfolien registrieren die Druckänderungen an 572 Leiterbahnkreuzungspunkten je Sensorfeld durch Widerstandsänderungen. Zusätzlich ist die Aufzeichnung der belasteten Kontaktfläche möglich (s. Abb. 1).
Der Messbereich der verwendeten Folien reichte von 0,1 MPa bis 172 MPa bei einer vom Hersteller ausgewiesenen Auflösung von 0,1 MPa.
Grundlage der Versuche war die Untersuchung der retropatellaren Drücke bei verschiedenen Tibiaplateaupositionierungen in der Sagittalebene bei definierter Rotation und konstantem Slope der Tibiakomponente. Nach Implantation der Knieprothese und Befestigung der Drucksensoren retropatellar wurde das jeweilige Präparat in den Kniekinemator fest eingebaut. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Tibiaachse parallel zum Tibiaträger und die Femurachse parallel zu den Kinemator-Tischausrichtungen verläuft. Die Quadrizepssehne zog somit unter einem Winkel von 2° lateral zur Femurlängsachse.
Nach Überprüfung der Funktion und Kalibration wurden mindestens 3 Durchgänge mit einem Tibiagegenmoment von 31 Nm bei 0° Varus/Valgus durchgeführt. Es wurden jeweils mindestens 3 Abläufe aufgezeichnet.
Anschließend wurde das Kniepräparat demontiert und das Tibiaplateau 5 mm nach ventral bzw. nach dorsal in sagittaler Richtung gesetzt und in jeweils mindestens 3 Abläufen durchgemessen. Die folgenden Abbildungen (2a, b und c) zeigen die unterschiedlichen Positionierungen der tibialen Komponente.
Ergebnisse
Es wurden mit jedem der 5 Präparate insgesamt 3 Messungen in jeder möglichen Position (Neutralstellung, Dorsalverschiebung und Ventralverschiebung), d.h. 9 vollständige Versuchsdurchläufe vorgenommen. Bedingt durch ein Ausreißen der Quadrizepssehne oder Dislokation der Drucksensorfolie im femoropatellaren Gleitlager konnten 4 Messläufe nicht bei der Ergebnisauswertung berücksichtigt werden. In diesen Fällen wurden nach Refixation der Quadrizepssehne bzw. Neuplatzierung der Sensorfolie die Messungen wiederholt, sodass bei der Auswertung für jedes Präparat 9 vollständige Messungen eingeschlossen werden konnten.
Die Auswertung der Ergebnisse wurde anhand der ermittelten Daten vorgenommen. Hierbei wurden die Spitzendrücke als Mittelwerte aus den Druckwerten in MPa und die Standardabweichung berechnet. Die Messung der Kontaktdrücke im retropatellaren Gleitlager ergibt in der Beugestellung 0° (volle Streckung) einen mittleren Druck von 2,92 MPa. Die Abweichungen von der Neutralposition nach ventral betragen 0,49 % (4,35 MPa) und nach dorsal –46 % (1,59 MPa).
Im weiteren Flexionsverlauf nimmt der Kontaktdruck zunächst bis 30° Flexion ab (auf 2,87 MPa) und erreicht hier den geringsten Wert. Er steigt dann im weiteren Verlauf zwischen 40–100° deutlich auf 8,69 MPa an.
Hier wird dann ein Druckplateau erreicht, welches bis 120° wieder einen leichten Abfall auf 8,53 MPa im Mittel zeigt.
Die prozentualen Abweichungen der Verschiebepositionen ventral und dorsal liegen zwischen 0–30 Grad im Mittel um ca. 40 % und sind am größten bei der 30°-Flexionsstellung mit einer –52 % Abweichung der dorsalen Position zur Neutralstellung.
In den mittleren Flexionsstellungen zwischen 40 und 90° betragen die Abweichungen von der Neutralstellung im Mittel 20 % und in den höheren Flexionsstellungen 16 %.
Damit finden sich die niedrigsten Kontaktdrücke bei 30° Flexion und die höchsten Drücke bei 100° Flexion. Der steilste Kontaktdruckanstieg liegt zwischen 40 und 60° Flexion.
Die niedrigsten Spitzendrücke im retropatellaren Gleitlager finden sich bei einer leichten Beugestellung von 30°. Sie sind jedoch nicht signifikant abweichend von den Drücken zwischen 0 und 30°. Danach steigt der Kontaktdruck signifikant an und erreicht den maximalen Kontaktdruck bei 100° Flexion. Danach ergibt sich ein Plateau bis 120° Beugung. Der steilste Anstieg erfolgt zwischen 40 und 60° Flexion mit einer Verdoppelung der Kontaktdrücke.