Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2014

Retropatellarer Kontaktdruck der nativen Gleitfläche beim bikompartimentalen Kniegelenkersatz
In Abhängigkeit von der sagittalen Positionierung des Tibia-PlateausIn different sagittal positions of the tibial plateau

M. Kollmitt1, U. Wagner2

Studienziel: In der vorliegenden experimentellen Studie wurde der Kontaktdruck im retropatellaren Gleitlager beim Oberflächenersatz des Kniegelenks in Abhängigkeit von der sagittalen Position des Tibiaplateaus untersucht.

Material und Methode: Bei 5 Leichenpräparaten erfolgte eine dynamische in-vitro Druckmessung mit dem Tekscan-System (Tekscan, Boston, USA) im retropatellaren Gleitlager nach Oberflächenersatz des Kniegelenks mit der EFK-Prothese (Smith-Nephew) bei nativer Patella. Verglichen wurden unterschiedliche Implantatpositionen des Tibiaplateaus in normaler Position sowie ventral und dorsal positioniert in den Bewegungsausmaßen zwischen 0–120° Flexion. Die Muskelfunktion wurde durch einen Kniegelenkkinemator simuliert.

Ergebnisse: Die kontinuierlichen retropatellaren Druckmessungen zeigten die maximalen Mittelwerte zwischen 90 und 120° Kniegelenkflexion, der maximale Druckanstieg lag zwischen 40 und 90° Flexion.

Schlussfolgerung: Eine ventrale Fehlpositionierung des Tibiaplateaus beim Oberflächenersatz des Kniegelenks sollte aufgrund erhöhter retropatellarer Druckwerte vermieden werden.

Schlüsselwörter: Oberflächenersatz Kniegelenk, kontinuierliche Druckmessung, Position des Tibiaplateaus

Zitierweise
Kollmitt M, Wagner U: Retropatellarer Kontaktdruck der nativen Gleitfläche beim bikompartimentalen Kniegelenkersatz. In Abhängigkeit von der sagittalen Positionierung des Tibia-Plateaus.
OUP 2014; 7: 354–359 DOI 10.3238/oup.2014.0354–0359

Aim: The purpose of the study was the investigation of the contact pressures in the patellofemoral interface with unsurfaced patella in total knee arthroplasty in different positions of the tibial plateau.

Material and methods: In a dynamic in-vivo system (Tekscan, Boston, USA) the contact characteristics of the patella were measured in 5 cadaver knees. The knee joints were replaced with a knee arthroplasty (EFK knee, Smith and Nephew) and the position of the tibial plateau was changed from neutral to ventral and dorsal. Muscle function on the joints were simulated by application of a knee joint kinemator.

Results: Contact pressures of the native patella show a significant increase for a ventral positioning of the tibial plateau in comparison with a dorsal positioning. Measurements were performed between 0–120° of knee flexion and show the highest contact pressures between 90 and 120°.

Conclusions: In total knee replacement a ventral malpositioning of the tibial plateau should be avoided due to an increase of the retropatellar contact pressures.

Keywords: total knee replacement, dynamic in-vitro pressure measurements, sagittal position of the tibial component

Citation
Kollmitt M, Wagner U: Patellofemoral contact presssure of the unresurfaced patella after total knee arthroplasty in different sagittal positions of the tibial plateau.
OUP 2014; 7: 354–359 DOI 10.3238/oup.2014.0354–0359

Einleitung

Der Ersatz des Kniegelenks gehört mittlerweile zu den erfolgreichsten Eingriffen der Orthopädie und Unfallchirurgie. Mit Überlebensraten der Endoprothesen über 90 % nach 15 Jahren sind die Standzeiten in den letzten 35 Jahren kontinuierlich angestiegen. Dennoch handelt es sich um eine anspruchsvolle Operationstechnik, die aufgrund der immer breiter werdenden Indikationsstellung und den patientenseitigen Anforderungen an eine möglichst physiologische Funktion, ein hohes Maß an Versorgungsqualität erfordert [1].

Bei der Versorgung des Kniegelenks mit einer Endoprothese verändern sich die Druckverhältnisse und Kontaktflächen und somit auch die Biomechanik des Gelenkes signifikant. [8]

Die Veränderungen sind versorgungs- und implantatspezifisch und bedürfen insbesondere bei verbleibenden Beschwerden nach Endoprothetik einer besonderen Analyse. Die Diskussion um eine endoprothetische Mitversorgung der Patella wird von zahlreichen Autoren je nach verwendeter Prothese unterschiedlich diskutiert [2, 3, 5].

In diesem Zusammenhang ist neben der Versorgung der Patella selbst und der Stellung der Femurkomponente auch die Position des Tibiaplateaus von Interesse.

Grundsätzlich ergeben sich im intraoperativen Situs mehrere Möglichkeiten der Positionierung des Tibiaplateaus. Aus Gründen der Praktikabilität wurden dafür 3 verschiedene mögliche Positionierungen des Tibiaplateaus in der vorliegenden Arbeit in die Fragestellung einbezogen, die sich im Hinblick auf ihre sagittale Lage auf der Tibia unterscheiden. Dabei wird eine dynamische retropatellare Druckmessung der physiologischen, nativ belassenen retropatellaren Gleitfläche durchgeführt, um den Einfluss der sagittalen Lage auf die Patella zu beurteilen. Dies entspricht dem häufigsten Versorgungsmodus bei unserer praktischen Anwendung der Endoprothese, da in der Regel ohne retropatellaren Kniegelenkersatz therapiert wird.

Der primäre trikompartimentelle Oberfächenersatz, bei dem alle 3 Kompartimente des Kniegelenks ersetzt werden, bleibt speziellen Befundkonstellationen vorbehalten und orientiert sich an der individuellen Beschwerdesymptomatik sowie an den klinischen und radiologischen Befunden des jeweiligen Patienten.

Material und Methoden

Verwendet wurden 5 Kniegelenkpräparate, die jeweils 30 cm proximal und distal der Gelenklinie amputiert wurden. Zur Versuchsdurchführung wurde das entsprechende Leichenpräparat aufgetaut und während der Messungen unter physiologischen Bedingungen mit einer 0,9%-Kochsalzlösung bei einer Temperatur von 37 °C gehalten.

Für die Adaption an einen Kniekinemator erfolgte ein Freipräparieren auf einer Strecke von etwa 6 cm des proximalen Femur bzw. der distalen Tibia, um die entsprechenden Aufnahmehülsen anbringen zu können. Die Funktionsweise des Kinemators wird an anderer Stelle ausführlich beschrieben [6].

Das entsprechende Präparat wurde so in dem Kniekinemator montiert, dass das Femur waagerecht und fest mit der Patella nach unten zeigend, ausgerichtet war. Die Tibia wurde in eine dafür vorgesehene Halterung befestigt. Diesen Versuchsaufbau zeigt die Abbildung 5.

Die inserierenden Muskelanteile an der Quadrizepssehne wurden entfernt und eine Sehnenklammer angebracht. Die Sehnenklammer wurde mithilfe eines Stahlseils an einem Zugzylinder befestigt. Die Extensionskraft wurde über diesen Zugzylinder mit einer Zugrichtung von 2° lateral zur Femurlängsachse in Frontalebene und parallel in Sagittalrichtung angesetzt. Sie sollte der gesamten Zugkraft des M. quadriceps femoris entsprechen. Von einer Knieflexion von 120° wurden die Präparate mit einem konstanten Extensionsmoment von 31 Nm isokinetisch bis zur vollständigen Streckung extendiert. Verwendet wurde eine Knieendoprothese (Typ: EFK, Endoplus Foundation Knee) in verschiedenen Größen. Das EFK-Kniesystem ist eine primäre trikompartimentale Knie-Endoprothese für die zementierte oder zementfreie Anwendung. Die Implantation der Knieprothesen erfolgte nach der OP-Anleitung des EFK-Kniesystems. Es wurde dafür das Original-OP-Set verwendet.

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