Übersichtsarbeiten - OUP 01/2025

Schultergelenksinstabilität
Von der Diagnose bis zur Therapie

Milad Farkhondeh Fal, Jörn Kircher

Zusammenfassung:
Die Instabilität des Schultergelenks ist eine häufige Ursache für Schmerzen und funktionelle Einschränkungen, die zu wiederkehrenden Luxationen und Subluxationen führen können. Sie entsteht durch eine Störung des komplexen Systems von statischen und dynamischen Stabilisatoren des Schultergelenks, zu denen die Kapsel, die Bänder, der Glenoid-Labrum-Komplex sowie die Rotatorenmanschette und die scapulothorakale Muskulatur gehören. Jede Funktionsstörung dieser Strukturen kann zu einer Instabilität des Gelenks führen. Die Diagnose erfolgt in erster Linie durch eine ausführliche Anamnese, eine präzise klinische Untersuchung und den Einsatz von bildgebenden Verfahren wie Röntgenaufnahmen, MRT und CT, um strukturelle Schäden wie Labrumläsionen oder Frakturen zu identifizieren.
Es gibt verschiedene Klassifikationssysteme für Schulterinstabilitäten, die häufigsten sind das FEDS-System und das TUBS/AMBRI-System. Diese Systeme kategorisieren Instabilitäten nach der Häufigkeit und Art der Luxation, der Ätiologie (traumatisch oder atraumatisch) sowie der Richtung und Schwere der Instabilität. In der klinischen Praxis spielt die Klassifikation eine zentrale Rolle, um die geeignete Therapieform zu bestimmen.
Eine potenzielle Behandlung der Schulterinstabilität ist konservativ. Hierzu gehört eine frühzeitige physiotherapeutische Behandlung, die auf die Schmerzlinderung, die Wiederherstellung der Beweglichkeit und die Stärkung der stabilisierenden Muskulatur abzielt. Besonders wichtig ist die Aktivierung der Rotatorenmanschette und der scapulothorakalen Muskulatur, um das Gelenk zu stabilisieren und weiteren Verletzungen vorzubeugen. Eine konservative Therapie kann in vielen Fällen auch bei Patientinnen und Patienten mit multidirektionaler Instabilität (MDI) erfolgreich sein und das Risiko für erneute Luxationen verringern. Eine längere Rehabilitation und konsequente Mitarbeit der Patientin/des Patienten sind jedoch notwendig, um langfristige Erfolge zu erzielen.
In Fällen, in denen die konservative Behandlung nicht ausreicht oder wiederkehrende Luxationen auftreten, ist eine operative Therapie erforderlich. Die häufigste Operationsmethode ist die Kapsel-Labrum-Rekonstruktion, bei der das Labrum an den Glenoidrand refixiert wird. Weitere Verfahren wie die Kapselraffung oder der Einsatz von Fadenankern zur Stabilisierung der Gelenkstrukturen werden ebenfalls durchgeführt. In einigen Fällen, insb. bei älteren Patientinnen und Patienten oder Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Arthrose, kann eine Schulterprothese notwendig werden.
Die Ergebnisse der konservativen Therapie sind in der Regel gut, besonders bei Patientinnen und Patienten ohne signifikante strukturelle Schäden. Allerdings können langfristig wiederholte Luxationen oder unzureichend behandelte Instabilitäten zu einer Gelenkarthrose führen, die die Funktionsfähigkeit des Schultergelenks erheblich beeinträchtigt.
Bei operativen Eingriffen ist die Prognose sehr gut, jedoch variiert der Erfolg je nach Ausmaß der Schäden und der Qualität der Rehabilitation.
Zusammenfassend ist die Behandlung der Schulterinstabilität ein komplexer Prozess, der eine genaue Diagnostik und eine individuell angepasste Therapie erfordert. Konservative Therapien können in vielen Fällen eine ausreichende Stabilisierung bieten, doch für Patientinnen und Patienten mit strukturellen Schäden oder wiederkehrenden Luxationen sind chirurgische Maßnahmen oft unerlässlich. Eine sorgfältige Nachbehandlung und Rehabilitation sind entscheidend für den langfristigen Erfolg und die Wiederherstellung der Funktionalität des Schultergelenks.

Schlüsselwörter:
Schulterinstabilität, Schulter, Anatomie, Arthroskopie, Latarjet

Zitierweise:
Farkhondeh Fal M, Kircher J: Schultergelenksinstabilität. Von der Diagnose bis zur Therapie
OUP 2025; 14: 25?32
DOI 10.53180/oup.2025.0025-0032

Summary: Shoulder joint instability is a common cause of pain and functional limitations, which can lead to recurrent dislocations and subluxations. It arises from a disruption in the complex system of static and dynamic stabilizers of the shoulder joint, including the capsule, ligaments, the glenoid-labrum complex, as well as the rotator cuff and scapulothoracic muscles. Any dysfunction of these structures can lead to joint instability. Diagnosis primarily involves a detailed medical history, a precise clinical examination, and imaging techniques like X-rays, MRI, and CT to identify structural damage such as labral tears or fractures.
There are several classification systems for shoulder instability, with the most common being the FEDS system and the TUBS/AMBRI system. These systems categorize instabilities based on the frequency and type of dislocation, the etiology (traumatic or atraumatic), as well as the direction and severity of the instability. In clinical practice, classification plays a central role in determining the appropriate treatment approach.
A potential treatment for shoulder instability is conservative. This includes early physiotherapy aimed at pain relief, restoring mobility, and strengthening stabilizing muscles. Particularly important is the activation of the rotator cuff and scapulothoracic muscles to stabilize the joint and prevent further injuries. Conservative therapy can often be successful, even in patients with multidirectional instability (MDI), reducing the risk of recurrent dislocations. However, longer rehabilitation and the patient’s consistent involvement are necessary for long-term success.
In cases where conservative treatment is insufficient or recurrent dislocations occur, surgical therapy is required. The most common surgical method is capsule-labrum refixation, where the labrum is reattached to the glenoid rim. Additional procedures like capsular shift or the use of suture anchors to stabilize the joint structures are also performed. In some cases, especially in older patients or those with advanced arthritis, a shoulder prosthesis may be necessary.
The outcomes of conservative therapy are generally good, particularly in patients without significant structural damage. However, repeated dislocations or inadequately treated instability can lead to osteoarthritis, which significantly impairs the shoulder joint’s functionality in the long term.
For surgical interventions, the prognosis is very good, but the success varies depending on the extent of the damage and the quality of rehabilitation.
In conclusion, the treatment of shoulder instability is a complex process that requires accurate diagnosis and an individualized therapy approach. Conservative therapies can provide sufficient stabilization in many cases, but for patients with structural damage or recurrent dislocations, surgical interventions are often essential. Careful post-operative care and rehabilitation are critical for long-term success and the restoration of shoulder joint functionality.

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