Übersichtsarbeiten - OUP 01/2025
SchultergelenksinstabilitätVon der Diagnose bis zur Therapie
Labrumrisse, die den Bizepssehnenanker betreffen, wie z.B. SLAP-Läsionen, bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Diese sollten nicht mit Normvarianten verwechselt werden, da echte Verletzungsfolgen wie Einblutungen, Risse und unscharfe Ränder charakteristisch sind. Eine Tenodese der langen Bizepssehne kann eine sinnvolle Alternative zur vollständigen Reparatur sein, abhängig von den individuellen Umständen der Patientin/des Patienten [19].
Bei Patientinnen und Patienten mit einer allgemeinen oder multidirektionalen Hyperlaxität kann eine Kapselraffung notwendig sein. Dabei muss ein Gleichgewicht zwischen ausreichender Straffung und Erhalt der Beweglichkeit gefunden werden. Arthroskopische Verfahren bieten minimalinvasive Alternativen zu traditionellen offenen Kapselraffungen, die oft einen Zugang über den M. subscapularis erfordern, was mit zusätzlichen Risiken verbunden ist. Traditionell wurden solche Kapselraffungen offen durchgeführt, doch die Entwicklung moderner Techniken ermöglicht heute arthroskopische Eingriffe mit geringerem Komplikationsrisiko (Abb. 4) [20, 21].
Hill-Sachs-Läsion und Off-Track-Management
Die Hill-Sachs-Läsion ist eine häufige Begleitverletzung bei vorderen Schulterluxationen und entsteht durch das Einhaken des Humeruskopfes am Glenoidrand. Große Defekte, die sich wiederholt im Gelenk einhaken (Off-Track-Läsionen), erhöhen das Risiko für Rezidive. Die arthroskopische Remplissagetechnik wird häufig angewendet, um die posteriore Kapsel in den Defekt einzunähen und somit einen Türstoppereffekt zu erzeugen, der weitere Luxationen verhindert [22–24].
Behandlung von HAGL-Läsionen
HAGL-Läsionen (Avulsion des inferioren glenohumeralen Ligaments) treten als Folge von traumatischen Luxationen auf, können aber leicht übersehen werden. Sowohl offene als auch arthroskopische Verfahren zur Reparatur dieser Läsionen wurden beschrieben. Arthroskopische Ansätze minimieren die Gewebebelastung, sind jedoch technisch anspruchsvoll und erfordern hohe chirurgische Fähigkeiten [25, 26].
Knochenblockverfahren
Chronische Glenoiddefekte und nicht refixierbare knöcherne Bankart-Läsionen erfordern häufig den Einsatz von Knochenblockverfahren. Dabei werden autologe Beckenkammgrafts oder Allografts verwendet, um die Gelenkfläche wiederherzustellen. Diese Verfahren sind besonders hilfreich nach gescheiterten Weichteilrekonstruktionen. Eine mögliche Komplikation ist die Resorption des Grafts, weshalb manchmal eine Metallentfernung der fixierenden Schrauben nötig wird, wenn diese mechanische Probleme verursachen [27, 28].
Das Knochenblockverfahren wird auch nach dem Scheitern einer primären Weichteilstabilisierung eingesetzt, da in diesen Fällen eine erneute Kapsel-Labrum-Rekonstruktion mit einer erhöhten Rezidivrate verbunden ist und häufig bereits knöcherne Schäden vorliegen.
Für Patientinnen und Patienten mit einem grenzwertigen Glenoiddefekt (10–15 %) stellt die Bankart-Plus-Operation mit allogener Spongiosaplastik eine alternative Therapieoption dar. Diese Methode kombiniert die Stabilisierung durch eine Weichteilrekonstruktion mit der Auffüllung des knöchernen Defekts und ist besonders geeignet, wenn eine vollständige Wiederherstellung des Glenoids angestrebt wird.
Der Korakoidtransfer (bekannt als Latarjet-Verfahren) ist eine bewährte Technik zur Stabilisierung vorderer Instabilitäten, mit oder ohne Glenoiddefekte. Diese Methode bietet eine hohe Stabilität und nutzt den Processus coracoideus und die verbundenen Sehnen (Conjoint Tendon), um eine biomechanische Stabilisierung zu erreichen. Der Eingriff kann offen oder arthroskopisch durchgeführt werden, wobei beide Varianten gewisse Risiken bergen, insb. durch die Nähe zum Plexus brachialis [29].
Langfristige Prognose und Hauptziele der Therapie
Das Ziel jeder Behandlung, sei es konservativ oder operativ, ist die Wiederherstellung der Stabilität, die normale Funktion und die Minimierung von Langzeitschäden wie Arthrose. Besonders wichtig ist auch die Rückkehr zu sportlichen Aktivitäten, die für viele Patientinnen und Patienten von großer Bedeutung ist. Junge Patientinnen und Patienten, Männer und Sportlerinnen und Sportler in Risikosportarten sowie Personen mit knöchernen Defekten haben ein erhöhtes Risiko für Rezidive. Schon die erste Luxation erhöht das Risiko für Arthrose. Studien haben gezeigt, dass nach 25 Jahren etwa 56 % der Patientinnen und Patienten milde und 26 % moderate bis schwere Arthrose entwickelt haben [14].
Interessenkonflikte:
Keine angegeben.
Das Literaturverzeichnis zu
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www.online-oup.de.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Milad Farkhondeh Fal
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Prof. Dr. med. Jörn Kircher
ATOS Klinik Fleetinsel Hamburg
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