Übersichtsarbeiten - OUP 01/2025

Schultergelenksinstabilität
Von der Diagnose bis zur Therapie

Supinations-Ellenbogen-Extensions-Test (SEET) nach Bruckmann: Dieser Test überprüft die Fähigkeit zur Supination und Streckung des Ellenbogens und kann auf Hyperlaxität hinweisen.

Walch-Coudane-Test: Test zur Beurteilung einer verstärkten Außenrotation in Adduktion, ein typisches Zeichen für Hyperlaxität.

Gerber-Ganz Schubladentest (Drawer-Test): Wird verwendet, um die vordere und hintere Beweglichkeit des Humeruskopfes im Schultergelenk zu beurteilen.

Sulcuszeichen nach Neer (Sulcus Sign): Dieser Test zeigt eine globale Laxität an, erkennbar durch eine sichtbare Vertiefung unter dem Akromion bei Zug am Arm.

Hyperabduktionstest nach Gagey: Misst die übermäßige Abduktion des Arms, was auf eine erhöhte Laxität hinweisen kann.

Sonografie

Die Sonografie ist eine kostengünstige Alternative zur Magnetresonanztomografie (MRT), insb. in einem ressourcenknappen Gesundheitssystem und in der Ausschlussdiagnostik. Für eine optimale Darstellung der Schulterstrukturen empfiehlt sich der Einsatz eines Linear-Array-Schallkopfs mit Frequenzen zwischen 7 und 15 MHz, um eine hohe Bildauflösung zu gewährleisten. Parameter wie Tiefe und Verstärkung können individuell an die Gewebezusammensetzung der Patienten angepasst werden.

Ultraschall eignet sich hervorragend zur prä- und postoperativen Beurteilung der Rotatorenmanschette und der Bizepssehne. Allerdings stößt die Methode bei der Diagnostik von Kapsel-Labrum-Verletzungen an Grenzen, beispielsweise bei ausgeprägter Muskelmasse, Gelenkergüssen oder geringer Erfahrung der Untersucherin/des Untersuchers.

Nativradiologische Untersuchung (Röntgen)

Bei akuten traumatischen Vorfällen sind Standard-Röntgenaufnahmen oft ausreichend. Eine typische Serie umfasst:

Anterior-posterior (a.p.)-Aufnahme

Axiale Ansicht

Skapula-„Y“-Ansicht

Diese Aufnahmen ermöglichen die Erkennung von Luxationen und Frakturen. Eine Bankart-Läsion oder eine Hill-Sachs-Läsion, die auf eine Luxation hinweisen, können identifiziert werden (Abb. 3) [11].

Computertomografie (CT)

Die CT ist besonders nützlich zur Beurteilung und Quantifizierung von knöchernen Defekten, wie einem glenoidalen Knochenverlust. Gängige Methoden zur Einschätzung sind [12, 13]:

Best-Fit-Circle-Methode: schätzt die ursprüngliche Breite des Glenoids

Kontralaterale Vergleichsmethode: nutzt das gesunde Glenoid der Gegenseite als Referenz

Pico-Methode: analysiert Knochenverlust durch Vergleich beider Glenoide

Magnetresonanztomografie (MRT)

Die MRT ist ideal zur Untersuchung von Weichteilverletzungen wie Rotatorenmanschettenrupturen und Labrumläsionen. Eine MRT-Arthrografie kann nach Injektion unter Ultraschall- oder Röntgenkontrolle durchgeführt werden, um die Erkennung von Labrumrissen zu verbessern.

Therapiemethoden

Konservative Therapie bei Schulterinstabilität

Nach einer Schulterluxation ist eine umfassende konservative Nachbehandlung unverzichtbar, unabhängig davon, ob später eine operative Stabilisierung notwendig wird oder geplant ist. Einzig absolute OP-Indikationen wie dislozierte Glenoidfrakturen sind hiervon ausgenommen. Das Hauptziel der konservativen, frühfunktionellen Behandlung besteht darin, die Beweglichkeit der Schulter zu erhalten und eine posttraumatische Steifheit zu verhindern. Zu den anfänglichen Maßnahmen gehören abschwellende Behandlungen und passive Krankengymnastik. Eine vollständige Ruhigstellung der Schulter über einen Zeitraum von 48 Stunden hinaus wird in der Regel nicht empfohlen, da eine längere Immobilisation kontraproduktiv sein kann und das Risiko einer Einsteifung erhöht.

Eine Fixierung der Schulter in Außenrotation, die das mittlere glenohumerale Ligament (MGHL) spannt, wurde in einigen Studien untersucht. Das primäre Ziel, das anteroinferiore glenohumerale Ligament (aIGHL) zu spannen, wurde jedoch nicht erreicht, weshalb sich diese Methode in der Praxis nicht durchgesetzt hat.

Für Patientinnen und Patienten, die unter Instabilitätssymptomen ohne ein vorangegangenes Trauma leiden, kann der konservative Ansatz direkt mit gezielter Physiotherapie und manueller Therapie beginnen. Diese Phase der Behandlung zielt darauf ab, das Gleichgewicht der Muskelaktivität wiederherzustellen und die stabilisierenden Strukturen der Schulter zu stärken. Wichtige Schwerpunkte sind:

Lösung von Kontrakturen und Tonusstörungen: Muskelverspannungen und Fehlhaltungen müssen gelöst werden, um eine optimale Funktion zu gewährleisten.

Korrektur pathologischer Bewegungsmuster: Bewegungen, die zu Fehlbelastungen führen, sollten durch physiologische Bewegungsabläufe ersetzt werden.

Aktivierung der stabilisierenden Muskulatur: Dazu gehören die Rotatorenmanschette und die Skapulamuskulatur (z.B. M. serratus anterior, Mm. rhomboidei, M. trapezius pars ascendens). Diese Muskeln spielen eine wesentliche Rolle in der Stabilisierung des Schultergelenks.

Ergänzend wirken auch Schultermuskeln wie der M. trapezius pars descendens und der M. teres major stabilisierend. Ein fein abgestimmtes Zusammenspiel der Muskulatur und ein präzises Timing sind entscheidend, um eine stabile Schulter zu gewährleisten. Physikalische Maßnahmen wie gezielte Muskelstimulation können im Einzelfall den Therapieerfolg unterstützen und die Rehabilitation ergänzen.

Die konservative Therapie kann nicht in allen Fällen Rezidivluxationen verhindern, trägt jedoch häufig zur Verbesserung der Schulterfunktion und zur Linderung von Instabilitätssymptomen bei. Besonders bei Patientinnen und Patienten mit Hyperlaxität und multidirektionaler Instabilität (MDI) ist sie oft hilfreich. Allerdings zeigt sich, dass die primär konservative Therapie, insb. bei jungen und aktiven Patientinnen und Patienten sowie bei MDI, eine höhere Reluxationsrate aufweist als die operative Behandlung. Jede weitere Luxation schwächt zudem die Prognose und erhöht das Risiko für eine Instabilitätsarthrose [14–16].

Operative Therapieansätze

Die operative Stabilisierung des Schultergelenks zählt zu den häufigsten orthopädischen Eingriffen in Deutschland. Im Jahr 2021 wurden über 12.000 solcher Operationen durchgeführt. Eine erfolgreiche operative Therapie strebt an, die Schulterstrukturen vollständig wiederherzustellen, um Stabilität und Funktion zu gewährleisten. In der Praxis ist eine vollständige Wiederherstellung zwar selten, aber junge und mittelalte Patientinnen und Patienten profitieren in der Regel am meisten von einem operativen Eingriff. Bei älteren Patientinnen und Patienten treten häufig Rotatorenmanschettenrupturen auf, die in einigen Fällen eine Prothesenimplantation erforderlich machen.

Rekonstruktion des Kapsel-Labrum-Komplexes

In vielen Fällen, insb. bei posttraumatischen Schulterinstabilitäten, ist eine Wiederherstellung des Labrums und der angehefteten Kapsel notwendig. Diese Operation erfolgt häufig mittels Fadenankern, um das anteroinferiore Labrum anatomisch zu refixieren. In der Regel werden dabei 2 oder mehr Fadenanker verwendet. Eine genaue Dosierung der Kapselspannung ist von großer Bedeutung, da ein übermäßiges Raffen zu einer eingeschränkten Beweglichkeit und langfristig zu einer sogenannten Capsulorrhaphy-Arthropathie führen kann, die durch chronische Schmerzen und vorzeitige Arthrose gekennzeichnet ist [17, 18].

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5